»Qualität statt billigem Glamour«

Das Belgische Viertel scheint etwas Magisches an sich zu haben. Seit Jahrzehnten ist es der Nukleus unterschiedlichster kreativer Szenen. Ob Avantgarde oder Pop, Musik oder Kunst, Clubs oder Galerien – was im Belgischen angesagt ist, ist auch im Rest von Köln ein Muss. Und die Geschichte geht weiter. In den letzten Jahren haben sich im Carré zwischen Venloer und Aachener Straße extravagante Jungdesigner und angesagte Labels niedergelassen.

Das Belgische Viertel hat sich zum Aushängeschild der Kölner Modeszene gemausert.

Eine Szene, die der aktuellen Finanzkrise trotzt, indem sie genau das tut, was man nicht erwartet: Ein großes Fest! Das neue Event le bloc am 6. Juni, veranstaltet vom StadtRevue Verlag zusammen mit über 40 weiteren Initiatoren, ist die beste Gelegenheit, die Kreativen des Belgischen Viertels kennenzulernen und gemeinsam zu feiern. le bloc, das ist Open-Air-Showroom, Catwalk, Party und viel Spaß. Aber nicht nur das Belgische brummt. Auch rund um die Engelbertstraße, in der Südstadt oder in Ehrenfeld beweist die Kölner Szene, wie weltstädtisch mittlerweile mit Mode und Design umgegangen wird. Auf den folgenden 28 Seiten stellen wir 11 Designer im Porträt vor und sprechen mit zwei renommierten Modeschöpferinnen über Kreativität in Zeiten von Wirtschaftskrise und Bio-Boom. Außerdem haben wir

die 130 schönsten Mode-Adressen für Euch zusammengestellt und kommentiert.

 

StadtRevue: Auf den internationalen Frühjahrsmodeschauen dominierte schlicht und schwarz. Verändert die globale Finanzkrise auch die Mode?

Claudia Lanius: Viele Jahre lang war Opulenz gefragt. Die Kleider waren bunt, bestickt oder großflächig bedruckt. Jetzt dominiert eher ein reduzierter Stil. Die Mode ist aber immer im Wandel – ob die Entwicklung nun auf die Krise zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen.

Jessica Liepelt: Die Faktoren dafür sind wirklich schwierig zu beurteilen. Ich bin aber überzeugt, dass Werte durch die Wirtschaftskrise neu definiert werden und sich der Stil dadurch ändert. Qualität und die Freude an schönen Materialien rücken in den Vordergrund und lösen Quantität und billigen Glamour ab.

Die Krise könnte also eine Chance sein für die Modeindustrie?

Liepelt: Die Kunden sind kritischer und überlegen bewusster, wofür sie Geld ausgeben. Dieses Schnell-Schnell ist nicht mehr so gefragt – zum Glück! Für die Modeindustrie heißt das, dass man mehr leisten muss. Lange habe ich mich gefragt, lohnt sich mein intensiver Einsatz eigentlich, um Eigenständiges zu entwickeln. Ich entwerfe eigene Drucke, kaufe keine Teile dazu – alles soll meine Handschrift tragen. Andere machen es sich leichter und kaufen einfach fertige Modelle von Lieferanten aus dem Ausland. Seit 2001 und noch stärker seit Ende letzten Jahres ist Qualität wieder gefragt. Für mich ist das ein schönes Gefühl, weil ich schon immer darauf gesetzt habe.

Lanius: In der Krise steckt für die Branche grundsätzlich auch etwas Positives. Jetzt wird belohnt, dass man nicht das schnelle Geld machen wollte, sondern intensiv an der eigenen Marke gearbeitet hat. Seit Januar können wir einen Umsatzzuwachs in allen Läden verzeichnen. Lieblingsteile und hochwertige Mode sind bei uns gesucht. Austauschbare Produkte haben es jetzt hingegen richtig schwer.

Frau Lanius, Sie setzen seit fast 15 Jahren auf Öko-Mode und lassen in zertifizierten Fairtrade-Betrieben produzieren. Ärgert es Sie, wenn nun auch die großen Häuser wie H & M oder C & A auf den Bio-Boom aufspringen?

Lanius: Dass Öko im Mainstream ankommt und auch Ketten auf Öko setzen, ist prinzipiell gut. Ethisch finde ich das aber wenig überzeugend, da spielen wohl eher Marketinggründe eine Rolle, als der Wunsch unter sozialen Bedingungen produzieren zu lassen. Wir arbeiten vorwiegend mit Produktionsstätten zusammen, welche GOTS-zertifiziert sind – das ist bezogen auf soziale Arbeitsbedingungen die höchste Auszeichnung – oder zumindest unseren Sozialstandards entsprechen. Wir kennen alle unsere Produzenten und überzeugen uns regelmäßig vor Ort.

Welche Tipps können Sie dem Nachwuchs geben?

Liepelt: Einen eigenen Stil zu entwickeln…

Lanius: … und auch den Mut haben, die eigene Linie zu bewahren. Ich kann jedem Jungdesigner nur sagen: Alles ist erlaubt, nur seinen Stil darf man nicht verwässern.