Foto: Manfred Wegener

Faust im Nacken

Journalisten werden bei Polizeieinsätzen oft in ihrer

Arbeit behindert. Eine Initiative soll das jetzt ändern

Der Kölner Journalist und Autor Frank Überall (»Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns«), wird nicht müde zu betonen, dass sein Verhältnis zur Polizei in Köln einwandfrei sei, das zum Polizeipräsidium sogar hervorragend: »Polizeipräsident Klaus Steffenhagen ist ausgesprochen kooperativ und immer ansprechbar für Journalisten. Diesen Kurs verfolgen auch seine Leute.« So war der Journalist, der für WDR, ARD, dpa und die StadtRevue arbeitet, entsetzt, als ihn am Tag des Einsturzes des Stadtarchivs am 3. März ein Uniformierter umklammerte, schlug und heftig wegstieß. Zuvor war Überall als Reporter für den ARD-Hörfunk auf dem Weg zu seinem Ü-Wagen gewesen, als ihm zwei Polizisten den Weg versperrten und ihn auch nach Vorzeigen des Presseausweises nicht passieren ließen. Bevor Überall zum Handy greifen konnte, um sich an die Pressestelle des Polizeipräsidiums zu wenden, griff ihn der jüngere der beiden Beamten an. »Es waren Bereitschaftspolizisten«, sagt Überall, einerseits um die Kölner Polizeibeamten in Schutz zu neh­men, andererseits um das Problem zu präzisieren. »Auch beim Anti-Islamisierungskongress in Köln konnte ich beobachteten, dass die Einsatzhundertschaften Pressevertreter massiv behindert haben. So war es zeitweise fast unmöglich, sich ein Bild von der Lage zu machen.«

Aussage gegen Aussage

Überall skizziert die Konsequenz dieser polizeilichen Praxis für die Bürger: »Sie verfolgen ein Ereignis übers Radio, bekommen aber nur mitgeteilt, dass man gerade nichts sagen kann, weil die Reporter durch die Polizei von der Arbeit abgehalten werden.« Auch aus diesem Grund erstattete Überall Strafanzeige bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Das Verfahren wurde schnell eingestellt: Aussage stehe gegen Aussage. Daraufhin suchte der Journalist, der auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Jour­nalistenverbandes (DJV) in Köln ist, das Gespräch mit der Polizei und initiierte Konzepte, um dem Presserecht mehr Bedeutung bei der Ausbildung und Schulung von Polizisten zukommen zu lassen. »Es muss besser vermittelt werden, dass die Pressefreiheit Verfassungsrang hat«, sagt Überall, der den DJV-Landesverband hinter seiner Initiative weiß. Diese Vermittlung könne beispielsweise mit Seminaren und auch mit filmischen Mitteln erfolgen.
Mit dem Kölner Polizeipräsidium wurden bereits erste Gespräche geführt. Auch aus Sicht der Polizei viel versprechende: »Wichtig ist, das Verständnis für die Arbeit beider Seiten zu fördern«, sagt Pressesprecher Wolfgang Baldes. Das sei bei einem hierarchischen Gebilde wie der Polizei kein Prozess von heute auf morgen, aber über Netzwerkarbeit sei viel möglich und seien auch die jungen Kollegen der Bereitschaftspolizei zu erreichen. Für sie wirbt Baldes – aber auch Überall – um Verständnis: »Wer seine Wochenenden statt bei der Familie auf Demos und in Fußballstadien verbringt, hat verdient, dass seine besondere Situation berücksichtigt wird.«
Dass Polizisten Probleme mit der Presse haben, mag Gründe haben. Mitunter betrachten sie Journalisten aber per se als Sympathisanten der Demonstranten. Auch bei anderen Ereignissen gehen nicht wenige Polizisten davon aus, dass ihnen Presse­vertreter besonders kritisch auf die Finger schauen.

Amateur oder Profi?

Ein anderes Problem liegt bei den Medien selbst. Wenn ein Stadtarchiv einstürzt, treffen nach kürzester Zeit Heerscharen von Medienvertretern ein. Wurde der Pulk bisher durch Presseausweise limitiert, fällt dies seit kurzem weg. Seit diesem Jahr sind Presseausweise nicht mehr durch die Innenministerkonferenz (IMK) autorisiert. War bisher auf der Rückseite noch die IMK-Auf­forderung vermerkt, den Ausweis-Inhaber bei seiner Arbeit zu unterstützen, so lautet die neue Formulierung: »Institutionen und Unternehmen werden gebeten, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.«
Hintergrund sind erfolgreiche Klagen verschiedener Verbände, die Ausweise ausstellen wollen, ohne die strengen Kriterien einhalten zu müssen, auf die sich Aussteller wie DJV oder der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger verständigt hatten. So werden den Polizisten bei Einsätzen immer mehr Presseausweise vor der Nase herumgewedelt, ohne dass klar wird, ob der, der wedelt, Amateur oder Profi ist.
Vor diesem Hintergrund könnten kritische Begegnungen zwischen Polizisten und Journalisten zunehmen. »Bei uns gehen immer wieder Meldungen über Einzelfälle ein. Wir haben aber bisher noch keine Zunahme registriert«, erklärt Anja Viohl von »Reporter ohne Grenzen«.
Überall würde sich jedenfalls freuen, wenn seine unangenehme Erfahrung hilft, seine Arbeit und die seiner Kollegen zu erleichtern, und Reporter ohne Grenzen die Statistik nicht nach oben korrigieren muss.