Immer Theater mit den Kleinen

Kindertheater in Köln und Umgebung:

Wir stellen drei Beispiele vor

Vor über 35 Jahren erschien Michael Endes Kinderbuchklassiker »Momo«. Mittlerweile vertreten PISA, OGS und G8 die grauen Herren und klauen den Kindern spätestens mit Schuleintritt die Zeit für Muße. Schlechte Zeiten also fürs Kindertheater? Man mag es kaum glauben:
Obwohl die ökonomischen Bedingungen schlecht und Gastspielmöglichkeiten rückläufig sind sind, wird das Angebot an Kindertheater in Köln und Umgebung immer umfangreicher.
Die hier vorgestellten Theater haben zwei Dinge gemeinsam: Sie arbeiten für ein junges Publikum; Live-Musik gehört unabdingbar zu ihren Aufführungen. Ansonsten sind Ansichten, Arbeitsweisen und Äs­thetik so unterschiedlich wie ihre Produkti­onsbedingungen und Musik­aus­wahl.

Die Performer Seit über zwanzig Jahren gibt es die Theatergruppe »Monteure«, nicht benannt nach der Tätigkeit mit Blaumann und Rohrzange, sondern nach ihrer Arbeitsweise,
der Montagetechnik: Geschich­ten werden verschachtelt und verflochten, Abstraktionen vermischt mit konkreten Bildern. Bewegung, live gespielte Bühnenmusik, Farben und Formen, Lust am Spiel ohne vierte Wand, ganz nah am Publikum, gehören dazu. Entgegen der Tendenz zum Ziel­gruppen-Entertainment, wagen die Monteure immer noch Angebote für »Kinder von 3 bis 10 und Familien«, darauf vertrauend, dass jede Altersgruppe aus dem reichen Assoziationsangebot der Produktion für sich auswählt, womit sie etwas anfangen kann.
Die Monteure haben als freie Gruppe kein festes Haus, sie gastieren im Bürgerhaus Stollwerck und ansonsten dort, wo man sie bucht. Fragt man Theatergründer Joachim von der Heiden, warum er für Kinder arbeitet, ist die Antwort einfach: des Publikums wegen, das direkt reagiert und dem Akteur keinen Schonraum lässt. Eines Publikums, dem man den Blick weiten kann und soll. Wann soll das geschehen, wenn nicht im Kindesalter?! Da ist er noch, der Glaube an die gesellschaftliche Relevanz von Theater im allgemeinen und Kindertheater im besonderen.

Die Traditionalisten Inga und Esther Hilsberg, die Gründerinnen der Kammeroper Köln, definieren ihre Ziele in Bezug auf Kindertheater – es gibt auch einen Spielplan für Erwachsene – dagegen pragmatisch, wenn auch mit einem Augenzwinkern: »Wir machen Oper. Und wir wollen auch in zwanzig Jahren noch Zuschauer haben«. Die Schwestern, Sängerin die eine, Dirigentin die andere, sehen sich als Nachwuchsförderer – in beide Richtungen. Junge Sänger sollen bei ihnen die Bühnenerfahrung sammeln, an der es in der Ausbildung an der Musikhochschule mangelt. Und: Opernfassungen für Kinder sollen ein junges Publikum mit klassischer Musik bekannt machen, das damit sonst keine Berührungspunkte hätte. Das ist theoretisch löblich – in der Praxis hat die Kammeroper vor zwei Jahren in Rodenkirchen ihr Quartier bezogen, und vor allem der bildungsbürgerliche Kölner Süden samt Umland beschert den Kindervorstellungen eine Auslastung von neunzig Prozent.
Was nicht heißt, dass hier mit Kindertheater Geld verdient würde, und schon gar nicht mit Oper ohne Subventionierung. Auch wenn im Rodenkirchener Zuschauerraum – mit seinen 150 Stühlen und vierzig Kissen dicht an den Akteuren – statt eines Orchesters nur ein Klavier »Die kleine Zauberflöte« begleitet und die Sänger für Minimalgagen auftreten, bleibt der Leitung zum Teil nur ehrenamtliches Engagement. Wo bleibt der rettende Sponsor, der Stadtbeauftragte mit dem dicken Scheckbuch, der Mäzen, der Sinn darin sieht, Kindern große Opern in Kurzversion – »Die Zauberflöte« mit sechs Sängern in einer Stunde – und konventioneller Machart nahezubringen und den Schwestern ihren Traum von der Privatoper finanziert?

Der Mainstream-Macher Moritz Seibert, Intendant am Jungen Theater Bonn, braucht solch einen Helfer nicht: Das JTB hält beispielsweise die Uraufführungsrechte an Cornelia Funkes »Tintentrilogie« als Musical und ist auch in dieser Spielzeit wieder das meistbesuchte Kinder- und Jugendtheater Deutschlands mit ca. 122.000 Zuschauern (2007/08). Seibert, Absolvent der Filmakade­mie Baden-Württemberg, bringt Kinderbuchklassiker auf die große Musicalbühne, mit einem festen Ensemble von zehn Darstellern. Die Kinderhauptrollen werden meist auch von Kindern gespielt, die das Leitungsteam in offenen Auditions und Castings rekrutiert. Viele der jugendlichen Darsteller haben am Haus Schauspielkurse besucht. Gagen kann Seibert den Kids nicht zahlen, es gibt ein Taschengeld – und eine außergewöhnliche Erfahrung.
Die gewöhnungsbedürftige Mischung aus Laien und Profis begründet Seibert inhaltlich: Erwachsene, die Kinder spielen, seien für ein jugendliches Publikum weniger glaubwürdig als »echte« Kinder. Die Einfühlung, das Sich-Mitnehmen-Lassen falle den jugendlichen Zuschauern bei ihresgleichen leichter. Mitnehmen lassen sich die Kids offensichtlich gerne. Mehr als 35 Jahre, nachdem emanzipatorisches Kindertheater eine Welt verändern wollte, boomt hier regionales Musical light zum Taschengeld-Preis.


Termine
Monteure: »Stein auf Stein – ein Theater­spiel« (Solo).
Die für Ende Juni geplante Premiere muss leider auf Oktober verschoben werden!
Junges Theater Bonn: Tintentod – Das Musical, 26./27.6., 10 & 19.30 Uhr; Ronja Räubertochter, 28.6., 15 Uhr, 29./30.6., 10 Uhr
Junge Kammeroper Köln: Die kleine Zauberflöte, 8. & 12.7., 15 Uhr