Foto: Manfred Wegener

Bahn für umsonst

Studenten der Uni Köln tricksen

die Verkehrsbetriebe aus

Gut sichtbar steckt der ockergelbe Button mit dem ausgestreckten Daumen an der grauen Umhängetasche von Anna, als sie in die Straßenbahnlinie 15 steigt. Noch bevor sich die 26-jährige Studentin einen Sitzplatz sucht, spricht sie am Fahrkartenautomaten einen Mann an, der gerade in seinem Portemonnaie nach Kleingeld kramt. »Sie können gerne mit mir fahren, wenn Sie wollen«, sagt sie und zeigt auf ihren Button.

Anna ist eine von rund 1500 Studenten, die sich an der Aktion »Bahntrampen« beteiligen. Der Button signalisiert, dass der Träger ein Semesterticket besitzt und deshalb werktags nach 19 Uhr und am Wochenende eine weitere Person im gesamten VRS-Gebiet mitnehmen kann – und auch gewillt ist, das zu tun.

Mitfahrbuttons sind praktische Solidarität

Hinter der Aktion stecken die Mitglieder von »Geblockt«, einer Gruppe aus der linken Szene in Köln, die sich anlässlich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm gründete und seither mit »Aktionen des zivilen Ungehorsams« auf sich aufmerksam macht. Ginge es nach ihnen, würde es langfristig ein kostenfreies Verkehrssystem für Köln geben. Bis dahin will man die Kosten für Fahrgäste zumindest möglichst gering halten.

»Mitfahrbuttons sind praktische Solidarität«, erklärt Mit-Initiator Jörg (alle Namen geändert), denn von der Aktion sollen nicht zuletzt auch sozial schwächere Menschen profitieren, die sich häufiges Bahn- und Busfahren nicht leisten können. Die Preispolitik der Verkehrsbetriebe sei nicht gerechtfertigt. So kostet ein Einzelticket 2,40 Euro – für Hartz-IV-Empfänger viel Geld, zumal im monatlichen Grundbedarf von 359 Euro Arbeitslosengeld nur 14,40 Euro für Mobilität vorgesehen sind. Dank dem »Köln Pass« gibt es zwar Preisermäßigungen für Fahrkarten, aber ein KVB-Monatsticket kostet dann immer noch 28,40 Euro.

Die Idee, Menschen mit auf das Job-, Rentner- oder Studententicket zu nehmen, ist zwar nicht neu, hat es aber in Köln in organisierter Form noch nicht gegeben. »Es ist ein bisschen so, als würden wir offene Türen einrennen«, so Matthias, ein weiterer Mit-Initiator. Dass die Aktion sowohl bei Studenten als auch bei Fahrgästen überwiegend gut ankommt, kann Anna bestätigen. Auch ihr heutiger Bahntramper findet »die Idee sehr sympathisch« und hat sich vorgenommen, demnächst öfter nach den gelben Ansteckern Ausschau zu halten.

VRS zeigt sich nicht begeistert

Nicht ganz so begeistert von der Bahntramp-Aktion ist der Verkehrsverbund Rhein-Sieg. »Im VRS-Gebiet werden bereits durchschnittlich fünfzig Prozent des Preises aller Fahrkarten staatlich subventioniert, das heißt die Leute bezahlen zurzeit nur die Hälfte des eigentlichen Fahrpreises«, erklärt die Pressesprecherin des VRS, Isabella Stock. Das offensive Bewerben der Mitfahrbuttons sei unsolidarisch, denn es wirke sich mittelfristig auf die Preise aller Fahrgäste aus.

Und damit auch auf die Studententickets: Zusammen mit dem Asta und der Universität verhandelt der VRS jährlich die Ticket-Konditionen neu. In diesem Semester können Kölner Studenten für umgerechnet 16,30 Euro im Monat die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Ein sehr günstiger Preis, wie Isabella Stock findet. Sollte die Initiative auf lange Sicht größere Kreise ziehen, könnte das bisherige Preisniveau des Semestertickets bald allerdings nicht mehr gewährleistet werden, so Stock. Die Studentenvertretung der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg bittet deshalb bereits jetzt auf ihrer Internetseite die Studierenden, die Button-Aktion nicht zu unterstützen.

Eine Preiserhöhung weist Stock allerdings noch weit von sich. »Wir haben uns bereits im Frühjahr mit den Asten in Verbindung gesetzt und sind überzeugt, dass wir die Sache auch ohne Konfrontation lösen können.« Sollte es Anzeichen geben, dass der VRS die Preise aufgrund der Aktion erhöhen will, wird sich zeigen, wie lange die Bahntramper die Kampagne noch durchziehen. Anna ist da eher pessimistisch, denn sie weiß, dass viele ihrer Kommilitonen die insgesamt 700 Euro Ticket- bzw. Semestergebühr finanziell schon jetzt stark belastet. Trotzdem will sie die Initiative weiterverfolgen: »Man muss ja dafür keinen auffälligen Button tragen.«


Infos gibt es auf www.bahntrampen.de,
Buttons bekommen Studenten außerdem
im Café Duddel, Zülpicher Wall 8,
sowie im LC36 an der Ludolf-Camphausen-Str.36.