Krankgeschrumpft?

Köln verliert weit überdurchschnittlich an Kinozuschauern. ­

Eine Suche nach Gründen

Die Entwicklung gibt Rätsel auf. Gegen Ende der 90er Jahre war Köln eine der Kinohochburgen Deutschlands. 3,9 Filme sah jeder Kölner 1997 im Durchschnitt auf der großen Leinwand. Lediglich in sieben deutschen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern gingen die Menschen häufiger ins Kino. 2008 hat sich die Situation gedreht: Von den verbliebenen 25 Städten mit über 200.000 Einwohnern (1997 waren es noch 30) haben 17 bessere Zahlen. Köln kommt im Schnitt nur noch auf 2,5 Kinobesuche pro Einwohner laut Statistik der Deutschen Filmförderanstalt (FFA). Schlechter sieht es lediglich in Ostdeutschland und im Ruhrgebiet aus. Fehlt es an Leinwänden? An großen Events, die die Aufmerksamkeit auf das Kino lenken (siehe Kasten)? Warum sind die Kölner kinomüde geworden?

Die Kinobetreiber räumen ein, dass Film nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Domstädter steht: »Wenn viele andere Ver­anstaltungen angeboten werden oder das Wetter schön ist, machen die Leute etwas anderes«, stellt Dirk Steinkühler von der Film­palette fest. Martin Ebert, Geschäftsführer des Cinedom, beobachtet, dass die Kölner nicht unbedingt darauf warten, Neustarts zu sehen: »Bei uns laufen Filme in der ersten Woche öfter schlecht, nach hinten raus sind die Zahlen dann besser.« Bei dieser abwartenden Haltung kann es immer vorkommen, dass Filme ganz verpasst werden.

Doch das sind keine Erklärungen für den Niedergang im letzten Jahrzehnt. Ein Grund könnte darin liegen, dass seit 1997 Multiplexe in Euskirchen, Siegburg und Neuss entstanden sind, die den Kölner Kinos Zuschauer aus dem Umland genommen haben. Ebert beobachtet seitdem weniger Autos mit den entsprechenden Kennzeichen im Parkhaus des Cinedom. Drei bis vier Kinos können am Wochenende dennoch schon mal im Cinedom ausverkauft sein. Für diejenigen, denen Sitzkomfort, große Leinwand und gute Projektion wichtig sind, bietet Köln dann keine Ausweichmöglichkeit. Mit dem Ende des Residenz und des Filmhauses Schildergasse in den letzten Jahren gibt es für den Mainstream sowieso nur noch den Cinestar Filmpalast, ehemals Ufa, am Ring als Alternative. Mit seinem Labyrinth aus Schachtelkinos und durchgesessenen Sitzen bietet es allerdings nicht gerade modernsten Standard.

Was bei den Zahlen der FFA auffällt: Köln hat seit 1997 über 20 Prozent seiner Leinwände verloren, während die Anzahl der Kinosäle etwa in München und Hamburg stabil geblieben ist. In beiden Städten entspricht der Rückgang der Besucherzahlen in diesem Zeitraum ziemlich genau dem Bundesdurchschnitt von ungefähr 15 Prozent, während in Köln die Zahlen um 35 Prozent eingebrochen sind. Weniger Leinwände sind nicht nur ein Indikator für weniger Zuschauer, sie verhindern auch Kinobesuche. Es müssen größere Wege in Kauf genommen werden, um den gewünschten Film zu sehen, der Druck auf Kinos steigt, Filme schneller aus dem Programm zu nehmen, um Neustarts Platz zu machen. Im schlechtesten Fall kommt ein Film gar nicht oder Monate später, weil schlicht die Abspielmöglichkeiten fehlen. Im Bereich kleiner Starts unabhängiger Verleiher ein regelmäßiges Phänomen in Köln, auch wenn sich die Situation in den letzten zwei Jahren gebessert hat.

Ein neues Kinozentrum in der Südstadt, wie es die Initiative Luxet im Gebäude des ehemaligen Rautenstrauch-Joest Museums plant, würde sicher dazu beitragen, die Zahl der Kinobesucher in Köln wieder zu vergrößern. Der Widerstand einiger Kölner Kinobetreiber gegen das Projekt, ist daher zu kurz gedacht. Allerdings: Selbst wenn alle drei Säle des geplanten Kinos täglich drei Mal ausverkauft wären, hätte Köln nur die Hälfte der Kinozuschauer wiedergewonnen, die es im letzten Jahrzehnt verloren hat.

Kölner Kino Nächte – Die Kinoszene präsentiert die ganze Bandbreite ihres Angebots

Unter den Millionenstädten Deutschlands hat lediglich Köln kein großes Filmfestival oder Filmfest. Versuche hat es immer wieder gegeben, zuletzt von Thomas Rossbach. Doch der Leiter des Arbeitskreises Medien und Kommunikation der hiesigen CDU hat Köln zwischenzeitlich den Rücken gekehrt. Zumindest bis zum 30. August hat er Ver­pflich­­tungen im Rhein-Sieg-Kreis: Er ist OB-Kandidat in Windeck. Auf Nachfrage will er das Projekt zwar nicht als beendet bezeich­nen, aber viel scheint sich nicht zu tun. In Zei­ten knapper Kassen ist der Plan weiter von einer Verwirklichung entfernt als je zuvor.
»Köln braucht ein Filmfestival? Köln hat Filmfestivals! Und zwar mehr als es Monate gibt«, mit diesen Sätzen empfängt die Homepage www.filmfestivals-koeln.de den Besucher. Die Seite wird betrieben von den beiden Machern der Filmpalette Dirk Steinkühler und Joachim Kühn. Mit den Ende August erstmals stattfindenden Kölner Kino Nächten wollen sie das Bewusstsein für Filmveranstaltungen schärfen, die in Köln –zum Teil ohne viel Aufmerksamkeit von Medien und Publikum –, jeden Monat stattfinden. Von der Russischen Filmwoche über die Kunstfilmbiennale bis zur Cologne Conference sind so gut wie alle Kölner Filmfeste und -festivals vertreten. Kinos wie der Cinedom, das Metropolis und das Off Broadway präsentieren eigene Programme; die Kunsthochschule für Medien macht mit, die Internationale Filmschule Köln, das Italienische und Französische Kulturinstitut. Die Liste geht weiter.
Die Breite der Angebote und die Anzahl der beteiligten Veranstalter beeindruckt. Es gibt NRW-Premieren und Previews, unter anderem von »Gigante« von Adrián Biniez, der auf der diesjährigen Berlinale mehrfach ausgezeichnet wurde, Stummfilmvorführungen mit Livemusik, verschiedene Lange Nächte (Tarantino-Nacht, Josef-Hader-Nacht). Da sich die unterschiedlichsten Institutionen und Initiativen präsentieren, kann man anders als bei einem Festival keine Stringenz des Programms erwarten. In ihrer Unübersicht­lichkeit spiegeln die Kino Nächte statt­dessen das Filmangebot in der Stadt mit all ihren Höhen und Tiefen wider.

Fr 28.-So 30.8., ­
Kombiticket 17,90 €