James Frey

Vor sechs Jahren veröffentlichte James Frey den ersten Teil seiner Memoiren, »A Million Little Pie­ces«, ein Jahr später folgte der zweite. Junkie-Erzählungen voller Gewaltexzesse, von teilweise erschütternder Drastik (Ein Beispiel? Frauen, die Kokain von ­Penissen schnupfen. Zufrieden?). Beide Bücher wurden Bestseller, das amerikanische Publikum liebt diese Geschichten. Wenn man das Gesicht auf der Rückseite des Buches endlich mal eins-zu-­eins verantwortlich machen kann. Wenn endlich Autoren-Ich und Erzähler-Ich übereinstimmen. Das Problem: Wenig davon stimmte.

Zunächst hatte Frey seine Romane wahrheitsgetreu als fiktiv angeboten, doch als ein Verlag nach dem anderen dankend ablehnte, schwenkte er um. Sex sells? Authentizität sells even better. Als alles rauskam, wurde er in der Luft zerrissen, angesehene Kritiker bemühten sich nach Kräf­ten, ihn zu zerstören. Oprah Winfrey, die mächtigste Literaturkritikerin des Landes, schlug mit un­erbittlicher Härte zurück – sie war durch ihre Lobeshymnen maßgeblich am Erfolg der »Memoiren« beteiligt. Das Publi­kum fühlte sich betrogen und wand­te sich angewidert ab. Leser wünschten ihm offenherzig, er möge an Krebs sterben. Eine Lite­raturdebatte rollte über das Land. Und James Frey war eine Chiffre für Verkommenheit und Verlogen­heit geworden. Doch es kommt noch besser.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte dieser James Frey mit »Strahlend schöner Morgen« ein ambitioniertes Los-Angeles-Panorama, vielstimmig, prall, saftig. Und – die Kritiker sind begeistert! Oprah Winfrey höchstpersönlich rief ihn an und entschuldigte ihren Ausbruch vor laufenden Kameras als Ego-Problem! Auch das Publikum scheint ihm zu verzeihen. Nun ist er angeblich in Gesprächen mit den Produzenten der TV-Mafiosi »The Sopranos«, man plant eine Serie.

Dieses Comeback-Kid kommt nun nach Köln und wird aus dem auf deutsch erschienen Roman lesen – aber hoffentlich auch noch mal von diesem Wahnsinn erzählen, der in den vergangenen Jahren sein Leben war. Vielleicht stehen ja demnächst noch mal Memoiren an. Seine echten.

Buch
James Frey: Strahlend schöner ­Morgen. Ullstein, Berlin 2009, 592 S., 22,90 €

Lesung
16.9. James Frey liest im Literaturhaus, Schönhauser Str. 8, 20 Uhr. Mit Fritzi Haberlandt als »deutscher Stimme«.