Foto: Jörn Neumann

Im Macht-Dreieck

Die Kommunalwahl hat den Weg für Rot-Grün frei gemacht –

doch das Bündnis ist nicht so stabil, wie viele es wünschen

Man konnte fast Mitleid haben. Peter Kurth hat sich bemüht, ­einen modernen Wahlkampf zu füh­ren: ein Bürger-Café in der Innenstadt und fleißiges Twittern zu jedem noch so geringen Anlass. Zuletzt dann täglich Mails an Pres­se und Unterstützer, dazu PR-Gimmicks wie eine »Politik-Feuer­wehr«, die durch die Stadtteile kurvte, wie weiland das unsägliche Guido-Mobil. Kurths größtes Problem: Die Politik des Parteikollegen Fritz Schramma kritisieren, ohne ihn beim Namen zu nennen. Schramma musste sich gar noch demütigen lassen. Auf einer CDU-nahen Internetseite warb er für Kurth mit den Worten, dieser stehe »für einen Neuanfang«.

Trotz allem fuhr Kurth, der all­zu spät in Berlin gefundene CDU-Kandidat, eine Schlappe ein: bloß 33,25 Prozent der Stimmen. Damit liegt der legere Sakko-über-der-Schulter-Träger zwar mehr als fünf Prozent über dem Ergebnis der CDU, die bei den Stadtrat-Wahlen fünf Prozent ein­büßte und nun nicht mal mehr stärkste Frak­tion ist. Und das ist nach den Skan­dalen um die Beraterverträge von Rolf Bietmann und Jupp Müller sowie Fritz Schrammas Ungeschicktheiten nach dem Archiveinsturz das größere Desaster.

Die Stimmung bei SPD und Grünen war am Wahlabend entsprechend euphorisch. Dabei ist die SPD um drei Punkte auf 28 Prozent abgerutscht. Grund zum Jubel hatten vor allem die Grünen, die 21,4 Prozent bekamen, vor fünf Jahren waren es noch 16,6 Prozent. Sie holten elf Direktmandate in den 45 Wahlkreisen.

Das dürfte das Selbstbewusst­sein der Grünen bei den Verhand­lungen mit der SPD stärken. Bislang war das rot-grüne Kernbünd­nis im Rat noch auf die Stimmen der Linkspartei angewiesen. Der grüne Fraktionsvize Jörg Frank witzelte nach der Wahl 2004 von der »kölschen Volksfront«, jetzt regiert in Köln ein rot-grünes Bünd­nis, das sich um die Linke nicht scheren muss. Ob das gut ist für die Stadt, wird sich noch zeigen: Dass die Linke im kölschen Klün­gel mitmischt, würden jedenfalls nicht mal deren Gegner behaupten.

Welches Dankeschön erwar­ten die Grünen von der SPD?

Durch die Sitzverteilung wird es für SPD und Grüne im Rat zwar leichter, aber die letzte Wahl­periode hat auch bewiesen, dass die Zusammenarbeit nicht immer harmonisch verläuft. Noch kurz vor der Wahl zeigte sich das, als die SPD-Ratsfraktion den grünen Partner düpierte. So liebäugelt die SPD mit einem Tunnelbau an der Rheinuferstraße und boxte einen entsprechenden Antrag gemeinsam mit CDU und FDP gegen die Grünen durch. Auch bei dem von SPD zusammen mit der CDU beschlossenen Ausbau des Godorfer Hafens hatten die Grünen das Nachsehen. In beiden Fällen bewegt sich bislang auch der neue OB Jürgen Roters ganz auf SPD-Linie. Die SPD weiß freilich, dass Roters ohne Unterstützung der Grünen wohl kaum 54 Prozent eingefah­ren hätte. Welches Dankeschön aber erwar­ten die Grünen von Roters und der SPD?

Fraglich ist auch noch, inwieweit sich Roters gegenüber dem einflussreichen SPD-Fraktionschef Martin Börschel behaupten kann – darüber wurde schon am Wahlabend unter Pressevertretern viel gemutmaßt. Es wird davon abhängen, wie im Dreieck Roters-Börschel-Grüne die Macht austariert wird.

Das notorische Gerangel um die Posten hat längst begonnen. Der Grünen-Fraktionsvize Jörg Frank wird wohl neuer Stadtkämmerer werden. Dann muss er zusammen mit Roters die nötigen Einschnitte vornehmen, denn Köln ist klamm. Als Stadtkämmerer Nor­bert Walter-Borjans (SPD) während des Wahlkampfs mal vorrech­nete, dass auch beim Kulturetat kräftig gespart werden müsse, war der Auf­­schrei groß. Nicht nur in der SPD, die Stimmen­verluste be­fürch­tete, sondern vor allem bei Kulturschaffenden jeglicher Cou­leur. Mehrfach hat Roters im Wahl­kampf betont, dass es »keinen Kahlschlag geben wird«. Jochen Ott, SPD-Parteichef in Köln, stellt aber mit Blick auf die Kulturszene klar, »dass nicht dem, der am lautesten schreit, auch am meisten zu­steht«.

Lobbyisten in eigener Sache

Tatsächlich wird von Kulturschaffenden häufig die Be­deutung der Kultur betont, was richtig ist. Zu wenig aber, dass viele auch Lobbyisten in eigener Sache sind und kaum sagen können, welche Einsparungen sie an anderer Stelle dafür in Kauf nehmen würden. Hier zeigt sich, wie dringend eine Ausweitung des Bürgerhaushalts ist, damit die Stadtgesellschaft die Entscheidung für Einsparungen und Ausgaben als gemeinsame Aufgabe begreifen kann. So wird die Haushaltsdebatte der erste Prüf­stein für Rot-Grün und den ­neuen OB.

Die Stadt hat aber nicht nur Finanzprobleme: Pro Köln legte noch mal zu, kam auf 5,4 Prozent und einen fünften Sitz im Rat. Dabei hatten die Wähler aus­reichend Gelegen­heit, sich ein Bild von den Rechtsextremen zu machen: Die rassistische Hetze bei den »Anti-Islamisierungs­Kongres­sen« und bei der Kampagne gegen die Ehrenfelder Moschee kann keinem entgangen sein. Zudem haben Presse, linke Gruppen, Gewerkschaften und Par­teien hier Aufklärung betrieben. Man muss nun feststellen, dass es in Köln eine stabile Stammwählerschaft der Rechtsextremen gibt. Die übrigen Rats­mitglieder werden sich eine neue Strategie gegen Pro Köln ausdenken müssen, wie Barbara Moritz, die Fraktionschefin der Grünen, schon am Wahl­abend forderte.

Besonders bitter war die Wahl für die Linkspartei, die entgegen ihren Erwartungen bloß 1,8 Prozent gewann und weiterhin vier Sitze im Rat erhält. Nach einer Wahlanalyse der Stadt Köln haben nur acht Prozent der Hartz-IV-Empfänger die Linke gewählt. Nun schielt die Partei um Jörg Det­jen auf die Stimmen der neuen Wählergruppe »Deine Freun­de«. Die haben aus dem Stand 2.904 Stimmen bekommen, das sind 0,8 Prozent und ein Sitz im Stadtrat (siehe auch S. 11). Eben diesen Sitz hätte die Linke gerne gehabt. Fraktionschef Jörg Detjen stellt ratlos fest, »dass wir schwach wirken auf intellektuelles und unkonventionelles Publikum«. Das wählt anscheinend lieber grün oder jene neue Wäh­ler­gruppe, die nette Ideen – weni­ger Klüngel, bessere Fahrradwege –, aber bislang kein umfassendes Pro­gramm besitzt. Allerdings beweist dies auch, dass sich jenseits der etablierten Parteien etwas bewegen lässt – zumindest auf kommunaler Ebene. Bloß hat das noch nicht mal fünfzig Prozent zur Wahl gehen lassen, darunter aber 19.895 Pro-Köln-Sym­pathisanten.