Er nennt es Arbeit

Der Kölner Wolfgang Frömberg hat einen

Roman geschrieben, wie man es schafft,

als Pop-Journalist zu überleben

Ein Publizist, der mal von Wolfgang Frömberg interviewt wurde, zeigte sich hinterher perplex über die Ernsthaftigkeit des Gesprächs, Frömberg sei ihm geradezu übervorbereitet erschienen. Umso erstaunlicher, weil bloß ein vergleichsweise winziger Ausschnitt veröffentlicht wurde. Man kann wohl sagen, Wolfgang Frömberg macht es sich nicht leicht.

Jetzt sind die Rollen verteilt, er wird interviewt, es geht um seinen ersten Roman »Spucke«, von dem viele vermuten, es sei ein Schlüsselroman. Denn »Spucke« ist, im Text kaum verschlüsselt, Spex – das Magazin für Popkultur, einst Köln, jetzt Berlin. Frömberg schuftete für Spex fast fünf Jahre, von 2002 bis 2006, unter prekären Bedingungen als Film- und Literaturredakteur.

Frömberg guckt beim Interview immer ein bisschen am Gegenüber vorbei, oder er guckt nach innen, als würde er die richtigen Sätze suchen, und richtige Sätze sind vor allem schwere – weil sie den Zusammenhang der ganzen Welt tragen müssen. Irgendwie meint man, Frömberg hätte »Spucke« noch gar nicht abgeschlossen, würde noch weiter daran schreiben.

»Spucke« ist nicht anekdotengesättigt, die einzige schmutzige Wäsche, die hier gewaschen wird, ist die von Walter Förster, dem arg gebeutelten Protagonisten des Romans, der fast fünf Jahre, von 2002 bis 2006, unter prekären Bedingungen als Film- und Literaturredakteur schuftet. Für Spucke, nicht für Spex. Nein, es ist kein Schlüsselroman. Allenfalls bedient sich Frömberg einiger Techniken der Kolportage, um die Geschichte in Gang zu setzen: die Erziehung des jungen Hängers Walter F. zum revolutionssuchenden, revolutionsskeptischen Linken. Er frisst dabei keine Scheiße, aber er muss schon Schimmel schlucken. Und Mäuse ersäufen. Leben und Sterben in Köln-Mülheim.

Er sei kein Journalist, meint Frömberg im Gespräch, er habe den Job bei Spex durch Zufall bekommen, er habe seine Texte nie als journalistische Arbeiten, sondern immer schon als literarische verstanden. Folglich war es nur eine Frage der Zäsur, den nächsten Schritt zu tun – den Roman zu schreiben. Die Zäsur ergab sich vor drei Jahren, als Spex-Verleger Alex Lacher sich entschied, den Kölner Sitz der Redaktion aufzulösen und das Magazin nach Berlin zu verlegen. Für Frömberg untragbar. Er wurde erst mal arbeitslos.

Der Roman basiert auf Interviews, Gesprächen und Essays, die Frömberg einst für Spex geführt und geschrieben hatte und die ins Literarische »erweitert« werden: Förster trifft Bret Easton Ellis, Marcel Beyer, die März-Verleger Jörg Schröder und Barbare Kalender, er erklärt uns den Staatskritiker Johannes Agnoli und die britische Feministin Zadie Smith. Über weite Strecken ist »Spucke« ein Ideenroman. Frömberg macht dabei den Schritt von der Realität ins Fiktive, und diese Bewegung wird im Roman mit einer Gegenbewegung konterkariert. So heißt es an einer Schlüsselstelle sinngemäß, dass die Figuren der Fiktion in die Realität drängen, wenn diese aus den Fugen gerät.

Und wie die Realität aus den Fugen gerät! Patrick Bateman, Bret Easton Ellis’ gruseliger »American Psycho« hockt auf einmal im Spucke-Archiv. Förster selbst, in dem Moment als er wirklich bereit ist, mit dem elenden Kulturbetrieb zu brechen, findet sich im Jahr 1973 wieder, seinem Geburtsjahr, dem Jahr des großen, glücklichen, verzweifelten, tragischen wilden Streiks bei Ford Köln. Försters Vater ist Facharbeiter bei Ford, ein Meister, dessen Job es in erster Linie ist, die Arbeiter anzutreiben und der verdammt stolz darauf ist, 1973 zu den Streikbrechern zu gehören.

»Spucke« tut sich schwer, in die Gänge zu kommen. Das mag daran liegen, dass Förster seinen Hass auf den Kapitalismus zunächst als intellektuelle Auseinandersetzung betreibt. Im letzten Drittel nimmt der Text erst ordentlich Fahrt auf, und das liegt an Gustav Förster, dem Vater, dem Anti-Helden, dem Flüchtling aus der DDR, einem latenten Rassisten mit gedemütigten Nazi-Eltern, Säufer noch dazu. Aber was soll man sagen? Man hängt an ihm, man leidet mit ihm, nach Walter ist Gustav die zweite Figur dieses Romans, an der man wirklich ablesen kann, was die gesellschaftlichen Triebkräfte alles mit einem anrichten.
Es ist nicht übertrieben, »Spucke« einen überaus ambitionierten Romane zu nennen. Es ist eher noch untertrieben. Was Frömberg in sein Buch reinstopft – Kritik des deutschen Nationalismus, warum Menschen zu Zombies werden, Journalismus als gnadenlose Arbeit, Glanz und Elend der Rebellion, das Ringen darum, wie man das Leben, die Welt, die Emanzipation, angemessen darstellen kann – das alles reichte doch für drei oder vier Veröffentlichungen. Frömberg will zu viel. Man spürt es regelrecht, wie die Bändigung des Materials zulasten des sprachlichen Ausdrucks gegangen ist: schiefe Bilder, umständlich erzählte Witze, belehrende Einschübe. Aber man spürt auch immer den Druck, der in diesem Text steckt.

»Wir sind nur das, was wir gegen sie tun«, zitiert Frömberg in »Spucke« den Schriftsteller Christian Geissler. »Mir geht es eigentlich immer darum«, sagt er im Gespräch, »gegen etwas zu schreiben.« Und dabei guckt Frömberg sein Gegenüber an (Ist das jetzt Einbildung? Der reale Schritt in die Fiktion?). Auf einmal. Ziemlich bohrend.

Buch: Wolfgang Frömberg: Spucke, 224 S., 14,90 €, Hablizel Verlag, Lohmar 2009
Lesung: Do 29.10., 20.30 Uhr, King Georg

Verlosung: Tageskalender erste Seite