Tausche Abschiebung gegen Anerkennung

Tausende Flüchtlinge aus dem Kosovo sollen abgeschoben werden – vor allem Roma sind betroffen. Die Kölner Ausländerbehörde will sich angeblich zurückhalten

 

»Diese Menschen haben eine unglaubliche Angst davor, ins Nichts zu fallen«, sagt Iris Biesewinkel vom Rom e.V. Über 15 Roma-Familien haben in den ver­gangenen Tagen zum ersten Mal die Sozialberatung des Kölner Vereins aufgesucht, obwohl sie be­reits seit zehn Jahren in Köln leben. Die Eltern noch traumatisiert vom Krieg, die Kinder hier geboren und aufgewachsen, treibt sie nun die Sorge um, schon bald in den Kosovo zu müssen. Dort sei der Schulbesuch der Kinder nicht sicher gestellt, sie hätten kein Dach über dem Kopf und würden buchstäblich auf der Stra­ße landen. »Durch Abschiebun­gen und Druck zur freiwilligen Ausreise nehmen deutsche Behör­den billigend in Kauf, dass das Kin­deswohl gefährdet wird«, sagt Iris Biesewinkel verärgert.

Laut Bundesregierung sollen über 14.000 ausreisepflichtige Ko­so­varen, darunter 9.800 Roma, aus Deutschland in den Kosovo »rückgeführt« werden. Hintergrund ist ein Deal, den die deutschen Innenminister mit der Regierung in Prišhtina geschlossen haben. Letztere hat sich verpflich­tet, Kosovaren aufzunehmen, die aus Deutschland abgeschoben wer­den. Zudem läuft Ende 2009 die Altfallregelung aus, die langjährig in Deutschland Gedulde­ten eine Aufenthaltserlaubnis zusicherte. Ein lohnendes Geschäft für beide Seiten: Mit dem Rück­übernahme-Abkommen kann Deutschland vor allem Roma-Flüchtlinge loswerden und den kosovarischen Politikern bietet sich im Gegenzug die Chance, sich als souveräner Staat zu präsentieren.
Denn nur ein Drittel der UN-Mitgliedsstaaten erkennt den Kosovo als unabhängigen Staat an. Derzeit prüft der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag, ob die kosovarische Unabhängigkeitserklärung das Völ­kerrecht verletzt hat.

Besonders die in Deutschland lebenden Roma haben Angst vor der Abschiebung, waren es doch albanische UCK-Extremisten, die in Folge des Kosovo-Krieges tausende Roma unter den Augen der NATO-Truppen verfolgten, ihre Häuser brandschatzten und zur Flucht zwangen. Der ehemalige UCK-Befehlshaber Hashim Tha­çi ist heute Kosovos Premierminister. Amnesty International sowie der Menschenrechtskommissar des Europarats berichten, dass Roma und andere Minderheiten im Kosovo zehn Jahre nach dem Krieg immer noch diskriminiert und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Eine Einschätzung, die die Bundesregierung nicht teilt – es seien zudem nur »schrittweise« Rückführungen unter Berücksichtigung der »Aufnahmekapazitäten« im Kosovo geplant.
Die Grünen hatten Anfang November im Düsseldorfer Land­tag beantragt, Abschiebungen zu­mindest während der Wintermonate auszusetzen – allerdings ohne Erfolg. Ein Ausweisungsstopp wurde mit den Stimmen der schwarz-gelben Landesregierung abgelehnt.

In Köln beträfe die Ausreisepflicht lediglich 126 geduldete Ko­sovaren, die meisten von ihnen Roma, erklärt die Leiterin der Kölner Ausländerbehörde, Dag­mar Dahmen. »Wir wollen in den nächsten Monaten niemanden in den Kosovo abschieben«, beteuert sie. »Wir werden aber jeden Einzelfall prüfen«. Wer krank sei, keine Familie mehr im Kosovo habe oder nachweisen könne, dass er verfolgt werde, müsse nicht mit einer Abschiebung rechnen, so Dah­men.
»Das reicht nicht«, findet Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Es fehle eine Perspektive für alle, die nicht die Altfallregelung (siehe Kasten) der Bundesregierung in Anspruch nehmen und weiterhin abgeschoben werden können. »Die Stadt Köln muss jetzt ein Konzept vorlegen«, fordert Prölß, »wie diese Menschen, die schon lange hier leben, ihren Aufenthalt verfestigen können.«