Wer soll das bezahlen?

Neonazi-Angriffe in Leipzig, Massenprügeleien in Rostock, Ausschreitungen in Gütersloh.

Angesichts von steigender Gewalt in und

um Fußballstadien rückt die Diskussion über eine Beteiligung der Vereine an den Kosten

für Polizeieinsätze mal wieder in den Fokus.

PRO

Fan kommt von Fanatismus!

Von Bernd Willberg, Politikredakteur der StadtRevue und
Anhänger von Borussia Mönchengladbach


Die Gewalt in den Stadien nimmt zu. Innenstädte befinden sich an Spieltagen im Ausnahmezustand. Daran haben wir uns viel zu lange gewöhnt. Vierzig Prozent aller länderübergreifenden Polizeieinsätze finden wegen Fußballspielen statt. Etwa 1900 »Risikospiele« gab es im deutschen Fußball nach Polizeiangaben letztes Jahr, allein die Personalkosten dafür betragen 80 Millionen Euro. Es geht nicht an, dass die Allgemeinheit dafür zahlen soll. Anders als bei Demonstrationen, die der freien Meinungsäußerung dienen, führen DFB und Deutsche Fußball-Liga kommerzielle Veranstaltungen durch. Deshalb müssen sie die Kosten, die sie verursachen, auch tragen.
Nein, sagen DFB und die Vereine, denn Fußballveranstaltungen seien Kulturgut. Wie? Wurden je Randalierer vor Opern­häusern, Programmkinos oder Stadtbibliotheken gesichtet? Die Rede von der Fußballkultur ist dumm und ärgerlich. Mit der selben Logik könnte man Komasaufen oder Autobahnraserei zum Kulturgut adeln und subventionieren.

Es ist auch falsch, dass die Stadien nur die Gewalt zeigten, die ohnehin vorhanden ist. Der Fußball selbst produziert diese Gewalt. Die Inszenierung des Spiels ist archaisch, aggressiv, geist­feindlich. Drohungen, Rassismus und Homophobie sind in Fankurven üblich. Das Wort Fan kommt von Fanatismus – deshalb müssen diese Zuschauer in Blöcke separiert und wie Tiere durch Zäune voneinander getrennt werden.

Viel zu lange haben DFB und die Vereine tatenlos zugesehen – trotz schwerer Ausschreitungen. Die Profivereine können obszön hohe Spielergehälter zahlen, sie können sich deshalb auch an den anfallenden Kosten beteiligen. Dass Vereinen der unteren Ligen das Geld fehle, darf kein Gegenargument sein: Es ließe sich über einen Fonds aller Vereine nachdenken, ebenso wie über einen Beitrag, der abhängig von den Zuschauerzahlen ist. Auch für den Fußball gilt: Wirtschaftsunternehmen dürfen nicht die Gewinne einstreichen und für die Kosten andere aufkommen lassen.


CONTRA

Das ist das falsche Signal!

Von Christian Meier-Oehlke, StadtRevue-Autor und
Anhänger von Fortuna Düsseldorf


In der aktuellen Debatte über Gewalt im Fußball verschärft sich der Tonfall, die Vereine sollen für verstärkte Polizeieinsätze zur Kasse gebeten werden. Dieser Ansatz greift zu kurz, da er das Problem nicht an der Wurzel packt. Hass, Gewalt und Rassismus entstehen in der Mitte der Gesellschaft, nicht im Stadion. Der Fußball bietet seit Jahrzehnten ein ideales Umfeld für Ausschreitungen, will man diese verhindern, muss man in letzter Konsequenz den Fußball verbieten. Das ist natürlich absurd, das liebste Kulturgut der Deutschen kann man nicht vom Spielplan nehmen. Seit Jahren werden die Spieltage mehr und mehr zerstückelt, das führt neben den Rundreisemöglichkeiten für potenzielle Gewalttäter auch zur Ausdehnung der Polizeischichten. Gleichzeitig sorgt die Vielzahl der Kameras in den Stadien dafür, dass jedes Bengalo zu einem Atomschlag hochgejazzt wird.

Natürlich muss die zunehmende, oftmals rechts motivierte Gewalt gerade auch in den unteren Spielklassen unterbunden werden, doch äußert diese sich eben nicht nur bei Anpfiff. Prävention und Fanprojekte müssen ausgebaut werden. Deutlichere Signale etwa gegen Rassismus in mancher Kurve sind auch von Seiten des DFB vonnöten, trotz regelmäßig verhängter Geldstrafen. Die Vereine für zunehmend ausgedehnte Polizeieinsätze zur Kasse zu bitten, ist das falsche Signal. Die Polizeihoheit haben die Länder, die Kosten trägt der Steuerzahler – ob dem das im Einzelfall nun passt oder nicht. Zudem unterstellt die Abrechnung nach dem Verursacherprinzip, die jeweiligen Vereine wüssten genau, wer sich da so alles in ihrem Fanumfeld tummelt. Gerade bei Auswärtsfahrten ist das jedoch kaum zu kontrollieren. Eine totale Fanüberwachung kann nicht im Sinne des Rechtsstaates sein. Nebenbei gefragt: Nach welchem Verteilungsschlüssel soll gezahlt werden? Muss der gänzlich randaleunverdächtige SC Freiburg auch blechen? Wer kommt für die Länderspielhools auf? Würde nach dem Verursacherprinzip eingezahlt, könnten notorisch klamme Clubs wie Dynamo Dresden oder Hansa Rostock den Betrieb gleich einstellen.