»Alternative: keine«

 

Die Debatte um das Opernquartier offenbart den

grundsätzlichen Unmut der Kulturszene über die Politik.

Köln kommt nicht zur Ruhe, wenn es um Kulturpolitik geht. Derzeit gibt es Streit um die geplante Neugestaltung des Opernquartiers. Am 17. Dezember, kurz nach Redaktionsschluss, könnte der Abriss des Schauspielhauses und ein umstrittener Neubau beschlossen worden sein – gegen den Widerstand von Initiativen wie »Köln kann auch anders« und »Kölner Komment«, aber auch von Schauspielintendantin Karin Beier. Und ganz gleich, wie der Rat entschieden hat – das Verhältnis zwischen Vertretern der Kultur und der Stadtspitze bleibt auch nach der Ära Schramma angespannt.

Das Opernquartier liegt schon lange im Argen: Schauspielhaus und Oper sind marode, der Offenbachplatz ist ohne Aufenthaltsqualität. Im Sommer 2008 versprach ein Architektenwettbewerb Besserung: Der Siegerentwurf präsentierte einen Kubus an der Stelle der Opernterrassen. Dort sollte das Schauspiel samt zusätzlich benötigter Räume untergebracht werden. Und nach Abriss des alten Schauspielhauses sollte dort ein »Operngarten« entstehen – ein großzügiger städtischer Platz mit Blick auf den Neubau.

Die über die Stadt verteilten Produktionsstätten der Bühnen wären am Offenbachplatz untergebracht: Werkstätten, Proberäume für Schauspiel, Ballett und Orchester, dazu Gastronomie. Ein Jahr später musste die Verwaltung einräumen, dass man sich verrechnet habe: Für das gesamte Projekt benötige man nicht wie geplant 230 Millionen, sondern rund 355 Millionen Euro. Der damalige OB Fritz Schramma (CDU) verhängte einen Planungsstopp. Die Stadt hatte sich erneut blamiert, die Debatte war entbrannt.
Nun macht OB-Nachfolger Jürgen Roters (SPD) Druck: Die Oper könne aus Arbeits- und Brandschutzgründen nur noch in dieser Spielzeit genutzt werden, jedes weitere Interimsjahr koste zusätzlich sechs Millionen Euro. Roters hat dem Rat am 17. Dezember eine Verwaltungsvorlage präsentiert, die zwar fünf Varianten durchspielt, aber nur eine zur Abstimmung bringt: den abgespeckten Neubau des Schauspielhauses – ohne Produktionszentrum, Proberäume für Orchester und Ballett, Operngarten und Gastronomie.

Zugleich sollen das bestehende Probezentrum an der Oskar-Jäger-Straße und der Orchesterproberaum an der Stolberger Straße ausgebaut werden. »Alternative: keine« heißt es dazu in der Vorlage.
Karin Beier sorgt sich angesichts der schlechten städtischen Finanzlage um die Gelder für ihren Spielbetrieb und will daher auf den Neubau verzichten und lieber das Schauspielhaus sanieren – das heißt ebenfalls Verzicht auf ein Produktionszentrum, Ballett- und Orchesterprobesaal. Das gesparte Geld soll Kürzungen im Bühnenetat auffangen – Inhalt sei wichtiger als der Schauwert neuer Architektur. Während der Sanierung will die Intendantin übergangsweise in den Opernterrassen spielen.

Ein externes Gutachten der Stadt kommt zwar zu dem Schluss, dass die Sanierung insgesamt nur 269,8 Millionen Euro koste, doch gebe es »keine vertiefte Substanzkenntnis« zum Schauspielhaus. Die Kosten könnten also erneut explodieren, Verzögerungen wären die Folge. Auch gebe es vergaberechtliche Probleme bei der Sanierung – eine Prüfung sei unter dem Zeitdruck nicht möglich gewesen, so die Gutachter. Sie sprechen sich für den Neubau aus – jedoch in einer Variante mit Proberäumen für Ballett und Orchester, was organisatorisch und logistisch Vorteile böte. Roters will darauf verzichten, um den Kostendeckel von 295 Millionen Euro einhalten zu können. Dabei wären die Mehrkosten von rund neun Millionen Euro vergleichsweise gering.

Während die SPD dem Vorschlag ihres Oberbürgermeisters folgt, sind ihre politischen Partner von den Grünen noch unentschieden. Es gebe »durchaus Sympathien für den Beier-Vorschlag«, so die Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz. Jürgen Klipper (CDU) hingegen will den Neubau. Der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses sieht »endlich die Chance für eine städtebauliche Reparatur« des Opernquartiers. Ob der am Standort des Schauspiels geplante »Operngarten« diese Aufwertung brächte, ist fraglich. Es entstünde ohne den im Architekturwettbewerb vorgesehenen Lichthof bloß eine unspektakuläre Freifläche.

Während die Politik keine Zeit verlieren will, drängt »Köln kann auch anders« auf eine Debatte und Aufarbeitung der Kostenexplosion. Mit dem »Kölner Komment« favorisiert man den Vorschlag von Beier und lehnt den Abriss des Schauspiels grundsätzlich ab. Der Protest speist sich zum einen aus einer Haltung, die das Riphahn-Ensemble von Oper und Schauspiel als Baudenkmal der Gründerjahre der Republik für schützenswert hält. Zum anderen wächst der Unmut über Verwaltung und Politik, der mit der erfolglosen Bewerbung zur Kulturhauptstadt begann und seit dem Einsturz des Stadtarchivs eskaliert ist.

Fatal ist, dass jede Alternative zur Beschlussvorlage mit dem Hinweis auf Sachzwänge abgebügelt wird: Ein Verzicht auf den Neubau zöge eine Klage der beauftragten Architekten nach sich; die Sanierung erzwingt eine neue Ausschreibung; bei Vergabe ans derzeitige Architektenteam droht eine Konkurrenzklage anderer Architekten. Eine ausweglose Situation, in die sich die Stadt selbst gebracht hat und die mit einer Augen-zu-und-durch-Haltung gemeistert werden soll. Doch die Stadtoberen merken, dass die Vertreter der Kultur ihnen zunehmend misstrauen. Der nachlässige Umgang mit Kultur hat Tradition: Wie sonst könnte es sein, dass das gesamte Riphahn-Ensemble in diesen Zustand geraten ist.