»Jede Hürde kann Leben kosten«

Mit einer Kampagne wollen die Frauen­häuser in NRW auf ihre prekäre finanzielle Situation aufmerksam machen

5500 Frauen, die Zuflucht in einem Frauenhaus in NRW such­ten, mussten im vergangenen Jahr abgewiesen werden. Der Grund: Überfüllung. »Täglich rufen im Schnitt zwei Frauen an, die wir nicht aufnehmen können«, schil­dert Claudia Schrimpf die Situation in Köln. Zwar hätten sie dann noch die Möglichkeit, sich an eine der anderen insgesamt 69 Einrichtungen in NRW zu wenden, aber: »Es ist ein Skandal, dass Hilfesuchende nicht ohne Probleme Platz finden. Denn jede Hürde kann Leben kosten«, sagt die Mitarbeiterin des Trägervereins der beiden Autonomen Frauenhäuser in Köln.

Und es gibt viele Hürden. Die größte ist die unsichere Finanzierung. Derzeit wird die Arbeit der Einrichtungen je nach Stadt unterschiedlich geregelt und aus verschiedenen Töpfen finanziert: aus Landesmitteln, Zuschüssen der Kommunen und Tagessätzen, die das Sozialamt für die Bewohnerinnen zahlt (von acht bis 68 Euro) – sofern sie Anspruch auf Hilfeleistungen haben. Studentinnen, Auszubildende, Migrantinnen ohne Leistungsberechtigung und Frauen mit Einkommen müssen selbst zahlen, obwohl sie sich das oft nicht leisten können. »Für eine Frau mit Kind kann ein Aufenthalt bis zu 2000 Euro im Monat kosten«, rechnet Claudia Schrimpf vor. »Das ist absolut falsch. Jede Frau muss gleichbehandelt werden und Anspruch auf einen kostenlosen Platz haben, unabhängig von Einkommen, Nationalität, beruflicher Situation oder Wohnort.«

Die Landesarbeitsgemeinschaft Au­tonomer Frauenhäuser NRW startete Ende November gemeinsam mit den verbandlichen Häusern die landesweite Kampagne »Schwere Wege leicht machen«. Bis zur Landtagswahl im Mai 2010 wollen die Frauen mit Veranstaltungen, Unterschriftenlisten und Postkartenaktionen auf die Finanzmisere der Einrichtungen aufmerksam machen und eine einheitliche gesetzliche Regelung der Finanzierung durchsetzen. »Der Schutz gewaltbedrohter Frauen darf nicht von politischen Mehrheiten und Haushaltslagen abhängig sein«, betont Claudia Schrimpf. So wurden 2006, ein Jahr nach dem Regierungswechsel in NRW, die Landeszuschüsse pro Frauenhaus um ein Drittel gekürzt.

In Köln ist die Situation bislang besser geregelt: Seit der Kürzung unterstützt die Stadt die beiden Häuser mit rund 500.000 Euro – damit ist Köln eine der wenigen Kommunen, in denen die Frauen nicht selbst zahlen müssen. »Aber natürlich zittern wir jetzt vor den Haushaltsberatungen«, sagt Schrimpf mit Blick auf das 560-Millionen-Defizit im Kölner Etat. Sozialdezernentin Marlis Bredehorst, die die Einrichtungen für ein »unverzichtbares Angebot« hält, macht vage Hoffnungen: »Die bisherige Förderung der Frauenhäuser ist auch in den Haushaltsplänen 2010/2011 planmäßig berücksich­tigt. Im Rahmen der bevorstehen­den Haushaltskonsolidierungen werden alle Möglichkeiten ausge­schöpft, damit der Betrieb der Häuser nicht gefährdet wird.« Auch die Forderung nach einer dritten Einrichtung, die der Trägerverein »Frauen helfen Frauen« jetzt ausgesprochen hat, hält Bredehorst für berechtigt.




Geschichte der Frauenhäuser

Das erste Frauenhaus öffnete am 1. November 1976 in West-Berlin, einen Monat später folgte die Kölner Einrichtung. Seitdem bieten die Häuser Frauen und ihren Kindern, die von körperlicher, seelischer und oder sexueller Gewalt betroffen sind, Schutz, Beratung und Unterstützung. In der Anfangszeit wurden die Häuser nur durch unbezahltes Engagement von Fraueninitiativen, häufig gegen den Widerstand der Politik, aufrecht erhalten. Heute gibt es rund 380 Frauenhäuser in Deutschland, davon sind etwa 140 Einrichtungen autonom, die anderen von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen getragen.

In den insgesamt 69 Häusern in NRW finden jährlich 10.000 Frauen und Kinder
Zuflucht – der Bedarf ist aber deutlich höher. Laut einer Studie der Bundesregierung aus dem Jahr 2004 ist jede vierte Frau schon mal Opfer von Gewalt geworden.
In den beiden Kölner Einrichtungen, deren Träger der Verein »Frauen helfen Frauen« ist, stehen pro Haus rund 25 Plätze (inklusive Kindern) zur Verfügung.

Mehr Infos auf: www.schwere-wege-leicht-machen.de und
www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de
freie Frauenhausplätze in NRW können am besten über die Homepage
www.frauen-info-netz.de erfragt werden