Köln moppert auf

Die Stadt ist mal wieder fast pleite.

Rot-Grün will mit einer Kulturförder­-

abgabe das Schlimmste verhindern

Norbert Walter-Borjans (SPD) hat sein Berufsleben im Marketing von Henkel begonnen. Als Stadtkämmerer kommt ihm das zugute: Wenn er die desaströse Haushaltslage schildert, vermittelt er gleichzeitig das Gefühl, dass er das mit Tatkraft und kühlem Kopf in den Griff kriegt.

Dabei sind die Zahlen besorgniserregend. Zum einen ist die Gewerbesteuer – wichtigste Einnahmequelle der Kommunen – im Zuge der Wirtschaftskrise eingebrochen. Zum anderen steigen die Sozialausgaben der Kommunen, etwa für die Unterkunft von ALG-2-Empfängern. Die Bundesregierung plant zudem ihren Anteil an den Kosten auf 23 Prozent zu senken, vor fünf Jahren waren es noch 29,1 Prozent. Im Kölner Haushalt klafft derzeit eine Lücke von rund 540 Millionen Euro. Steigt die Arbeitslosigkeit, könnten es 600 Millionen werden. OB Jürgen Roters (SPD) hat unlängst gefordert, den Solidarpakt Ost aufzuheben. Köln zahlt dafür etwa 70 Millionen Euro. Auch viele westdeutsche Städte, so der Kölner OB, seien kaum noch handlungsfähig: Die Preise für öffentliche Verkehrsmittel, Müllabfuhr, Abwasser steigen, Bildungs- und Kultureinrichtungen müssen ihre Angebote einschränken.

Die kölsche Bettensteuer

Einen echten Marketing-Coup landete Walter-Borjans in dieser Situation mit der Initiative, Hotels mit einer »Kulturförderabgabe« zu belasten. Damit reagiert die Kölner SPD auf die Absenkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers auf sieben Prozent, die die schwarz-gelbe Bundesregierung beschlossen hat. Köln verliere so jährlich rund 15 Millionen Euro, schätzt Martin Börschel, SPD-Fraktionschef im Rat. Als »Bettensteuer« ist diese Abgabe nun bundesweit in aller Munde, die Leitmedien haben berichtet, der Deutsche Kulturrat begrüßt die Idee. »Da sind wir mal groß rausgekommen. Als erste Stadt in Deutschland, die aufmoppert und sagt: Das macht ihr nicht ungestraft mit uns!«, freut sich Marketing-Mann Walter-Borjans. »Und das ist ja auch irgendwie kölsch.« Kämmerer anderer Städte wie Stuttgart, Bremen oder Bonn wollten der Idee folgen, heißt es. Die Hotels geben fünf Prozent des Netto-Übernachtungspreises an die Stadt ab, so die Idee, die SPD und Grüne umsetzen wollen. Das Geld soll der Kölner Kultur zugute kommen. Doch um drastische Kürzungen werden die Kommunalpolitiker nicht herum kommen.

Zwar glaubt Jörg Frank, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Rat, dass die neue Kulturförderabgabe jährlich 20 Millionen Euro einbringen wird. Doch »auch der Kulturetat wird einen Einsparbeitrag bringen müssen«, so Frank. »Alles andere wäre ungerecht.«

Eng wird es für die Kultur vor allem deshalb, weil sie überwiegend zu den freiwilligen Aufgaben einer Kommune gehört, also ein ›Kann‹, aber kein ›Muss‹ ist. Schon die Pflichtaufgaben, die die Stadt per Gesetz erfüllen muss, verschlingen einen großen Teil des Haushalts. Dazu zählt vor allem der Posten »Soziale Hilfen«. Etwa 670 Millionen Euro wird Köln 2010 schätzungsweise dafür ausgeben. Hinzu kommen Ausgaben, an denen sich kurzfristig fast nicht schrauben lässt, etwa Zinszahlungen und Personalkosten. Von den 3,1 Milliarden Euro, die der Kölner Haushalt umfängt, seien rund 2,9 Milliarden festgelegt und kaum disponibel, rechnet Walter-Borjans im Gespräch vor. Es blieben klägliche 200 Millionen Euro für freiwillige Leistungen wie Kultur, Sport und Wirtschaftsförderung übrig – also für das, was kommunale Selbstverwaltung aus­macht.

Ein neuer Anzug für die Stadt

Noch mehr litte diese allerdings, wenn es nicht gelänge, den Fehlbetrag im Haushalt zu decken. Dann müsste die Stadt ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) aufstellen und dem Regierungspräsidenten vorlegen. In diesem HSK muss sie einen Zeitpunkt bestimmen, bis zu dem der Haushalt wieder ausgeglichen sein wird. Schafft sie das nicht oder ist der Regierungspräsident nicht überzeugt, kommt der Nothaushalt. »Dann bestimmt der Regierungspräsident, ob wir uns neue Bleistifte kaufen dürfen«, sagt Walter-Borjans. Damit es nicht so weit kommt, müsse nun drastisch gespart werden. Die Dezernenten seien aufgefordert, zu entscheiden, welche Posten sie in ihrem Bereich kürzen wollten – zwischen 7,5 und 12,5 Prozent sollen es sein.

Aber auch an den Einnahmen will der Kämmerer, der zugleich Wirtschaftsdezernent ist, arbeiten. Um den Gewerbesteuer-Topf aufzufüllen, werde er sich bemühen, mehr Unternehmen anzusiedeln. Dafür müsse mehr »attraktiver Wohn- und Arbeitsraum geschaffen werden«, sagt Walter-Borjans. Er zeigt von seinem Schreibtisch im 14. Stock Richtung Deutzer Hafen. Für ihn ein Gebiet, an dem sich gut verdienende Menschen niederlassen und Einkommensteuer zahlen könnten. Und woher soll das Geld dafür kommen? Walter-Borjans bringt seine Lieblingsmetapher: »Die Lage der Stadt kann man mit einem Arbeitslosen vergleichen, der zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen ist. Dem würde ich auch raten, dass er sein Geld in einen Anzug investiert, um seine Chancen zu erhöhen.« Neue Strümpfe hingegen seien dafür entbehrlich, findet der Kämmerer. Verwaltung und Politik werden demnach in den kommenden Monaten diskutieren müssen, was Anzug ist und was Strumpf.