Gemeinsame Sache mit Horst Köhler

Im Januar feierte das Netzwerk Attac Deutschland seinen zehnten Geburtstag. Auch in Köln ist die Bewegung nach wie vor sehr aktiv

> Auch Boris Loheide ist schon darauf angesprochen worden: Ob das nicht ein bisschen peinlich sei, dass sie nun mit auf den Zug von Horst Köhler aufspringen. Mit dem Zug ist die Forderung des Bundespräsidenten nach einer Finanztransaktionssteuer gemeint. Wie die meisten »Attacis« nimmt Loheide derlei Vorwürfe mit Humor – immerhin ist die so genannte »Tobin-Steuer« die Kernforderung des 1998 in Frankreich gegründeten Netzwerks.

»Natürlich könnten wir sagen: Das haben wir schon immer gefordert«, sagt Ingrid Bischofs. »Aber das bringt ja auch nichts«. Die 70-jährige Kölnerin ist ein Attac-Urgestein. Sie war um die Jahrtausendwende mit dabei, als auch in Köln die ersten Treffen von Attac-Gruppen stattfanden. Beim ersten Workshop in der Antoniterkirche 2001 war sie im Arbeitskreis »WTO und Weltwirtschaft« – und ist es heute noch.

Im Januar feiert Attac Deutschland Geburtstag. Seit zehn Jahren kämpft das Netzwerk gegen Globalisierung und für eine Regulierung der Finanzmärkte. Der Fokus ist international – doch der Kampf gegen die Globalisierung wird auch lokal ausgefochten. Beim kritischen Stadtrundgang »Kölle Global« versucht man, die Probleme in der eigenen Stadt aufzuzeigen: Statt zum Dom geht’s zum Lebensmitteldiscounter, in die Bank oder zum Eine-Welt-Laden.

Fair gehandelte Kamellen

Auch beim Karneval sind die Attacis aktiv: Als G8-Pappnasen marschieren sie Rosenmontag beim »Zoch vor’m Zoch« mit. Tradtionell wird dabei das Sessionsmotto umgedichtet – in diesem Jahr marschiert man mit dem Slogan »Vom Klüngel jebütz«. Neben fair gehandelten Kamellen gibt es gesungene Kommentare zur Kommunalpolitik.

Lokal arbeiten die Arbeitskreise viel mit anderen Organisationen zusammen. Der AK Ökologie mobilisiert gemeinsam mit dem BUND gegen den Ausbau des Godorfer Hafens, beim Bildungsstreik solidarisiert man sich mit den Studenten, und auch bei den »Bahntrampen«-Aktionen (siehe SR 08/09) des Bündnisses »geblockt!« gibt es personelle Überschneidungen.

Manifestiert wird der Netzwerkgedanke beim jährlichen »Rundumschlag«. Vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 trafen sich viele linke Gruppen aus Köln in der Alten Feuerwache. »Da haben wir beschlossen: Das machen wir ab sofort jedes Jahr«, erzählt Bischofs. Bei den Workshops können alle mitmachen: von christlichen Friedensgruppen bis zur Interventionistischen Linken.

In Sachen Mitglieder geht es Attac gut – 22.000 Menschen waren es bundesweit im August. So viele wie nie zuvor. »Wir wachsen, im Gegensatz zu den Parteien und den Gewerkschaften«, sagt Loheide. Er ist seit 2001 bei Attac Köln aktiv – und hat mittlerweile seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. »Nach acht Jahren unbezahltem Praktikum kriege ich nun Geld«, sagt er. Loheide sitzt im Bundesbüro in Frankfurt als Aktionskoordinator – eine der wenigen festen Stellen.

Trotz Wachstums kämpft man allerdings auch mit personellen Problemen, denn Mitglieder sind nicht immer auch aktive Mitarbeiter. Das zeigte sich im letzten Jahr, als Attac nicht die erhofften Massen bei den Demonstrationen im Vorfeld des G20-Gipfels mobilisieren konnte. Und das zeigt sich vor allem auch auf lokaler Ebene. Momentan seien in ihrem Arbeitskreis regelmäßig rund zehn Leute, sagt Bischofs, »aber es gab schon Phasen, wo wir überlegt haben, ob sich das Weitermachen noch lohnt.« Wenn ein kompletter AK zur Linkspartei wechselt oder eine wichtige Bewegungsfigur wie der langjährige Attaci Heinrich Piotrowski vor drei Jahren plötzlich stirbt, macht sich das bemerkbar.

68er wollen keine Flashmobs

Doch es sind nicht nur personelle Probleme – auch inhaltlich gibt es Auseinandersetzungen: Zum Beispiel zwischen der jüngeren und der älteren Generation: »So schön es ist, dass junge Leute mit Alt-68ern an einem Tisch sitzen – da gibt es auch Probleme. Oft wird auf einem für Einsteiger sehr komplexen Niveau diskutiert«, erklärt Loheide.

Auch aus diesen Gründen wurde in Köln vor drei Jahren Noya ins Leben gerufen. Das steht für Network of Young Altermondialists und ist quasi die Jugendorganisation von Attac. »Viele Jüngere fühlten sich bei Attac nicht so gut aufgehoben«, sagt Cedric Bergmann. Der 22-Jährige ist seit 2007 dabei. Bei Attac gehört er zu den Jüngsten, bei Noya liegt er im Durchschnitt. Die Noyas sind nicht nur den Geburtsjahren nach eine andere Generation. »Wir sitzen in unseren Arbeitskreisen und diskutieren – und die wollen lieber Flashmobs machen«, sagt Bischofs. »Das ist deren Form, aber nicht mehr unsere«, fügt sie hinzu.

Es habe sogar mal Bestrebungen bei Noya gegeben, sich loszulösen von Attac, erzählt Loheide. Schließlich wurde entschieden, innerhalb von Attac weiterzumachen, als eigenständige Gruppe. Denn auch wenn viele junge Mitglieder Attac erst über den Umweg Noya kennenlernten, wie Bergmann erzählt, so empfänden die meisten doch wie er: »Wir sind durch und durch Attacis«, sagt er.