Am Ende des Tunnels

Eine ebenerdige Kreuzung der Nord-Süd-Bahn mit der Rhein­uferstraße wird wahrscheinlicher

Im NRW-Verkehrsministerium war man an diesem 2. Februar früh am Werk. Das Fax, das an jenem Dienstag beim Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) einging, ist auf 6 Uhr 22 datiert. Es trägt den Vermerk »Eilt sehr!«. Gut neun Stunden vor der Ratssitzung, in der entschieden werden sollte, wie die neue Nord-Süd-Stadtbahn die Rheinuferstraße an der Südbrücke quert, brachte dieses Fax Roters Pläne zu Fall.

Der OB hatte am Donnerstag zuvor eilig eine Beschlussvorlage präsentiert, die dem Rat empfiehlt, dort, wo die Stadtbahn die Rheinuferstraße kreuzt, einen Tunnel zu bauen. Schon lange schwelt der Streit darüber, was die beste Lösung sei. Bürgerinitiativen protestieren schon länger gegen Pläne, für die alte Linden an der Straße gefällt werden müssten.

Die Naturschützer können erst einmal aufatmen, weil Roters die Beschlussvorlage für den Stadtbahntunnel zurückgezogen hat – denn das Ministerium warnt die Kölner Stadtspitze: Das Land gebe keine Zuschüsse für das 60 Millionen teure Tunnelprojekt. Mehr noch: Wenn die KVB nicht den »volkswirtschaftlichen Nutzen des Gesamtvorhabens« nachweise, könne es zu Rückforderungen von bereits gezahlten Zuschüssen für die Nord-Süd-U-Bahn kommen. Das Problem ist die Bauzeit: Der Tunnelbau müsste zeitgleich mit der Nord-Süd-U-Bahn abgeschlossen werden. Das aber kann die KVB nicht zusichern.

Als Roters im Rat das Fax präsentiert und die Vorlage zurückzieht, kocht die Stimmung hoch. Für CDU-Ratsherr Karsten Möring ist das »nahe an einer Schmierenkomödie« – die Bedingungen des Landes, so der CDU-Verkehrsexperte, seien Roters längst bekannt gewesen.

Schon seit Herbst hatte es Gespräche zwischen der Stadt, KVB sowie Bund und Land gegeben – ohne konkrete Vereinbarungen. Die Konfliktlinie verläuft im Vorfeld der Landtagswahlen zwischen der rot-grünen Mehrheit in Köln und der CDU/FDP-Landesregierung. Aber selbst Rot-Grün in Köln ist sich nicht einig. SPD-Fraktionschef Martin Börschel düpierte den politischen Partner, als seine Partei gemeinsam mit der CDU im Sommer 2009 einen Auto-Tunnel ins Gespräch brachte.

Möring unterstellt dem OB nun, er wolle unter einem Vorwand die Pläne für einen Stadtbahn-Tunnel scheitern lassen, um die darüber zerstrittene rot-grüne Koalition zu retten.
»Der Bau dieser Nord-Süd-Stadtbahn hinterlässt tiefe Wunden in der Stadt«, sagte Bettina Tull von den Grünen in der Ratsdebatte. Das jetzige Problem, so Tull, gehe auf CDU und FDP zurück, die 2000 den Streckenverlauf zum Rheinufer geändert haben. So kommt es, dass die Nord-Süd-Stadtbahn an der Kreuzung nun als Eisenbahn gilt und nicht als Straßenbahn – und dies erfordert eine baulich aufwendige Büstra-Anlage (»Bahn überquert Straße«) mit längeren Wartezeiten für den Autoverkehr. Die Baumaßnahmen haben bereits begonnen, sie kosten täglich 50.000 Euro. Im Falle der Tunnellösung, so Tull, wäre das Geld verschwendet worden, zusätzlich entstünden Kosten für die Verlegung der Haltestelle Schönhauserstraße nach Süden.

Die Grünen wollen eine ebenerdige Kreuzung, auch wenn sie die Büstra-Anlage gerne verhindert hätten und eine Lösung wie am Ubierring vorziehen. Doch fahren etwa 60.000 Autos jeden Tag über die Rheinuferstraße. Eine ebenerdige Kreuzung verursache Staus, warnen Kritiker. Die Grünen halten das für nicht erwiesen und wollen keine voreilige kostspielige Entscheidung. Sie möchten den Durchgangsverkehr am Rheinufer verringern – mit Buslinie, Wassertaxi und weniger Lkw-Durchfahrten.

Wie die neue Stadtbahn später einmal die Rheinuferstraße überqueren soll, ist neben dem Ausbau des Godorfer Hafens und einer Umnutzung des Deutzer Hafens der größte Streitpunkt zwischen SPD und Grünen. Doch die SPD will einen Tunnel nur, »wenn eine maximale Förderzusage verbindlich vorliegt«, so steht es in der Koalitionsvereinbarung. Diese Zuschüsse sind spätestens jetzt nicht mehr zu erwarten.

Vieles deutet daraufhin, dass die SPD den Grünen entgegenkommt, um an anderer Stelle eigene Forderungen durchzusetzen – beim Ausbau des Godorfer Hafens, wie CDU-Ratsmitglieder vermuten. Mit dem Schreiben aus Düsseldorf ist es für die SPD nun leichter, das Scheitern des U-Bahn-Tunnels auf die schwarz-gelbe Landesregierung zu schieben. Den Bürgerinitiativen der Südstadt kann das recht sein. Die Fällung von rund dreißig Bäumen ist bis auf Weiteres verhindert worden.

Auch Kölner Bürger-Bündnis, Deine Freunde und Linke sind gegen das Projekt. »Diesen Tunnel darf und kann man nicht bauen – das Geld braucht die Stadt für andere Projekte«, sagt Claus Ludwig. Der Linke nennt es »Kölnisch Roulette«, wenn man baue und riskiere, dass Fördermittel für die Nord-Süd-Bahn zurückgezahlt werden müssten.

Im Mai ist Landtagswahl. Weder SPD und Grüne in Köln noch die NRW-Landesregierung werden sich die Chance ungenutzt lassen, den politischen Gegner vorzuführen. Doch erst nach der Wahl wird deutlich werden, welche Zugeständnisse SPD und Grüne einander machen. Zugeständnisse, die sie ihren Wählern vorher lieber nicht zumuten.