Problembär im Paradies

Rolf Ketan Tepel hat sich auf einer Brache

in der Stadt eine Oase erschaffen.

Bald könnten aber die Bagger kommen

Ein Kindheitstraum: aus Holzpaletten, alten Möbeln, Fenstern, Musikinstrumenten, Verkehrsschildern und allem, was einem sonst noch in die Hände fällt, ein Haus bauen – an einem Ort, der wild bewachsen ist und an dem einen Erwachsene niemals finden werden, weil diese sich nicht auf abseitige Wege wagen. Rolf Ketan Tepel, 53 Jahre alt, hat sich dieses Paradies erschaffen.

Im Schatten des Justizzentrums, auf einem ungenutzten städtischen Gelände am Eifelwall, lebt, arbeitet, werkelt und musiziert er seit viereinhalb Jahren. Besucher staunen darüber, wie kunstvoll er Holzbalken, Spanplatten und Paletten zusammengehauen hat und daraus ein zweigeschossiges Haus inklusive Balustrade entstanden ist, in dem nicht nur Schlafzimmer und Küche, sondern auch ein Osho-Tempel Platz finden. Angebaut sind unter anderem ein Pavillion und eine Künstlerwerkstatt, im Garten laden ein Amphitheater und – wichtig – eine Feuerstelle zur Zusammenkunft ein.

Das »ParaDies+Das«, wie Rolf Ketan Tepel es unter anderem nennt, soll jedoch mehr sein als seine persönliche Oase. »Ich sehe es als soziale Plastik in Beuys´ Sinne, als eine Art künstlerisches Forschungslabor: Herstellung des Paradieses mit dem, was hier ankommt.« Er will sehr viel mit dem Ort: es zu einem »geistig-kulturellen Rekonvaleszenzort« machen, an dem die Menschen alle Mängel ausgleichen können, die das Leben in der Stadt produziere. Den Mangel an Begegnungen etwa.

Er will auch, dass dort Politiker und Bürger zusammenkommen, um gemeinsam über ihre Stadt zu reden, die für ihn als Ganzes eine soziale Plastik sein sollte. Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD), dem er im Januar auf einer Veranstaltung zur städtischen Kulturpolitik im Rathaus einen Pflasterstein aus seinem Garten übergab, hat er schon mehrmals eingeladen. Seine Botschaft: »Hör mal Jürgen, wir sind da und wollen helfen, das Ruder herumzureißen, wir haben Bock, etwas zu gestalten und den Menschen wieder Zutrauen in ihre Stadt zu geben.« Immerhin drehten sich die Dezernenten seit dem Architekturfestival Plan09 nicht mehr weg, wenn er ankomme, sagt er. Während Plan09 erhielten er und das temporäre Paradies viel Aufmerksamkeit.

Doch wenn jemand von der Stadt vorbeischaut, dann ist er meist von der Gebäudewirtschaft. Eine offizielle Erlaubnis für das Kunstwerk besitzt Ketan Tepel nämlich nicht. Engelbert Rummel leitet die Gebäudewirtschaft und sagt, dass dieser sich illegal dort aufhalte. Allerdings: »So lange es im jetzigen Rahmen bleibt, also einen provisorischen Charakter behält, werden wir es dulden. Sollte es aber zu einem Lagerplatz werden und sollten weitere Wohnformen entstehen, werden wir es mit allen Mitteln verhindern.« Das Paradies sei ohnehin als Paradies auf Zeit angelegt, betont Ketan Tepel. »Der Versuch eines Einzelnen, ein Paradies herzustellen, kann nur temporär sein.«

Die Zeit könnte bald zu Ende gehen, denn die Stadt beabsichtigt, das neue Stadtarchiv auf dem Gelände zu errichten. Rummel zufolge wird demnächst ein Büro damit beauftragt, den Realisierungswettbewerb auszuarbeiten. Laut Plan wird dann in sechs bis acht Monaten das Preisgericht tagen. Wie im Masterplan für Köln vorgesehen, wolle die Stadt den Grüngürtel auf das Gelände hin verlängern, erklärt Rummel. Neben dem Stadtarchiv soll außerdem noch ein Studentenwohnheim entstehen. »Anfang 2012 könnte mit dem Bau begonnen werden«, schätzt der Gebäudewirtschaft-Leiter. Vorher sind jedoch Bodenuntersuchungen und Bohrungen notwendig. Eine Prognose, wie lange das Gelände Ketan Tepel noch zur Verfügung steht, möchte Rummel daher nicht abgeben. Die Mietverträge der Künstler, die ebenfalls dort ihre Ateliers haben, verlängern sich jedenfalls immer nur monatlich.

Der Lebenskünstler, Landschaftsbeleber und Liebesbeauftragter, wie er sich nennt, klagt darüber, dass es zunehmend ungemütlicher wird. Stromanschluss gab es von Beginn an nicht, aber das Wasser habe ihm die Stadt abgedreht. Er behilft sich. Mit einem Kanister fängt er Regenwasser auf und eine kleine Solaranlage speist einen Akku. Außerdem spendete ein Mäzen ein Dixie-Klo. Ende vergangenen Jahres ließ die Stadt dann aber sein Baumhaus abreißen. Und Anfang Januar standen plötzlich Männer mit Kettensägen vor den Toren. Sie rodeten das Gelände, auf dem in den vergangenen 25 Jahre allerhand Gewächs gediehen war, weil sich die Politiker nicht einigen konnte, was mit dem Grundstück passieren sollte. Für Rummel war das notwendig. »Wir wollen dort keinen Dschungel«, sagt er.

Ketan Tepel hatte dort im Spätsommer immer Mirabellen und Äpfel geerntet. Ansonsten bestreitet er den Lebensunterhalt mit Spenden und seiner Kunst. »Ich will nur noch von dem leben, was man mir freiwillig gibt oder was andere wegschmeißen«, hat er für sich entschieden, nachdem er auf dem Weltjugendtag vor fast fünf Jahren komplett ausgeraubt wurde. Das sei für ihn der Punkt gewesen, zu sagen: »Jetzt baue ich mir das auf, was ich schon immer aufbauen wollte.« Alles, was er tue, sei seine Art zu leben. »Damit bin für die Stadt zum Problembären geworden.«