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Eine Idee von Autofahrern

Am 3. März jährt sich der Einsturz des Historischen Archivs. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben und bedeutende

Dokumente der Kölner Stadtgeschichte wurden vernichtet.

Der Grund ist Schlamperei beim Bau der Nord-Süd-Bahn. Ein Bau, der nicht bloß gefährlich und teuer ist, sondern auch zeigt, wie unzeitgemäß die Kölner Verkehrspolitik ist, findet Bernd Wilberg.

Metertiefer Schutt alter Gebäude, archäologische Funde, verborgene Hohlräume, Probleme mit dem Grundwasser – selbst mit moderner Technik ist es schwierig, einen U-Bahn-Tunnel mitten durch die Kölner Innenstadt zu bauen. Zumal, wenn Kosten für die sichersten Verfahren gespart werden. Wenn dann noch bei der Bauaufsicht geschlampt wird, kommt es fast zwangsläufig zu Katastrophen wie dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs.

U-Bahn-Projekte gehen oft mit Unglücken einher: In München stürzte 1994 während der Bauarbeiten ein Bus durch eine Tunneldecke, drei Menschen starben. Auch Amsterdam baut eine Nord-Süd-U-Bahn, im September 2008 sackten mehrere Häuser um bis zu zwanzig Zentimeter weg, es wurde ein Baustopp verhängt. Auch die Kosten sind fast immer höher als geplant – in Köln stiegen sie von ursprünglich rund 500 Millionen auf mehr als 1,1 Milliarde Euro.

Die U-Bahn ist verkehrspolitisch ein Auslaufmodell. Aufgrund der hohen Kosten werden seit Ende der 80er Jahre in Europa und Nordamerika kaum noch unterirdische Bahnstrecken gebaut. Das Land NRW finanziert in der Regel keine U-Bahn-Projekte mehr mit Fördergeldern. Rechnet man die Betriebs- und Unterhaltskosten hinzu, ist eine U-Bahn etwa zehnmal so teuer wie eine oberirdische Straßenbahnstrecke.

Aufwändig, teuer und unflexibel

Die Zeit, die Fahrgäste einerseits auf der unterirdischen Strecke gewinnen – in Köln geht es um bloß acht Minuten vom Hauptbahnhof bis zum Bonntor – verlieren sie andererseits, weil sie oft lange Wege in den Untergrund zurücklegen müssen und weil die Stationen meist weiter auseinander liegen als beim Straßenbahnnetz. Denn jede U-Bahn-Station ist aufwändig zu bauen und teuer.

Auch kann eine U-Bahn-Station nicht verlegt werden, wenn sich die Bedürfnisse ändern. So wurde Mitte der 70er Jahre beim Bau der U-Bahn nach Nippes zwischen Ebertplatz und Innerer Kanalstraße keine Station im Agnesviertel gebaut, – dabei wäre heute genau dort eine Haltestelle sinnvoll. Ein neuer Straßenbahn-Haltepunkt wäre dagegen leicht umzusetzen.

Dass Straßenbahnen durchaus effektiv sein können, zeigen Beispiele wie Bremen, Karlsruhe und Zürich. Auch erlebt man als Fahrgast die Stadt anders als in einer unterirdischen Röhre, die nur dazu dient die Fahrzeit zu verkürzen. Für den Architekten Erwin H. Zander, Gründungsvorsitzender des Hauses der Architektur Köln, ist das neueste Kölner U-Bahn-Projekt unnötig. »Die Kölner Innenstadt ist fußläufig in kurzer Zeit zu durchqueren. Wenn man von der Aachener Straße am Ring zum Rhein will, kann man die Strecke gut zu Fuß gehen«, sagt Zander. »Wenn man zusätzlich noch Anlaufpunkte für Bahnen und Bus hat, die die Strecke halbieren, ist das ideal.« Selbst als U-Bahn genügt das Bauprojekt modernen Ansprüchen nicht: Viele gute Ideen seien Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. »Bei der Gestaltung der U-Bahnhöfe mussten immer wieder Abstriche gemacht werden, etwa bei der Nutzung von Tageslicht«, sagt Zander. »Die U-Bahn wurde als reiner Zweckbau betrachtet«.

Stadtplanerisches Konzept der 60er

Der forcierte Bau von U-Bahn-Strecken entstammt der Ideologie einer »autogerechten Stadt«, ein stadtplanerisches Konzept der 60er Jahre. Das prominenteste Kölner Beispiel ist die Nord-Süd-Fahrt – eine Schnellstraße, die die Stadt zerschneidet. Als oberirdisch nicht mehr genügend Platz für den zunehmenden Autoverkehr war, sollten die Straßenbahnen unter die Erde verlegt werden. 1968 wurde der erste U-Bahn-Tunnel in der Kölner Innenstadt fertig. Erstaunlicherweise baute die Stadt die folgenden U-Bahn-Projekte außerhalb des Zentrums: in Ehrenfeld, in Nippes, in Deutz und Kalk. Auch die U-Bahn unter den Ringen ist dem Autoverkehr geschuldet – oft bloß Durchgangsverkehr, wie auch an der Rheinuferstraße, mitten durch die Stadt.

Damit das Severinviertel in der Südstadt besser zu erreichen ist, wäre keine U-Bahn nötig gewesen. Es hat längst eine Verbindung in den Süden gegeben: die Trasse der Rheinuferbahn, auf der teilweise noch die Linie 16 fährt. Ideen, diese Strecke zu nutzen und bloß ab Heumarkt einen Tunnel zum Hauptbahnhof zu bauen, wurden verworfen. Zwar wird nach dem U-Bahn-Bau – wenn er denn abgeschlossen wird – die Severinstraße besser angebunden sein; der Rheinauhafen aber wird immer noch nicht gut vom Hauptbahnhof erreichbar sein.

Gleichberechtigung für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer

Der Masterplan Innenstadt, den Albert Speer letztes Jahr vorlegte, ist auch eine Reparaturanleitung, wie die Fehlplanungen der »autogerechten Stadt« korrigiert werden können. Zur Überraschung seiner Geldgeber aus der Wirtschaft setzt sich Speers Büro für »Entschleunigung« und weniger Autoverkehr in der Innenstadt ein. In den aktuellen stadtplanerischen Debatten gelten Shared-Space-Konzepte, bei denen Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gleichberechtigt die Straßen nutzen, mittlerweile als wegweisend. Von weiteren U-Bahn-Projekten in Köln rät Speer in seinem Masterplan ab.

All das schreckt die Befürworter und Lobbyisten nicht. Die Innenstadt wäre quasi komplett untertunnelt, wenn es nach dem Willen der Kölner FDP ginge: Sie würde am liebsten die neue U-Bahn-Strecke noch weiter führen, drängte außerdem darauf, die Ost-West-Achse von Deutz bis hinter den Aachener Weiher unter die Erde zu verlegen – doch seit dem Unfall am Waidmarkt sind die Pläne vom Tisch. Das veranschlagte Geld für eine Machbarkeitsstudie zur Ost-West-U-Bahn wurde eingefroren.


In der aktuellen Print-Ausgabe der StadtRevue finden Sie zudem eine Chronologie der Entscheidung für das umstrittene Großprojekt und ein Gespräch mit dem Medientheoretiker Wolfgang Ernst über die Zukunft von Archiven.