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Der Schattenhaushalt

Obwohl über den Etat für 2010 vermutlich erst im Herbst abgestimmt wird,

müssen die sozialen und kulturellen Träger schon jetzt Kürzungen befürchten

In die Zukunft sehen kann niemand. Beruhigend ist aber zu wissen, dass man das nächste halbe Jahr finanziell über die Runden kommt. Das gilt umso mehr, wenn man 21 Jugendzentren betreibt. Die städtische Beteiligungsgesellschaft Jugendzentren Köln (Jugz) aber ist einer von vielen Trägern, der derzeit mit der Ungewissheit über die künftige Kassenlage leben muss. »Wir wissen zurzeit nicht, was auf uns zukommt im zweiten und dritten Quartal«, sagt Jugz-Geschäftsführerin Almut Gross.

Die Situation ist so, weil der Rat der Stadt den Haushalt für das laufende Jahr voraussichtlich erst im Oktober verabschieden wird, dann gleich als Doppelhaushalt 2010/2011. Geplant war ursprünglich Mai. Der Grund für die Verschiebung ist laut Kämmerer Norbert Walter-Borjans (SPD), dass sich die finanzielle Situation der Stadt dra­matischer darstellt, als im Haus­haltsentwurf von November angenommen. Den Fehlbetrag bezifferte er damals auf 540 Millionen Euro.

Ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) ist daher wahrscheinlicher geworden. In diesem Fall muss die Stadt die Bezirksregierung mit einem drastischen Sparprogramm davon überzeugen, dass sie bis 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Schrammt Köln am HSK vorbei, will der Kämmerer eine Art HSK »in eigener Regie« führen, um die Finanzen zu sanieren und eine »Bugwelle« in wenigen Jahren zu verhindern. Ein HSK aufzustellen dauere bis September, erklärt Walter-Borjans. Deshalb könne er den Haushalt erst im Herbst zur Abstimmung vorlegen.

Zusätzliche Belastungen und weniger Steuereinnahmen

Wie andere Kommunen auch leidet Köln darunter, dass mit der Wirtschaftskrise das Gewerbesteueraufkommen eingebrochen ist. Diese Steuer ist eine der wichtigsten Einnahmenquellen für Städte und Gemeinden.

Zusätzliche Belastungen, etwa infolge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, haben die Kassenlage verschlechtert. Zu Buche schlägt darüber hinaus, dass der Bund seinen Anteil an den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger zu Jahresbeginn von 26 auf 23,6 Prozent abgesenkt hat. Auf der anderen Seite wird die sogenannte Task Force, die die Verwaltung durchforstet, mit 50 Millionen Euro für 2010 und 2011 deutlich weniger Einsparmöglichkeiten einbringen als erhofft.

All das führt dazu, dass die Stadt nicht knapp 154, sondern 420 Millionen Euro aus der Ausgleichsrücklage (siehe Kasten) nehmen muss, um das Loch zu stopfen. Da sie 2009 schon darauf zurückgreifen musste, ist in dem Topf nicht mehr genug vorhanden. »Dieser fiktive Ausgleichstopf wäre damit leerer als leer«, sagt Walter-Borjans. Deshalb muss er an die allgemeine Rücklage (siehe Kasten) ran. Das führe auf die Dauer zur Überschuldung, warnt er. Die Stadt steht derzeit mit rund 2,7 Milliarden Euro in der Kreide.

Sparmaßnahmen ohne politische Entscheidung

Nach Wunsch des Kämmerers soll der Rat im Oktober über den Haushalt entscheiden. Für Diskussionen sorgen die Sparvorhaben jedoch schon seit Monaten. Die Kämmerei hat die Kürzungen bereits im Haushaltsentwurf 2010 einkalkuliert. Das sehen einige kritisch, sowohl Vertreter der Verwaltung als auch sozialer und kultureller Träger. Bedenklich finden sie, dass Sparmaßnahmen ergriffen und Fakten geschaffen werden, ohne dass es eine politische Entscheidung dazu gibt.

Von Gewicht ist dieser Vorwurf, weil die Kürzungsvorgaben Leistungen und auch ganze Einrichtungen gefährden. »Es geht an die Substanz«, sagt Helga Blümel, Sprecherin der Initiative »Kölner gestalten Zukunft«, zu der sich jüngst die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Köln zusammengeschlossen haben. »Der Gürtel spannt sich bereits über den dünnsten Bauch.« Blümel ist Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Köln und Region, das in der Stadt unter anderem elf Kitas unterhält. »Im Moment«, sagt sie, »geht es nur noch darum, abzusichern, was da ist.«

Kritik kommt auch von den Linken im Rat: Für die Träger sozialer Projekte sei der Zustand unerträglich, sagt Fraktionssprecher Jörg Detjen. Wenn das HSK erst im Herbst verabschiedet werde, seien Veränderungen im laufenden Geschäftsbetrieb 2010 überhaupt nicht mehr möglich.

Große Einschnitte bei freiwilligen Aufgaben

Wie sie die Kürzungsvorgaben erfüllen, entscheiden die Dezernate selbst – nach Chefgesprächen mit dem Kämmerer. Die Quoten betragen 7,5 Prozent für Pflichtaufgaben und zehn Prozent für Aufgaben, die zwar pflichtig sind, in der Höhe aber beeinflussbar. Um 12,5 Prozent sollen die Mittel für freiwillige Aufgaben beschnitten werden. Allerdings ist ein Teil der Ausgaben vertraglich gebunden, Mietkosten zum Beispiel. An denen können die De­zernenten nicht kurzfristig drehen. Sie müssen die nicht erfüllbare Kürzungsvorgabe verschieben und an anderen Stellen den Rotstift noch ausgiebiger ansetzen.