Foto: Manfred Wegener

Höher, lauter, schicker

Das Gerling-Viertel wird umgekrempelt. Umnutzung und Neubauten sollen das Viertel beleben

 

Für viele heißt das Gereonsviertel trotz der Kirche St. Ge­reon einfach Gerling-Viertel. Denn der gleichnamige Versicherungs­konzern hat das Quartier mit seiner Büroarchitektur stärker ge­prägt als die Basilika aus dem 13. Jahrhundert. Etwa mit dem markan­ten Rundbau im Klapperhof, dem Entree am Hildeboldplatz oder dem 15-stöckigen Hochhaus am Gereonshof. Der monumentale Baustil mit Fassaden aus Muschelkalk und nicht zuletzt die Reliefs des Nazi-Bildhauers Arno Breker verströmen den Geist einer rückwärtsgewandten, repräsentativen Wirtschaftswunder-Architektur. Trotz oder gerade deswegen zählt das Ensemble zu den interessan­testen Baudenkmälern dieser Zeit.

Der Gerling-Konzern hatte hier etliche Jahrzehnte seine Zen­­trale. 2004 kaufte dann die Ta­lanx-Versicherungsgruppe Gerling auf. Nach zähen Verhandlungen mit Talanx konnten noch 2000 Ar­beits­­plätze in Köln gehalten werden. Doch nach dem Umzug in die Deutzer Rheinhallen stehen die alten Gebäude im Ge­re­ons­viertel leer. Die Talanx hat die Immobi­lien an die Ent­wick­lungsgesell­schaft Frankonia Eurobau AG verkauft. Die baut jetzt insge­samt 130.000 Quadratmeter »Pre­mi­um­wohnungen und Büros in ruhi­ger innerstädtischer Lage«.

Teure Wohnungen, Geschäfte und Gastronomie

Am 23. März hat der Rat der Stadt den Bebauungsplan für das Areal zwischen Gereonsstraße im Norden und Im Klapperhof im Süden beschlossen. Die Politik sieht darin eine Möglichkeit, das gut 33.000 Quadratmeter große Areal zu beleben. Wo früher ­Bü­ro­bauten standen, sollen jetzt vor allem teure Wohnungen sowie Geschäfte und Gastronomie Platz finden.

Durch das 330-Millionen-Pro­jekt, so die Frankonia, schaffe man ein »neues attraktives Stadtquartier«, samt Einzelhandel, hoch­wertiger Gastronomie und Sen­iorenresidenzen. SPD, CDU, Grü­ne und FDP im Rat der Stadt begrüßen das grundsätzlich. Die Bürgerinitiative Gereonsviertel ­är­gert hingegen das Ausmaß der Neugestaltung. Denn damit sich das Projekt für die Frankonia rentiert, hat der Investor zahlreiche Flächen für Neubauten sowie Aufstockungen von Gebäuden durchsetzen können.

»Ein Verstoß gegen das Höhenkonzept«

Die Initiative kritisiert vor al­lem die Höhenentwicklung. Dabei hat der Stadtrat vor drei Jahren ein Höhenkonzept für die links­­rheinische Innenstadt be­schlos­­sen, um insbesondere den Blick auf die romanischen Kirchen zu schützen. Doch über die Auslegung des Papiers konnte mit der Bürgerinitiative keine Einigkeit erzielt werden.

Zwar werden die Neubauten im Umfeld von St. Gereon nicht ­hö­her gebaut werden als 20,1 Meter, was der Traufhöhe des Haupt­schiffs der Kirche entspricht. Doch Karl R. Kegler, Sprecher der Initiative, verweist darauf, dass auch die bereits vorhandene Bebauung zu beachten sei und deren Höhe als Richtschnur gelten müsse. Kegler hatte eine Begrenzung auf 15 Meter gefordert. Für die Initiative sind die geplanten 17,6 Meter neben dem Platz am Gereonskloster daher noch zu hoch. »Ein Verstoß gegen das Höhenkonzept«, findet Kegler.

Bürgerinitiative befürchtet Verlust der Aufenthalts­qua­li­tät

Barbara Moritz, Frak­tions­vorsitzende der Grünen im Rat der Stadt, sieht das anders: Das Höhenkonzept werde ein­ge­halten. Da die bestehende Be­bau­ung entlang des Platzes uneinheitlich hoch ist, seien laut Konzept diese Höhen nicht verbindlich. So sehen das auch die anderen Fraktionen, mit Ausnahme der Linken. Zuletzt hatte Karl-Jürgen Klipper (CDU), Vor­sitzender des Stadtent­wick­lungs­ausschus­ses, sich bei der Fran­konia noch für Änderungen im Sinne der An­wohner eingesetzt: Einige Neu­bauten fallen dadurch etwas niedriger aus als von der Frankonia vorgesehen. »Die ­Grü­nen bewerten diese Kom­promisse für akzep­tabel«, so Barbara Moritz.

Die Bürgerinitiative aber ist nicht zufrieden und bleibt dabei: Insbesondere die Neubauten im Umfeld des Alten Stadtarchivs seien zu massiv. Das neogotische Gebäude käme so nicht mehr zur Geltung und die Sicht auf St. ­Gereon werde verdeckt. Zudem gehe durch die Randbebauung des Platzes die Aufenthalts­qua­li­tät verloren. Investor und Ar­chi­tekten verweisen hingegen darauf, dass die Bebauung ja auch ­einen Lärmschutz gegen den Straßenverkehr bedeute.
Ruhiger könnte es auch werden, weil die Straße Gereonshof für den Autoverkehr gesperrt wird. Allerdings könnte sich der Verkehr in die angrenzenden Straßen verlagern. Die Politik ahnt das schon, und hat für ­später eine Überprüfung angekündigt.

Bauarbeiten sollen 2014 abgeschlossen sein

Die Bauarbeiten sollen schon Ende April beginnen, die Neu- und Umbauten in drei Jahren weitgehend abgeschlossen sein. Danach wird die Sakralarchitektur und das neogotische Alte Stadt­archiv sicher weniger imposant erscheinen und hinter der neuen Architektur zurücktreten – gewonnen wäre dadurch aber im besten Fall ein lebendigeres Viertel mitten in der Innenstadt.