Foto: Manfred Wegener

Ein erster Lichtblick

Der Rat der Stadt hat sich dem Bürgerbegehren für die Sanierung des Schauspielhauses angeschlossen

Um 15.21 Uhr war die Sache gelaufen. Neun Minuten vor Beginn der entscheidenden Ratsdebatte am 13. April schickten die Grünen eine Pressemeldung raus, in der sie ihr Votum für die Sanierung des Schauspielhauses anstelle eines Neubaus mitteilten. Damit war die Luft raus, und man hätte sich den müden Austausch von Statements sparen können.

Nachdem im Dezember 2009 die Ratsentscheidung für die Sanierung der Oper und den abgespeckten Neubau des Schauspiels denkbar knapp ausgefallen war, hatte die Initiative »Mut zu Kultur« ein Bürgerbegehren gegen den Abriss des Schauspielhauses initiiert, das schnell weit mehr als die notwendigen 23.000 Unterschriften erhielt.

Erfolg trotz starker Restriktionen

Damit lag der Ball im Feld der Politik. Sie hatte neben der Rechtmäßigkeit vor allem über den Inhalt des Begehrens abzustimmen. Eine Ablehnung hätte einen Bürgerentscheid am 11. Juli erzwungen. Der Rat entschloss sich jedoch mit großer Mehrheit gegen die Stimmen von SPD und FDP für Erhalt und Sanierung des Schauspielhauses und bescherte Köln damit das erste erfolgreiche Bürgerbegehren.

Erfolgreich deshalb, weil bisher alle Bürgerbegehren, ob gegen den Ausbau des Godorfer Hafens, Moscheebau in Ehrenfeld oder Verkauf der städtischen Anteile der GAG, an formalen Hürden gescheitert waren. »NRW hat relativ starke Restriktionen«, sagt Volker Mittendorf, Politikwissenschaftler an der Uni Wuppertal und Mitautor des Buches »Direkte Demokratie« sowie des »Ersten Begehrensberichts 1956-2007«.

So sind Bürgerbegehren zum Etat, zu Abgaben oder zur Bauleitplanung nicht zugelassen, und auch die Einleitungs- und Zustimmungsquoren sind trotz Änderungen im Jahr 2000 noch hoch. Mittendorf sieht im Bürgerentscheid ein wirksames Mittel gegen Politikverdrossenheit. Im speziellen Kölner Fall spricht er von einer »positiven Mobilisierungswirkung der Bevölkerung« und sagt: »Die Wahrnehmung, dass man selbst auf Politik effektiv Einfluss nehmen kann, wurde bei vielen verstärkt«.

Sachliche Auseinandersetzung

Allerdings schuf erst die die Wut über die Missstände beim U-Bahn-Bau – das gibt auch Mittendorf zu – das politische Momentum und die kritische Widerstandsmasse, die dann im Opernquartier ihr Ventil finden konnte. Es bleibt höchst zweifelhaft, ob ein Bürgerentscheid im Juli überhaupt das Quorum geschafft hätte, wonach mindestens zwanzig Prozent aller Wahlberechtigten hätten abstimmen müssen – und erst dann wäre der Bürgerentscheid gültig gewesen.

Ein zweiter Effekt des Bürgerbegehrens liegt nach Mittendorf in der »Fokussierung auf Argumente«. Sieht man von den Ausfällen des Opernintendanten Uwe Eric Laufenberg ab, haben die zahlreichen öffentlichen Diskussionen, die Präsentation der unterschiedlichen Lösungen in der Piazetta des Rathauses am 11. April sowie die ausgewogene Berichterstattung in den Medien zu einer sachlichen Auseinandersetzung beigetragen.

Dass in Köln das erste zuge-lassene Bürgerbegehren auf dem Feld der Kultur durchgeführt wurde, folgt dabei einem Trend: Zwar stehen auf der Themenliste Infrastrukturfragen ganz oben, doch kulturpolitische Themen, so Mittendorf, holen auf. Eine Tendenz, die mit der öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung von Künstlern, aber auch mit den Einsparungen im Bereich der freiwilligen Leistungen, sprich: der Kultur, zu tun haben könnte.

Fragt man in der Kulturszene selbst nach, so spricht Kaspar König, Leiter des Museum Ludwig, vom Bürgerbegehren als einem »echten Lichtblick und positiven Signal«, in dem sich das Misstrauen der Bevölkerung gegen Verwaltung und Politik spiegele. König begrüßt es als Mittel der Auseinandersetzung, sofern es nicht zu einer populistischen, sondern substanziellen Diskussion über Inhalte führt. Louwrens Langevoort, Intendant der Philharmonie, sieht das Opernquartier nur als zufälligen Kulminationspunkt einer generellen Unzufriedenheit; eine verstärkte Mitwirkung der Bürger nach dem Schweizer Modell beurteilt er kritisch.

Stärkere Teilhabe der Bürger

Und wie sieht die Politik selbst die Entwicklung? Für die Vorsitzende des Kulturausschus­ses, Eva Bürgermeister (SPD), stellt das Bürgerbegehren eine Form »gelebter Demokratie« dar. Sie könne mit der Entscheidung, bei der ihre Partei unterlag, gut leben, sagt sie. Für die politische Kultur von morgen könne sie sich durchaus eine stärkere Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger vorstellen. Mit einer wichtigen Akzentverschiebung allerdings. »Ich finde den kritischen Dialog, eine Beteiligung und das gemeinsame Ringen um Lösungen wichtig. Ob das jetzt Bürgerbegehren, ob das Runde Tische oder Bürgerversammlungen sind, ist für mich eine zweite Frage.« Als Beispiele nennt Eva Bürgermeister Masterplan und Bürgerhaushalt. Mitreden oder Abstimmung sei für sie eher eine formale Frage. Das kann man auch anders sehen.

Das Bürgerbegehren hat jedenfalls einiges in Gang gesetzt. Oper und Schauspiel können in ihren angeblich unbespielbaren Spielstätten bleiben, bis über die zu erstellenden Sanierungsvarianten entschieden ist. OB Jürgen Roters (SPD) lädt zum Runden Tisch, der die Planungen begleiten – und ein paar Gräben schließen – soll. Währenddessen häufen sich die Hiobs­botschaften an anderer Stelle: Museen droht Zahlungsunfähigkeit, die Projektmittel der freien Szene sind gefährdet. Angeregt von der Initiative »Kölner Komment« forderten die Kulturpolitiker von der Verwaltung, die drohenden Verluste zu benennen. Da wird dann ein Dialog nicht mehr reichen.