Foto: Manfred Wegener

An der Schmerzgrenze

Auf dem Helios-Gelände ist eine Shopping-Mall geplant. Ehrenfeld wird sich verändern.

»Das können Sie mir glauben, wir lassen uns hier nicht über den Tisch ziehen«, sagt Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD). »Das Helios-Gelände ist schließlich unser Filetstück hier in Ehrenfeld.« Schon seit Jahren laufen die Planungen für das Areal zwischen Helios-, Venloer, Vogelsanger Straße und Gürtel. Früher war an dieser Stelle mal das Bezirksrathaus geplant. Heute befinden sich hier nicht nur ein Möbelgeschäft, Matratzendiscounter und eine Fastfoodfiliale, sondern ebenso der Konzert- und Veranstaltungsort Underground sowie Künstlerateliers.
Das Gelände gehört seit etwa zwei Jahren der Bauwens Real Estate Group, Gesellschafter sind Patrick Adenauer und Paul Bauwens-Adenauer, der auch Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln ist. In Ehrenfeld sorgt man sich, dass die Pläne des Investors das Viertel stark verändern könnten. Die Bauwens-Gruppe sei als Investor nicht unumstritten, sagen einige Politiker, die nicht genannt werden wollen.

Skepsis bei den Bezirkspolitikern

Ursprünglich hatte der Investor Pläne für mehr als 30.000 Quadratmeter Einzelhandel in einer Shopping Mall entwickelt. Das entspricht der Verkaufsfläche der Köln-Arcaden in Kalk. »Für uns sind 17.000 Quadratmeter die Schmerzgrenze«, sagt Wirges. Dem Vernehmen nach will Bauwens unter anderem Filialen von großen Elektro-, Textil- und Buchhandelsketten ansiedeln. Insbesondere ein Buch-Kaufhaus stößt auf die Skepsis der Bezirkspolitiker, da dies mit den Buchhandlungen an der Venloer Straße konkurrieren würde.

Wirges will, dass die Bezirksvertretung im Mai einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen stellt, in der man sich für »eine Zahl klar unter 20.000« ausspricht. Ein Gutachten des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik kommt zu einer ähnlichen Empfehlung. Außerdem wird im Amt geprüft, welches Sortiment verträglich ist, um nicht dem Einzelhandel auf der Venloer Straße zu schaden. »Ein Buchkaufhaus ist sicherlich nicht nötig«, sagt Wirges.

Investor möchte nicht öffentlich auftreten

»Das Helios-Gelände ist das nächste große Thema, was uns hier ins Haus steht«, betont Christiane Martin, Grünen-Fraktionschefin in der Bezirksvertretung. Dort haben in der letzten Sitzung Grüne und SPD gegen die Stimmen der CDU beschlossen, dass die Verwaltung die Bezirksvertretung möglichst bald über alle Einzelheiten informiert. Der Antrag wurde zuvor noch eilig umformuliert: Die Grünen verzichteten darauf, dass auch der Investor vorstellig werden solle. Wohl, um die nötige Mehrheit zu bekommen. Die Bauwens-Gruppe hat kein großes Interesse daran, öffentlich aufzutreten, und die anderen Parteien möchten den Investor nicht verärgern.

Allerdings versucht die Politik ihren Einfluss zu wahren. So hat die SPD in der selben Sitzung mit einem Dringlichkeitsantrag gefordert, das Gebäude des italienischen Supermarktes an der Heliosstraße unter Denkmalschutz zu stellen. Helioshaus, Rheinlandhalle samt dem markanten Helios-Leuchtturm stehen bereits unter Denkmalschutz. Die Folge könnte aber sein, dass die Bauwens-Gruppe in die Höhe baut. Auch diese Fragen sind noch längst nicht geklärt.

Zukunft des »Underground« ist ungewiss

Ungewiss ist ebenso der Verbleib der auf dem Gelände ansässigen Künstler. Wirges spricht hier gern von Kreativwirtschaft, die den Stadtteil aufwerte und für die er sich einsetzen wolle. 3500 Quadratmeter Büros sieht Bauwens vor. Ob die Kreativen sich diese werden leisten können, ist fraglich.
Außerdem sind 8000 Quadratmeter »standortangemessener Wohnraum der Mittelklasse« geplant. Und die hat die Bauwens-Gruppe unter anderem dort vorgesehen, wo jetzt noch das Underground steht, dessen Mietvertrag bald ausläuft. Eine Ausweichmöglichkeit auf dem Helios-Gelände gebe es nicht, war vom Investor zu hören. »Ich werde mich für den Erhalt des Undergrounds einsetzen«, sagt Wirges. »Aber letztlich können wir nur appellieren.«

Beim Underground selbst gibt man sich wortkarg. »Wir haben weder schriftlich noch mündlich irgendwas gehört«, sagt Inhaber Micki Pick. »Infolgedessen sind wir also ganz entspannt. Wir haben vor, die nächsten Jahre da zu sein.« Das könnten zwei Jahre sein. Denn danach würden schon die Bagger kommen, wenn die Bauwens-Gruppe das Bebauungsplanverfahren bald startet. Allerdings gibt es auf Teilen des Heliosgeländes Altlasten, so dass Verzögerungen wahrscheinlich sind.
Thor Zimmermann, der für die in Ehrenfeld beheimatete Wählergruppe Deine Freunde im Stadtrat sitzt, sagt: »Wir sprechen uns gegen eine derart exzessive kommerzielle Nutzung des Geländes aus. Wir stehen zur chaotischen Struktur Ehrenfelds, sie macht den Charme dieses Viertels aus.« Auch Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken im Rat, der ebenfalls in Ehrenfeld wohnt, ist gegen eine Shopping-Mall: »Man sieht doch, was in Kalk passiert ist: Die Köln-Arcaden boomen, aber der Einzelhandel auf der Kalker Hauptstraße leidet.«