Foto: Manfred Wegener

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Was kommt im kölschesten aller Kölner Museen?

Ein Rundgang mit dem neuen Stadtmuseumsdirektor Mario Kramp


Pünktlich kommt er, und anders als auf den ersten Presse-Fotos lässig ganz in Schwarz. Auch wenn Mario Kramp seit zwanzig Jahren hier lebt und mal ein Konzept für das Karnevalsmuseum entwickelt hat, entstammt er offenbar nicht der Liga coloniatrun­kener Lokalmatadore. Während ich im Foyer schnell das Aufnahmegerät aus- und den Rucksack ins Schließfach packe, hat er schon den Ticketverkäufer in eine Plauderei über die Locker-Regelung verstrickt: Wie, die 50 Cent krie­ge man nicht zurück? Ob das in allen Kölner Museen so sei? Am 15. Juni soll der 49-Jährige sein Amt antreten, aber gehört anscheinend zu denen, die irgendwie immer hinschauen. Historikertugenden. Sein Geschichtsinteresse (Promotion) entwickelte sich im Arbeitskreis Schwule Geschichte in Köln, Kunsthistoriker ist er auch, zuletzt Direktor des Mittelrheinmuseum Koblenz.

Wo wir gerade hier stehen, in ei­nem eher verstellten Raum, mit Kassentresen, allerlei betagten Möblierungen, einer knallroten Wand mit dem verschnörkelten Schriftzug »Museum im Herzen der Stadt« – wie würden Sie sich in diesem Entree als normaler Besucher fühlen?

Na ja, es ist besser als es früher war! Aber ich bin angetreten, um das Haus neu aufzustellen. Da wird ja nicht so ein bisschen an den Elektroleitungen saniert und Vitrinen geputzt, es geht um eine Komplettneuaufstellung. Und zu den alten Gebäuden gehört auch der von Ihnen gerade ... sagen wir augenzwinkernd beschriebene Em­pfangsbereich zwischen Wache und Zeughaus. Das möchte ich na­türlich alles neu und anders haben.

Schon Ideen?

Klar: Ich hätte es gerne großzü­gi­ger, ich hätte es gerne zweietagig, und ich hätte gerne die beiden Bau­ten miteinander verbunden. Und ich bin froh, dass die Stadt Köln die Gelder für Sanierung und Neuaufstellung – wir re­den jetzt nicht vom Anbau – noch nicht dem Rotstift hat anheim fallen lassen.


Das Geld, der geplatzte Anbau, gleich zwei Reizthemen auf einmal, und nicht nur deswegen darf man sagen: Der Mann übernimmt ein Erbe. Das Stadtmuseum gilt als fest in kölschen Händen, die nicht immer bedingungslos mäzenatisch tätig werden, der Förderverein neigt wie seinerzeit der brauchtumsbeseelte Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) zur Überidentifikation, auf die »Komplettneuaufstellung« wartet die Kunstszene routinemäßig. Sou­verän schlägt er sich durch, loyal Vorgängern, Kollegen und Förderern gegenüber, aber deutlich: Das Geld für Sanierung und Neueinrichtung hat er sich zusichern lassen, sieben bis acht Millionen seien es. Am Anbau als Option will er festhalten, ob es tatsächlich klappt, sei kölsche Spekulation.

Was für ein Verhältnis haben Sie eigentlich zu Köln?

Ach, das ist doch immer so mit der Liebe, es ist besonders schlimm, wenn’s besonders schlimm wird und besonders schön, wenn’s besonders schön ist, nich’?

Wenn ich Sie zitieren darf: »Die Stadt ist geschwätzig und neigt zu Superlativen.«

Das war...

... eine Aussage über die Mentalität oder die politischen Verhältnisse?

Eigentlich über die Mentalität allgemein, wobei die Grenzen natür­lich fließend sind – die politischen Verhältnisse werden ja auch von Kölnern bestimmt.

Man tratscht gern.

Ja. Finden Sie nicht?


Doch schon. Aber interessanter ist, dass Kramp vorhat, sich der Lokalsoziologie auch in Ausstellungen zu widmen. »2000 Jahre Klüngel« zum Beispiel, das könne man historisch wunderbar untersuchen und darstellen, bis heute. Inzwischen stehen wir in der verstörenden Ausstellungshalle im Erdgeschoss, konzipiert in den Jahren um 1984, zu Zeiten seines Vorvorgängers, erzählt er:Zur Begrüßung typisch kölsche Aspekte, Hännesche, Eau de Cologne, das Bier, ein Ford Taunus, sollten die Leute abholen bei dem, was Sie kennen. Dann geht es rückwärts in die Vergangenheit, um irgendwie wieder die chronologische Spur zu finden.

Und in diesem »irgendwie« steckt natürlich das Dilemma. Das möchte ich ändern, die Chronologie stärken und die ganzen 2000 Jahre Köln erzählen. Irgendwann kommt da hinten das Mittelalter, dann hat es aber den normalen Besucher, der nicht so vertraut ist mit der Geschichte oder Kulturgeschichte, schon verlassen.

Zurück bis zur Gründung, dafür fühlte sich bisher das Römisch-Germanische Museum zuständig.

Ich möchte gerne mit den Kolleginnen und Kollegen – über Dauerleihgaben etwa, auch aus weite­ren Häusern – so kooperieren, dass wir zeigen können: Hier gab es den Urschleim bis zu den Ubiern, hier gab’s die Agrippina und irgendwann geht es ins Mittelalter und zur eigenen Sammlung. Wir stehen auf der römischen Stadtmauer hier! Keine andere Metropole – das Wort benutz’ ich mal extra – in Deutschland ist so reich an Geschichte. Wenn Sie sich die Stadtmuseen anschauen, die im Moment im Aufbau sind, München, Hamburg natürlich, Berlin, wo verschiedene Häuser zusammen gerade ein neues Konzept entwi­ckeln – die haben doch alle noch auf den Bäumen gehockt, als hier schon die Tempel standen.


Er weiß viel, erzählt gern und man spürt Begeisterung. Auf der Trep­pe ins Obergeschoss erläutert er die Porträts der Kölner »Ahnengalerie«, Millowitsch, das Ehepaar Ludwig, Böll, die Olympische Ge­sellschaft, oben angekommen Ein­zelstücke, die Pop­ularisierung des Lokalhelden Jan von Werth, Umbauideen, Pläne. Soziale Gegensätze, Arm und Reich damals und heute, das wäre ein Thema, die Bildungsaufgabe müsse man ernst nehmen, andere Vermittlungsformen finden. Das Düsseldorfer Stadtmuseum nutzt seit kurzem die neuen sozialen Netzwerke, YouTube, Twitter, Facebook. Ein Generationswechsel?

Ran, her damit, sofort, ja, das ist doch gar keine Frage.

Dann nur noch die Gretchenfrage: Kommt das Flügelauto von HA Schult wieder zurück auf das Dach?

Ich wusste, dass es kommt, ihr Journalisten seid doch alle gleich. Damals war ich dagegen. Heute ist es vielleicht wirklich eine Marke.
Schauen wir mal.