Plappern mit Powerpoint

Bei der Pecha Kucha-Nacht wird alles gezeigt –

von Sumpfschrecken bis zu Nackfotos

»Beim letzten Mal habe ich gelernt, was ich tun muss, wenn im Jumbo-Jet plötzlich der Pilot ausfällt«, erinnert sich Robert ­Ullrich an seine erste Pecha Kucha-Nacht. »In kurzer Zeit habe ich Anregungen aus einem bunten Blumenstrauß von Themen bekommen«, so der Stadtplaner aus Monheim. Das hat ihm so gut gefallen, dass er diesmal selbst den Sprung auf die Bühne des Ateliers Colonia in Ehrenfeld wagen will – mit einem Vortrag über sein Fachgebiet unter dem launischen Titel »Planungsrecht für Feldhamster«.

Etwa 300 Besucher haben sich in der ehemaligen Autowerkstatt versammelt, um bei der siebten Pecha Kucha-Nacht in Köln dabei zu sein. Die meisten sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, auffallend viele tragen schwarze ­Designerbrillen. Die Veranstaltungsform Pecha Kucha – nach dem japanischen Begriff für Plappern – hat sich seit 2003 von Tokio aus über die ganze Welt verbreitet. Und aus Architektenkreisen auf andere kreative Berufe, Wissenschaftler und politische Aktivisten – sowie auf Zuhörer, die zu Pecha Kucha-Abenden gehen wie zu Poetry Slams, als anspruchsvolle und doch lockere Unterhaltung.

Sechs Minuten und vierzig Sekunden für die ganze Welt

»Durch das enge Zeitfenster kommt jeder zu Wort, der etwas zu sagen hat«, erklärt der 35-jährige Steffen Bärenfänger, einer der Kölner Veranstalter. Jeder Vortragende hat nur zwanzig Powerpoint-Folien zur Verfügung – und alle zwanzig Sekunden wirft der Laptop gnadenlos die nächste an die Wand. Sechs Minuten und vierzig Sekunden also, um manchmal ganze fremde Welten zu erklären.

Zum Beispiel die der Stadtplanung. Robert Ullrich möchte heute Abend den Zuhörern zeigen, wie sie sich einbringen können, wenn vor ihrer Haustür größere städtebauliche Veränderun­gen an­stehen. Damit sie nicht so hilflos sind wie die Menschen in Douglas Adams’ »Per Anhalter durch die Galaxis«, in der die Vogonen-Aliens einfach die Erde für eine intergalaktische Umgehungsstraße wegsprengen – weil kein Erdling rechtzeitig Einspruch erhoben hat.

Eine von Ullrichs Powerpoint-Folien zeigt eine Sumpfschrecke. Diese Heuschreckenart habe ihm schon viel Ärger bereitet, beklagt sich der hochgewachsene Stadtplaner. »We­gen deren Brutrevier mussten wir schon mal einen ganzen Stadtteil um einen halben Kilometer verschieben«, erzählt er.

Hasenfluchtwege sorgen für Begeisterung

Einige Folien weiter kommt er auf einen Hasenfluchtweg zu sprechen, den er bei einer Bauplanung berücksichtigen musste. »Die Hasen hätten über eine belebte Bundesstraße laufen müssen, dann um mehrere Ecken herum, bevor sie sicher angekommen wären.« Während die Bilder hinter ihm den Irrweg der Nager nachzeichnen, tobt das Publikum vor Lachen.

Mit der knappen Zeitvorgabe kommt Ullrich weitgehend zurecht. Nur einmal wird er kurz hektisch, als die Präsentations-Software nach zu kurzen 20 Sekunden schon die nächste Folie anzeigt. Dass eine Grafik zum Planungsrecht mit Paragrafen und Vorschriften total überladen war, sei Absicht gewesen, sagt er nach seinem Vortrag.

Der Künstler Stephan Brenn präsentiert Poesie aus Buchstabenspuren, die er auf alten ­Farbbändern aus Schreibmaschinen gefunden hat. Die Zeichenkombinationen montiert er auf Bilder, gerne auf historische Nackt­fotos. »Nur ein Prozent meiner Funde sind Wörter«, sagt der Vortragende mit den längeren, grau melierten Haaren. »Aber das alles sind ja Hinterlassenschaften unserer Vorfahren, mit denen damals niemand gerechnet hat.«

Während der Computer seine Montagen an die Wand projiziert, liest Brenn einige der Zufallstexte laut vor. Meistens sind es nur sinnfreie Buchstabenreihen wie »VVVVV hngrz«. In Kombination mit den Fotos nackter Frauen aus dem frühen ­20. Jahrhundert sorgt das für viel ­Gelächter.

Die Wirtschaft, der Esel und die Karotte

Dass Pecha Kucha sich auch für ernstere Themen eignet, beweist Fabian Huber, der den ersten Kölner Carrotmob mitorganisiert hat, eine neue politische Aktionsform. »Man muss der Wirtschaft wie einem Esel eine Karotte hinhängen, um sie dahin zu lenken, wo man sie haben will«, erklärt der junge Mann mit der Mohrrübe auf dem T-Shirt.

Hubers Folien zeigen ein Obstgeschäft in der Zülpicher Straße, das die Organisatoren für ihren Aktionstag Mitte April ausgesucht hatten. Der Inhaber hatte sich bereit erklärt, 75 Prozent des Tagesumsatzes in den Umweltschutz zu investieren. Per Facebook, Twitter und Plakaten lockten die Aktivisten Interessierte in den Laden. Das Ergebnis: dreifacher Umsatz und eine neue, energiesparende Beleuchtung für das Obstgeschäft. Folien durch, lauter Applaus.

Pecha Kucha-Abende gibt es inzwischen in mehr als 300 ­Städten auf allen Kontinenten, in Köln etwa alle drei Monate. Nach dem letzten Vortrag können die Zuhörer die Themen beim Bier mit den Referenten vertiefen. Davon macht bei Robert Ullrich eine Frau Gebrauch, die seinen Vortrag über Stadtplanung augenscheinlich sehr interessant fand. Ullrich ist auch mit sich zufrieden: Er sei mit der knappen Zeit ausgekommen, und die Zuhörer ­wüssten jetzt, was eine Sumpfschrecke alles anrichten kann.