Foto: Manfred Wegener

Eine halbrunde Sache

Ein Investor verspricht seit Jahren Flaniermeilen an den Bahndämmen in Ehrenfeld und am Eigelstein. Ein Versuch, zu ermitteln, woran es hakt

Gäbe es einen Leitfaden dafür, wann man bei einem Stadtentwicklungsprojekt in Köln skeptisch werden sollte, könnte die Grundregel lauten: Der Investor verweist auf ähnliche Projekte in Städten, die eindeutig in einer anderen Liga spielen. Lutz Figge verweist auf Berlin und Wien, neuerdings auch auf New York, wo er gerade gewesen sei, um sich jüngst eröffnete Gewölbe-Gastronomie anzusehen. Denn etwas Ähnliches hat der Projektentwickler auch in Köln vor. Des­halb pachtete seine Firma, Bahnbögen Köln GmbH, 55 Bögen in Ehrenfeld und 35 am Eigelstein.

Wenn es nach Figge geht, sollen in die Bahndämme, die derzeit als Lager, Werkstätten oder illegale Müllhalde dienen, bald Cafés, Restaurants und Galerien einziehen. Und Flaniermeilen entstehen – wie die ­Hackeschen Höfe in der Hauptstadt, so stellt er es sich vor. Es mag berechtigte Bedenken gegen Verheißungen wie »urbane Aufwertung« und »Szene-Quartiere« geben, und auch gegen die Art von Gastronomie, die sich gerne in solche Objekte einmietet – die Idee, den Raum unter den Bahn-Viadukten besser zu nutzen, ist erst mal gut.

Wie eine Knackwurst vor der Nase

Das fand auch Carl Barthel, CDU-Bezirksvertreter in Ehrenfeld, der – wie alle anderen Politiker, die man auf das Thema anspricht – erst mal seufzt. »Als uns Herr Figge vor Jahren das Modell vorstellte, war das, als hielte er uns eine Knackwurst vor die Nase: Im Modell war alles schick und neu, mit Bäumchen und Menschen, die am Bahndamm flanierten.« Eine wahre Verlockung. Klar, dass die Bezirksvertretung einvernehmlich gesagt habe: »Das wollen wir!« Doch messen müsse man den Investor daran, so Barthel, was am Ende rauskomme. In dem Fall sei das nicht viel. »Und Figge macht nicht klar, woran es hakt«, kritisiert er.

Die Skepsis wächst, weil der Projektentwickler immer wieder Termine nennt, die er nicht einhalten kann. Im Sommer 2007 zum Beispiel zitiert ihn der Kölner Stadt-Anzeiger (KStA) mit der Prognose, im Herbst würden die ersten Lokale in den Ehrenfelder Bahnbögen eröffnen. Figge erklärt die Verzögerungen zunächst mit den »komplizierten Verhandlungen mit dem Eigentümer Deutsche Bahn, dem Eisenbahnbundesamt und der Stadt«. Dann mit den Vorgaben, die die Bauaufsicht mache: Behindertengerecht müssten die Objekte sein, ausreichend Toiletten und Parkplätze vorhanden sein. Endlich eröffnete im Mai der Club Bahnhof Ehrenfeld an der Bartholomäus-Schink-Straße. Für zwei weitere Bögen – ein Imbiss und ein Restaurant –, so das Bauaufsichtsamt, lägen Genehmigungen vor.

Bei aller Kritik am Investor sieht Bezirksvertreter Barthel die Verantwortung dafür, dass es nicht weitergeht, vor allem beim Bauaufsichtsamt. »Die Beamten dort sind sehr unflexibel, pingelig und genau.« Das Amt mutiere zur »Bescheinigungssammelstelle«. Der Konflikt geht Barthel zufolge noch tiefer: Detlef Fritz, Amtsleiter und SPD-Mann, a­gie­re gegen seinen Dezernenten Bernd Streitberger, CDU-Mann. »Da herrscht kein konstruktives Miteinander.«
Figge also als Opfer verwaltungsinterner Machtkämpfe?

Verwaltung weist Vorwürfe zurück

Auch am Eigelstein, wo er seit Ende der 90er Jahre dran ist, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Dort wird die »Passage voller Attraktionen«, wie der KStA im Mai titelte, noch länger auf sich warten lassen. In dem Artikel macht Figge explizit die Verwaltung dafür verantwortlich, dass das Projekt kaum vorwärts kommt. Der Reporter liefert dazu ein Stimmungsbild über den Bahndamm zwischen Hauptbahnhof und Hansaring: »Es ist düster und stinkt, Obdachlose haben den Müll so zusammen geschoben, dass sich zwischen Abfall, Ratten und Kot ein Quartier aufschlagen lässt.«

Die Verwaltung, die in dem Artikel nicht zu Wort kommt, weist den Vorwurf zurück. Im Dezember 2009 habe die Bahnbögen Köln GmbH einen ersten Entwurf für einen Bebauungsplan eingereicht, erklärt Hermann Gellissen vom Stadtplanungsamt. Daraufhin habe ihm das Amt Anfang 2010 den Entwurf für eine Planvereinbarung zugesandt. Dieses Papier regele das weitere Verfahren, unter anderem, welche Gutachten der Investor in Auftrag zu geben habe. Beide Seiten müssten unterschreiben.

»Wir haben darauf keinerlei Reaktion erhalten«, sagt Gellissen. Vor einigen Wochen erneut die Bitte um eine Stellungnahme, wieder keine Antwort. »Wenn es vorwärts gehen soll, muss man auch seine Hausaufgaben machen.« Robert Kilp, Leiter des Ord­nungsamts betont, dass die Stadt an einer »baulichen Entwicklung sehr interessiert« sei.
Figge wiederum erklärt, dass er mit dem Bebauungsplan bereits in die letzte Phase trete und mit seinem Team an der »Textierung« arbeite. »In rund vier Wochen können wir den Plan der Verwaltung übergeben.« Reden der Projektentwickler und die Mitarbeiter der Stadt aneinander vorbei?

»Wir wollen ­keine Kirmes, aber das Viertel beleben«

Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister Innenstadt, bestätigt diesen Eindruck: »Atmosphärisch stimmt es nicht. Mit Figge und Stadtentwicklungsdezernent Streitberger treffen zwei sehr unterschiedliche Protagonisten aufeinander.« Hupke hält viel von Figges Plänen, den er als »Träumer im besten Sinne« bezeichnet. Ein Beteiligter, der nicht genannt werden will, deutet das Verhältnis anders: »Figge denkt, dass er doch etwas Gu­tes tue für die Stadt. Und die Stadt deshalb über manche Regelung etwas großzügiger hinweggehen könnte.«

Danach sieht es nicht aus. So betont Gellissen vom Stadtplanungsamt, dass nicht alles, was Figge sich vorstelle, machbar sei. Denn das Gebiet, das an die Bahntrasse grenzt, gilt als »Besonderes Wohngebiet«. Zulässig sind nur Betriebe, die das Wohnen »nicht wesentlich stören«. Figge, der nach eigenen Angaben bislang eine siebenstellige Summe in die Bahnbögen investiert hat, sagt: »Wir wollen ­keine Kirmes, aber das Viertel beleben. Das bringt zwangsläufig mehr Geräusche mit sich.« Er wolle eine einvernehmliche Lösung. »Wenn es erhebliche Einsprüche gibt, wenn die Anwohner weiterhin lieber auf einen schmutzigen Haufen gucken wollen – dann nicht.«

Günter Halbreiter vom Förderverein Eigelstein weiß, dass die Anwohner im Viertel die Lärmbelästigung fürchten. Andererseits sei der Förderverein daran interessiert, die Schmuddelecken in den Bahnbögen zu beseitigen. Der jetzige Zustand sei nicht haltbar. »Hier hat sich ganz viel Unmut angestaut«, sagt Halbreiter. Ob Figge die Rettung bringt, daran zweifelt er allerdings. »Wir glauben, dass er nicht den nötigen finanziellen Spielraum hat.«

Es wird wohl noch dauern, bis sich in Ehrenfeld und am Eigelstein etwas ändert. Immerhin hat Figge die Bahnbögen bis 2044 gemietet. Etwas Zeit bleibt also noch.