Foto: Manfred Wegener

Quantensprung und Eiertanz

Eine sinnvolle Variante der Sanierung von Oper und Schauspielhaus liegt auf dem Tisch. Doch es drohen Abstriche.

Die Sanierung des Opernquartiers könnte nach einer langen Zeit der Proteste und Debatten jetzt endlich viel versprechend und zügig vorangehen. Die Betonung liegt allerdings auf »könn­te«. Beim Runden Tisch im Rathaus Anfang September herrschte nach außen hin weitgehende Einig­keit, dass die Bau-Variante 6 die beste sei. Jene Sanierungslösung also, die Schauspielintendantin Karin Beier initi­iert hatte und die inzwischen auch von der Bürgerinitiative Mut zu Kultur (MzK) favorisiert wird.

Diese Lösung geht von der vom Rat im April beschlossenen Sanierung von Oper und Schauspielhaus aus; stärker als die von MzK selbst verworfene Variante 7 bezieht sie die bestehenden Räum­lichkeiten im Schauspielhaus ein. An der Nordseite des kleinen Offen­bachplatzes soll im ersten Untergeschoss die Kinderoper entstehen. In den Opernterrassen, dem dritten Gebäude auf dem Offenbachplatz, soll unter weitgehender Beibehaltung der Riphahn-Fassade die Studiobühne des Schauspiels einziehen.

Dort wo jetzt die Schlosserei liegt, soll die neue gemeinsame Anlieferung für Oper und Schauspielhaus eingerichtet werden. Dieser Betriebshof wird mit einer neuen Büroetage überbaut, gemeinsam genutzt von Oper und Schauspiel. Auch für den Tanz sind Räume vorgesehen, die allerdings nach Auffassung von Vertretern der Sparte viel zu klein seien. MzK arbeitet hier noch an einer großzügigeren Variante.

Verlängerte Interimsphasen von Oper und Schauspiel

Der sanierte große Saal des Schauspielhauses könnte zudem zukünftig flexibel genutzt werden: Aufführungen mit 400 oder 800 Zuschauern wären möglich. Auch die Akustik im Raum soll verbessert werden, ebenso die der Oper. Als »Quantensprung« der gesamten Sanierung gemäß Variante 6 bezeichnet Reinhold Daberto die Unterkellerung des kleinen Offenbachplatzes und des Kantinenhofs (zwischen Oper und Schauspielhaus gelegen) mit Lagern und Verkehrswegen. Sie trage dem Wunsch der Theater Rechnung, so wenig wie möglich von externen Lagern anliefern zu müssen, so der Chef des Theaterplanungsbüros thepro, das die zur Debatte stehenden Bauvarianten einer Machbarkeitstudie unterzogen hatte.

Das alles klingt sehr vernünftig. Wo liegen die Nachteile? Die Interimsphasen von Oper und Schauspiel werden sich, anders als von MzK angekündigt, um ein Jahr bis 2015 verlängern. Die reinen Baukosten der Variante 6 sollen den Berechnungen der Theaterplaner und der Stadt zufolge mit 253 Millionen zu Buche schlagen. Zum Vergleich: Die letzte, abgespeckte Neubauvarian­te war mit 290 Millionen berechnet. Alle Beteiligten kalkulieren dabei vernünftigerweise nur die reinen Baukosten, weil die Folgekosten unwägbar und deshalb nicht seriös kommunizierbar sind.

Angesichts der Zahlen muss die Bürgerinitiative eingestehen, dass auch sie ungenau gerechnet hat. Ursprünglich hieß es dort, die Sanierung des Quartiers sei für maximal rund 200 Millionen machbar. Vor dem Sanierungsbeschluss im April musste MzK diese Zahl dann auf 230 Millionen nach oben korrigieren. Jetzt sind es noch mal 23 Millionen mehr.

Ökonomisch vernünftig und stadtbiografisch überzeugend

Diesem Eiertanz steht der Er­folg der Bewegung gegenüber. Sie hat gegen den Druck von Ver­waltung und Politik den Nachweis der Machbarkeit erzwungen: Die Sanierung des denkmalgeschützten Riphahn-Ensembles ist möglich – der Kulturdezernent hatte das lange bestritten –, und im Bereich Schauspiel ist sie es auf dem Niveau des Neubaus, der zudem knapp 40 Millionen Euro teurer wäre. Das ist und bleibt ökonomisch vernünftig und stadt­biografisch überzeugend.

Trotzdem ist nicht sicher, dass die Variante 6 in vollem Umfang im Oktober den Rat passieren wird. Die Verwaltung will eine oder mehrere Subvarianten zum Beschluss vorlegen, die auf Kinderoper und Studiobühne zielen: Eine von beiden könne man opfern. Auch ein Kernstück der Variante 6, die neu gewonnenen Lagerflächen, die dem Schauspiel endlich die auch von Seiten der Stadt immer gewünschte Steigerung der Repertoirefähigkeit brin­gen würden, könnten zusätzlich gekippt werden.

Es dürfte klar sein, dass OB Jür­gen Roters (SPD) an einer Variante Interesse hat, die die Kosten nochmals senkt. Für das Schauspiel wären weitere Abstriche an Variante 6 jedoch ein Schlag ins Gesicht – höhnisch angesichts der Ernennung zum besten Theater Deutsch­lands durch zwei der wich­tigsten Fachmagazine in diesem Jahr.