»Die Fäuste zum Himmel« – Petermann-Imitator kurz nach der Ermordung seines Idols

Held der Kuschel-Rebellen

Walter Filz im Gespräch über sein Buch »Der Affe zu Köln«

StadtRevue: Herr Filz, Sie schreiben, der Affe Petermann war der »erste Nachkriegskomiker« der BRD. Wie konnte ein Schimpanse Anfang der 50er Jahre TV-Karriere machen?

Walter Filz: Das hatte mit der ideologischen Unsicherheit nach dem Weltkrieg zu tun. Man wusste nicht, was man komisch finden darf und was nicht. Und es gibt nun mal keinen unverfängli­che­ren Humor als den eines Schimpansen. Der ist sprachlos, da gibt es keine Mehrdeutigkeiten. Insofern ist man in der Stunde Null der Bundesrepublik auch auf dem Level Null des Humors angekom­men.

Ist es Zufall, dass Petermann gerade in Köln so beliebt war?

In Köln ist man stolz auf den eige­nen Humor, kennt aber traditionell so gut wie keinen Wortwitz und keine ironischen Spitzfindigkeiten, wie schon der Bonner Phi­losoph Heinrich Lützeler fest­ge­stellt hat. Der Kölner lacht von Herzen, aber schaltet dabei gern seinen Kopf aus und hat einen Hang zum Derben. Krawall gehört für ihn ebenso dazu wie ein lustvolles Interesse an körperlichen Ausscheidungsvorgängen. Die Grenze hin zum Animalischen ist fließend.

Vor seinem Tod noch die linke Faust gen Himmel gereckt

Ihr Buch nimmt den Fall Petermann auch zum Anlass, eine wenig schmeichelhafte Mentalitätschronik Kölns zu erstellen, die gnadenlos mit kölschen Lieblingsmythen aufräumt. So auch mit dem Mythos von der großen Kölner Toleranz.

Zuerst wollte ich wirklich nur die sensationelle Geschichte von Petermann erzählen. Ein Show-Affe, der, nachdem er in die Affen-Pubertät kommt, 28 Jahre lang im Käfig weggesperrt wird, mit über dreißig noch mal aus dem Zoo ausbricht, den Zoodirektor fast tötet und auf der Flucht erschossen wird. Was für ein Ende! Petermann hat angeblich vor seinem Tod sogar noch die linke Faust gen Himmel gereckt! Aber dann fand ich immer mehr Indizien, dass viel Exemplarisches in diesem Fall steckt. Die Kölner haben mit Petermann eigentlich dasselbe gemacht, was sie auch sonst mit Nicht-Kölnern oder Exoten machen. Eine Art »Scheintoleranz«: man geht auf den Fremden zu, indem man ihm zuallererst einen Fußtritt verpasst.

Einen Fußtritt?

Als erstes stellt der Kölner bei jedem Immi diskriminierend fest: »Du bist ja gar nicht von hier!« Damit ist schon mal klar: Du unten, ich oben. Dann kommt Stufe zwei: »Aber ich hier oben bin ja gar nicht so, ich beuge mich jetzt mal zu dir runter!« Sozusagen die freundliche Form des Kolonialismus. Stufe drei ist der größte Toleranz-Trick der Kölner. Dem Frem­den wird signalisiert »Ich be­schüt­ze dich!«, ohne jedoch die Hierarchie zwischen Beschützer und Beschütztem aufzuheben. Und kurz vor dem Punkt der größten Verbrüderung weist man dann noch mal klar darauf hin: »Du bist ja gar nicht von hier!« Und alles geht wieder von vorne los.

Verklärung zum hinterrücks ermordeten Freiheitskämpfer

Sie diagnostizieren außerdem eine früh ausgeprägte Tendenz zur Provinzialität. Selbst die Südstadt-Protestler der 80er Jahren wären in Wahrheit nur »Sofa-Revolutionäre« gewesen, die sich besonders »dreist« mit Petermann geschmückt hätten. Warum?

Zur besetzten Stollwerck-Fabrik rückten zwar die Bagger an, aber verglichen mit anderen Großstadt-Krawallen, etwa in Berlin-Kreuzberg, ist hier doch nichts passiert! Die linksalternative Südstadt war im Grunde ein vollkommen akzeptierter Zoo von Exoten. Und die Revolution fand hauptsächlich friedlich in der Kneipe statt. Keine Molotow-Cocktails, keine brennenden Autos, keine Straßenkämpfe. Und dann stand am Ende der Schimpanse Petermann zwar nicht auf der Barrikade, aber immerhin vor der Außenmauer des echten Zoos – und wurde erschossen. Das war das Bild, was den Kuschel-Rebellen der Südstadt immer gefehlt hatte. Und sie verklärten Petermann sofort zum hinterrücks ermordeten Freiheitskämpfer.

Aber war da nicht auch Selbstironie im Spiel?

Ein bisschen schon, klar. Aber gleichzeitig machte man sich damit auch rebellischer, als man war. So ähnlich wie in einem Bap-Song damals, der allen Ernstes Nippes und Ehrenfeld mit dem wirklich großen Krisen-Viertel Kreuzberg verglich! Da schwang schon wieder kölscher Größenwahn mit – man sieht irgendwas in der Fremde und behauptet dreist: Ist doch eigentlich genau wie hier!

Walter Filz: Der Affe zu Köln. Oder:
Petermanns Rache. Greven Verlag,
240 Seiten, 16,90 €


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