Wer soll das bezahlen? Chaos vor dem Rathaus

Kein Geld, nur Ärger

Das Prestige-Projekt »Archäologische Zone«

ist zu einer Farce zu verkommen

»Eine international strahlkräftige Wirkung« erhoffte sich Martin Börschel, Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt, noch vor einem halben Jahr von der Archäologischen Zone. Immerhin hat man pannenreiche Jahre hinter sich, seit das Projekt vor zehn Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Auch Anlass zur Verwunderung gibt es, wenn man als Journalist bei der Pressestelle des Projekts anruft, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, und die Chefs persönlich zurückrufen – nur um mitzuteilen, dass sie keine Auskunft geben können.

Die Archäologische Zone ist eines von 64 Projekten der Regio­nale 2010, einem Strukturförder­programm des Landesbauministe­riums für die Region Köln/Bonn, wo Projekte zu Städtebau, Kultur, Verkehr sowie Wissenschaft und Bildung umgesetzt werden. So sollen die Ausgrabun­gen unter dem Rathaus und dem Vorplatz die Kölner Geschichte zeigen. Geplant ist eine Art unterirdische archäologische Schau-Meile, die Grabungsstätten zwischen Rathaus und Altstadt zugänglich macht.

Da sich auf dem Areal bis zum Mittelalter das jüdische Ghetto mit Synagoge befand, sollte ein Jüdisches Museum gebaut werden. Für die Finanzierung wollte ein Freundeskreis sorgen, der aber im Vorjahr absprang. Das war ärgerlich, musste die Stadt doch nun einen neuen Architekturwettbewerb ausschreiben. Denn entgegen den ursprünglichen Plänen hatte man sich für einen Entwurf entschieden, der Museum und Aus­grabun­gen untrennbar miteinander verband. Aus dem wissenschaft­lichen Beirat stiegen immer wieder Experten aus, weil sie die Qua­lifikation des Projektleiters Sven Schütte bezweifelten. Der bekam, ungewöhnlich genug, einen Projektkoordinator zur Seite gestellt.

Unklarheiten bei der Finanzierung

Die Lokalpresse griff das Thema Mitte Oktober auf, nachdem ihr ein Brief des Regionale-Büros an das Ministerium zugespielt worden war. Darin wurden Unklarheiten bei der Finanzierung sowie fehlende Konzepte für die Ausstellung im Jüdischen Museum und die Öffentlichkeitsarbeit kritisiert. Die Journalisten schlagzeilten prompt: »Millionenprojekt gefährdet«. Eine ­typisch kölsche Geschichte, wenn es um Groß­projekte geht?

Dass sich Kulturdezernent Georg Quander nach den Presseberichten vor Schütte stellt und dessen wissenschaftliche Qualifikation nicht anzweifelt, verlangt die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers. Doch ist es seine Überzeugung? Schließlich war Schüt­tes Bestellung als Projektleiter der Archäologischen Zone auch der Tatsache geschuldet, dass er zu­vor erfolgreich gegen seine Kün­digung durch die Stadt geklagt hatte.

Auslöser war ein Streit um anonyme Beleidigungen des damaligen Stadtmuseum-Direktors Werner Schäfke. Später klagte Schütte gegen die Ernennung von Renate Kaymer zur neuen Stadtkonservatorin. Schütte hatte sich ebenfalls um das Amt beworben und fühlte sich benachteiligt. Doch diesmal verlor er vor Gericht. Vor kurzem machte er Schlag­zeilen, weil er in einem Brief an die NRW-Staatskanzlei gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an einen »Kollegen«, den scheidenden Direktor des Römisch-Germanischen-Museums (RGM), Hansgerd Hellen­kemper, polemisierte.

»Besichtigungen vor Ort fanden bislang nicht statt«

Das ist kein guter Stil, und es existieren durchaus Zweifel an Schüttes wissenschaftlicher Kom­petenz. In Kollegenkreisen ist Schütte nicht unumstritten. So werden ihm etwa unbelegte Vordatierungen vorgeworfen, die sich im Wettstreit um das jeweils »Älteste« gut machen. Zufall, dass auch in Köln genau jetzt ein Schlüssel gefunden wurde, der vielleicht zur zerstörten Syna­goge gehört? RGM-Direktor Hellenkemper, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat, hält sich in der Beurteilung zurück. »Es fehlt der große intellektuelle Wurf«, sagt er und kritisiert: »Die Planungen könn­ten schon weiter sein.«

Von den Presseberichten und Quanders Reaktion darauf aufgeschreckt, meldete sich in der November-Sitzung des Kulturausschusses die SPD-Fraktion mit einer Anfrage an die Verwaltung. Denn obwohl SPD-Ratsfrau Monika Möller für ihre Partei an allen Sitzungen des Fachbeirats teilgenommen hat, fühlt sie sich unzureichend informiert. »Es gab lediglich Power-Point-Präsentatio­nen, Besichtigungen vor Ort fanden bislang nicht statt«, sagt sie.

Jetzt will man etwa wissen, was genau die Regionale-Agentur anmahnt und wie weit die Konzepte für die Aus­stellung gediehen sind. Vor allem aber geht es um Geld: Wer bezahlt die Grabungen, wer übernimmt die Trägerschaft, sind Fördermittel beantragt? Unklar ist immer noch, ob die vom Land zugesagten Fördermittel von 14,3 Millionen Euro tatsächlich fließen und wer – nach dem Absprung des Fördervereins – die finanzielle Lücke für das Jüdische Museum schließt. Das sind immerhin rund 22 Millionen Euro.

Quanders Stoßseufzer »Da ist die Stadt nun wohl eher auf sich selbst gestellt« verheißt nichts Gutes. Die Lücke, ließ Regionale-Geschäftsführer Reimar Mo­litor durchblicken, könnte das Pro­jekt Archäologische Zone tatsächlich gefährden.