Politik mit Generator

Im Autonomen Zentrum ist Alltag eingekehrt – bei spärlicher Beleuchtung und Minusgraden.

Wenn der Referent spricht, kann man seinen Atem sehen. Es ist bitterkalt im Parkettsaal des Autonomen Zentrums (AZ) in Kalk. Fünf Grad Celsius zeigt das Thermometer im Foyer an. Die gefühlte Temperatur liegt deutlich darunter. Dennoch ist die Veranstaltung gut besucht. Knapp dreißig Zuhörer sind heute Abend in die Wiersbergstraße 44 gekommen. In der Ecke kämpft ein kleiner rauschender Heizlüfter gegen die Kälte an. Das Gerät schlägt sich wacker, für die weiter entfernt Sitzenden werden aber vorsichtshalber Decken verteilt.

Martin macht in der Organisations-AG des AZ mit und betreut die heutige Abendveranstaltung der Reihe »Linke Basics«. »Wir verwandeln uns gerade von einem besetzten Haus in ein normales AZ. Mittlerweile haben wir Normalbetrieb hier«, sagt er. Normalbetrieb bedeutet: jeden Monat dreißig bis vierzig Konzerte, politische Vorträge, Workshops oder Theateraufführungen. »Das Pensum ist gar nicht so schlecht, und für Januar planen wir auch schon wie­der in dieser Größenordnung.«

Seit es kälter geworden ist, kommt es zu Engpässen

Dass all das nicht so selbstverständlich ist, wie es klingt, zeigt ein Blick auf die jüngere Vergangenheit des AZ. Im Juni rechneten viele hier mit der Räumung. Die blieb zwar aus, aber etwas später wurde die Strom- und Wasserversorgung gekappt. Auch in den vergangenen Wochen gab es Probleme. Die Scheiben der Bibliothek wurden eingeschmissen, der Internetauftritt war zeitweilig gestört.

Dass Normalbetrieb noch nicht so einfach ist, wird deutlich, als plötzlich das Licht ausfällt. »Oh nein! Ist das Benzin leer?«, fragt Martin überrascht. »Nee, die sägen nur Holz­leisten!«, tönt es aus der Dunkelheit zurück. Seit die Sparkasse Köln-Bonn, der das Gelände und die alte KHD-Kantine gehört, dem AZ den Strom abstellen ließ, muss das gesamte Haus mit einem Generator versorgt werden. Im Sommer ist das kaum aufgefallen, aber seit der Strombedarf durch die Kälte gestiegen ist, kommt es zu Engpässen. »Der Generator hat nur zwei Kilowatt, und die Sä­ge braucht einen großen Teil davon«, erklärt Martin den Ausfall. Damit darüber hinaus Beamer und Computer heute mit Strom versorgt werden können, muss die Veranstaltung mit spärlicher Beleuchtung auskommen.

Flachdach als Sammelbecken für Regenwasser

Auch mit der fehlenden Wasserversorgung hat man sich im AZ mittlerweile arrangiert, sagt Laura. Sie arbeitet Vollzeit, ist deshalb nur abends oder am Wochenende hier. Natürlich sei es anfangs ein Schock gewesen, als das Wasser abgestellt wurde. Zumal die Frage im Raum stand, was als nächstes folgen würde. »Doch letztlich sind wir an dieser Herausforderung gewachsen«, sagt Laura. »Wir haben dadurch unheimlich viel gelernt.« Das Flachdach des Gebäudes wird mittlerweile als Sammelbecken für Regenwasser genutzt. Zwei Tanks wurden an das Abwassersystem angeschlossen und fangen Regenwasser auf, damit die Toiletten versorgt werden können und Putzwasser vorhanden ist. So haben die Betreiber aus der Not heraus eine ökologisch sinnvolle Lösung gefunden.

So bleibt Zeit für die wesentlichen Ideen, die man hier umsetzen will. Jan betreut zum Beispiel eine Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt im Erdgeschoss. In dem riesigen Raum befinden sich zudem eine Metall- sowie eine Holzwerkstatt samt Kreissäge. Arbeitsmöglichkeiten für Elektonik und Siebdruck sollen folgen, doch fehlen noch ein paar Regale. Hier ist man ebenso wie bei Fahrradwerkstatt auf Spenden angewiesen. »Eigentlich gibt es die Fahrradselbsthilfe schon länger als das AZ«, erklärt Jan. »Wir haben uns im Rahmen der Kampagne für ein Autonomes Zentrum kennengelernt und zuerst eine mobile Werkstatt betrieben.« Jeder, der will, kann mit seinem Rad vorbeikommen. Die Werkstatt bietet lediglich den Raum, das Werkzeug und natürlich fachkundige Hilfe an. Reparieren muss aber jeder selbst. Dabei gehe es auch um die Idee, »Fahrräder als innerstädtische Alternative zum Auto stark zu machen«, sagt Jan.

Hoffnung auf Legalisierung des Pro­jekts

Im März, so heißt es, werden sich wahrscheinlich die Besitzver­hältnisse ändern. Die Stadt könnte nach derzeitigem Stand das AZ kaufen. Darauf hofft etwa Laura. Denn bisher wird das AZ von der Stadt bloß geduldet – ein sehr un­sicherer Status für die Betreiber. Würde die Stadt Besitzer, könnte eine Legalisierung des Pro­jekts folgen, mit monatlichen Mietzahlungen. Das birgt Diskussions­stoff im AZ: Zwar möchte man einen Kompromiss mit der Stadt schließen, andererseits aber nicht von den eigenen Vorstellun­gen abrücken. Eine vollständi­ge Ver­weigerung wiederum wäre wohl das Aus für langfristige Pläne.

Und natürlich kann auch ein AZ nicht ohne Geld auskommen. »Klar müssen wir uns finanzieren und sind daher froh, wenn die Leute den Eintritt zu Partys zahlen oder ihre Getränke bei uns kaufen«, sagt Martin. »Aber sie müssen es nicht.« Es habe eine Gruppe gegeben, die sich mit »autarker Versorgung« beschäftigt habe, sagt Martin. Aber sein Ding sei das nicht gewesen. Er möchte politische Arbeit machen. Am liebsten wäre ihm, wenn der Strom hierfür aus der Steckdose käme und das Wasser aus dem Hahn. »Aber das ist alles eine Frage der persönlichen Priori­täten«, sagt Martin. »Und die sind hier glücklicherweise unterschiedlich verteilt.«