Foto: Manfred Wegener

Vom Jahrmarkt ins Museum

Der ehemalige Cinemaxx-Vorstand Hans-Joachim Flebbe will in Köln ein Premium-Kino eröffnen: Liegt im Luxus die Zukunft des Filmerlebnisses?

Die Zukunft des Kinos ist seit ein paar Jahren Dauerthema auf Symposien, im Feuilleton und sogar in der Politik. Diskutiert wird jedoch meist nur, wie Filme künftig projiziert werden: Wie lange wird es dauern, bis sich die digitale Technik flächendeckend durchgesetzt hat? Wird 2D oder 3D auf der Leinwand dominieren? Weniger im Fokus steht, wie die Kinos aussehen werden und welches Publikum sie ansprechen sollen.

Eins ist sicher: Die Kinobesucher werden älter. 1987 waren 61,6 Prozent jünger als 25 Jahre, 2006 noch 42,7 Prozent. Zugleich verdoppelte sich der Anteil der Kinobesucher, die 35 Jahre oder älter waren (von 18,3 auf 34,1 Prozent). Nirgendwo ist der Anstieg größer als bei den über 60-Jährigen. Ihr Anteil verdreifachte sich fast, auch wenn er insgesamt immer noch nur bei ungefähr fünf Prozent liegt.

 

Mit einem beengten Sitzplatz, dafür aber umso üppigeren Popcorneimer ist die Klientel 35 plus kaum zufriedenzustellen. Eine Reaktion darauf sind sogenannte Premium- oder Luxus-Kinos. Seit 2008 bietet etwa in den USA die Kette Gold Class Cinemas seinen Kunden Einzelsessel mit Fußstützen und Beistelltisch, Bedienung am Platz und ein Getränke- und Speisenangebot auf Restaurantniveau. In Berlin öffnete vor einem Jahr nach einer 800.000 Euro teuren Renovierung der denkmalgeschützte ehemalige Filmpalast am Kudamm unter dem Namen Astor Filmlounge als Premium-Kino neu.

Dahinter steckt eine neue Firma des Cinemaxx-Mitbegründers Hans-Joachim Flebbe, der mit seinem Konzept im In- und Ausland expandieren möchte. Unter anderem sucht er seit Anfang 2009 in Köln nach einer geeigneten Immobilie (siehe Kasten). Auch andere Filmtheaterbetreiber springen mittlerweile auf den Zug auf. In München soll etwa der Gloria Palast von der Firma Kinopolis zur Luxusadresse umgewandelt werden.

Flebbe geht es um das bildungsbürgerliche Publikum, das bereit ist, Eintrittspreise zwischen zehn und zwanzig Euro zu zahlen, wenn Leistung und Service stimmen. Das wirkt sich natürlich auf die Programmgestaltung aus. »Jackass 3D« wird sicher nicht in einem Premium-Kino zu sehen sein, aber ebenso wenig Lars von Triers »Antichrist« oder die meisten Cannes-Gewinner der letzten Jahre (Ausnahme: »Das weiße Band«). Flebbe nennt sein Programm »anspruchsvollen Mainstream«: In der Astor Filmlounge laufen Filme wie ­»Goethe!« und »The Tourist«, aber auch der neue »Harry Potter«. In Sonntagsmatinees dürfen es auch mal bekannte Klassiker im 70mm-Format sein.

Man kann diese Luxuskinos als elitäre Pseudo-Kulturtempel verdammen oder als Erweiterung des Ausgeh-Angebots begrüßen. Was sie nüchtern betrachtet zeigen, ist, dass das Kino als Kunst- und Kulturform seine Schrittmacherfunktion verloren hat. War es im zwanzigsten Jahrhundert Schauplatz der jüngsten und dynamischsten Kunstform, ist es im einundzwanzigsten nur noch der »Flagship Store« des audiovisuellen Erlebnisses, wie Harun Farocki es kürzlich auf den Punkt brachte.

In die Sammlungen großer Museen haben es Filme schon länger geschafft, jetzt wird auch das alltägliche Kinoerlebnis zum musealen Ereignis: in perfekt renovierten alten Prachtbauten und fern von Chaos und Lärm der Straße. Aber auch fern von deren Lebendigkeit und Unberechenbarkeit.