Nach der Erschöpfungs­depres­sion kann die Zukunft der Bühnen be­ginnen (Gundars Abolins als »Oblomow« in der aktuellen Inszenierung in der Halle Kalk); Foto: Hermann und Clärchen Baus

Ende gut, Ausgang offen

Köln hat mit dem Beschluss zu Sanierung und Interim der

Bühnen das jüngste Kulturpolitik-Debakel beendet. Kehrt jetzt Ruhe ein? ­

Alexander Haas hat gemischte Gefühle

Blickt man auf die Geschichte des jüngsten Kapitels Kölner Kulturpolitik zurück, kann man festhalten: Die Entscheidung über die Bühnen dürfte in die Annalen der Stadt eingehen. Zum einen, weil das Ganze schlicht so lange dauerte und so viele Wendungen nahm, dass irgendwann kaum jemand mehr durchgeblickt hat (Wer kann die letzten sechs Bühnen-Bauvarianten auf Kommando benennen?). Zum anderen, weil im Laufe der Causa Opernquartier der kulturpolitische Flurschaden erneut bis an die Grenzen der Republik vorangetrieben wurde. Man zeigte mal wieder mit dem Finger auf Köln.

 

Am 1. März setzte der Rat einen vorläufigen Schlusspunkt hinter die lange Reihe von Debatten, Beschlüssen und Ränkespielen zwischen Politik, Verwaltung, Bürgerbewegung und Kulturszene samt Intendanten. Er beschloss die bauliche Lösun­g, außerdem entschied er über die Interimszeit 2012 bis 2015 für Oper und Schauspiel, während der die Mutterhäuser am Offen­bachplatz saniert werden. Damit kommt das im April 2010 gefasste Ratsvotum, Oper und Schauspielhaus zu sanieren, zum Abschluss. Der ursprünglich beschlossene Schau­spielhaus-Neubau war durch das Bürgerbegehren »Mut zu Kultur« verhindert worden, seitdem hatten Politik, Verwaltung, Bühnen und Bürgervertreter am »Runden Tisch« getagt.

 

Was die Sanierung betrifft, hat man sich jetzt auf die Variante 6.0 geeinigt. Sie umfasst die Sanierung der Oper, des Schauspielhauses und die neu zu bauenden Nebenspielstätten für Schauspiel (Kleines Haus) und Oper (Kinderoper). Die Kosten dafür wurden auf 253 Millionen Euro limitiert. Die Lösung bedeutet einen Erfolg für beide Intendanten: Schauspielchefin Karin Beier erhält eine Kleine Bühne in den sanierten Opernterrassen, Opernchef Uwe Eric Laufenberg eine Kinder­oper, die unter den kleinen Offenbachplatz gebaut wird. In der Frage des Interims beschloss der Rat für die Oper die Anmietung des Musical Dome als feste Spielstätte von 2012 bis 2015 – auch hier setzte sich Laufenberg durch, gemeinsam mit Generalmusik­direktor Markus Stenz. Beide hatten gedroht, Köln zu verlassen, wenn sie den Dome nicht bekämen. Das Schauspiel zieht 2012 und 2013 vertragsgemäß in die Expo-Hallen am Gladbacher Wall. Auf Antrag der Grünen beschloss der Rat, dass die Verwaltung ein Konzept erarbeitet, wo das Schauspiel 2014 und 2015 spielen wird. Der letzte Vorschlag lautet, dass es pro Spielzeit zwei Inszenierungen im Musical Dome herausbringen könnte, um Kosten zu sparen. Insgesamt soll das Bühnen-Interim nicht mehr als 41 Millionen Euro kosten.

 

Hätte man das alles nicht schon früher haben können? Man hätte. Die von Karin Beier und »Mut zu Kultur« bevorzugte Variante 6.0 lag seit ungefähr einem Jahr auf dem Tisch. Doch die SPD war dagegen und brachte nahezu im Wochentakt neue Prüf-Varianten in den Prozess ein. Ihr Hauptargument: In kommunalen Krisenzei­ten müsse auch bei der Kultur gespart werden. Deshalb wollte sie die Sanierungskosten auf 240 Millionen Euro begrenzen und die Interimskosten um 15 Prozent reduzieren. Hinter den Kulissen jedoch wog ein anderes Argument schwer: Die Partei habe es der Allianz aus Karin Beier und Bürgerbewegung nicht verziehen, dass sie ihr mit dem Sanierungsbeschluss eine Niederlage beigebracht hat. Beier selbst hat diese Sichtweise lange nur hinter vorgehaltener Hand geteilt, äußerte sich zuletzt aber ganz offen: »Es geht um Gesichtsverlust und um Macht«, sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger kurz vor der entscheidenden Ratssitzung. Auch die Einrichtung des Runden Tisches hatte die SPD nur hingenommen, weil sie mit dem Rücken zur Wand stand.

 

Am Ende kassierte die SPD eine zweifache Niederlage. Sie verlor die Ratsabstimmung über Sanierung und Interim, obendrein war sie gespalten in die Anhängerschaft um Fraktionschef Martin Börschel einerseits und OB Jürgen Roters andererseits. Nach dem bun­desweit registrierten Gesichtsverlust durch seine innerhalb von 24 Stunden gescheiterte Idee, Karin Beier schon 2012 zu entlassen und Uwe Eric Laufenberg bis 2015 zum Generalintendanten von Oper und Schau­spiel zu machen, hatte Roters sich sehr rasch für die Variante 6.0 und den Musical Dome ausgesprochen. Börschel und Anhänger standen alleine da. Außer seiner Partei und der Linken, die – gepaart mit einem obsoleten Anti-Hochkultur-Affekt – ebenfalls zum Sparen aufrief, sprachen sich im Rat alle Fraktio­nen für die beiden Beschlussvarianten der Verwaltung aus. Zusätzlich wurde auf Antrag der Grünen ein strenges Kostencontrolling für die komplette Umsetzung der 6.0-Variante verabschiedet.

 

Man sollte den Aufruf, dass auch die Kultur sparen müsse, nicht arrogant vom Tisch wischen. Nur: Sie hat es bereits getan. Die Sanierung des Schauspielhauses bedeutet gegenüber dem Neubau rund vierzig Millionen Euro weniger Ausgaben. Der Betriebskostenzuschuss der Bühnen wurde um 1,3 Millionen Euro gekürzt. Irgendwann sollte man sich entscheiden, was man will: Gut ausgestattete und funktions- und repertoirefähige städtische Bühnen oder fortwährenden Kulturbürokratismus und Kaputtsparen. Wer der zweiten Option anhängt, darf sich nicht wundern, wenn erfolgreiche Kulturmacher die Stadt entnervt verlassen – die sich darüber hinaus, man ist müde, es zu wiederholen, zum Gespött der Kulturrepublik macht.

 

Die Sanierung bedeutet gegenüber  dem Neubau
rund vierzig Millionen  Euro weniger Ausgaben

 

Es gibt Grund zu hoffen, dass eine geradezu absurd gewundene Phase städtischer Kulturpolitik jetzt zu Ende gegangen ist. Die erreichte Lösung sollte es Schauspiel und Oper ermöglichen, einigermaßen gesichert durch die Interimszeit zu kommen und das Publikum bei der Stange zu halten. Der Vertrag von Opernintendant Laufenberg läuft bis 2016, sein Haus verzeichnete zuletzt eine hervorragende Auslastung und bei der Kritik wachsendes Lob. Künstlerisch hat er die Oper, gemessen an der letzten Intendanz Christoph Dammanns, deutlich nach vorne gebracht. Wenn alles so kommt wie jetzt beschlossen, sagt Laufenberg auf  Nachfrage, wäre er bereit, seinen Vertrag zu verlängern. Ob Karin Beier ihre Kölner Intendanz erst 2014 aufgibt – dann würde sie eigenem Bekunden nach ein Jahr lang die Häuser in Köln und Hamburg gemeinsam leiten – oder bereits 2013 ihre Zelte hier abbricht, war bei Redaktionsschluss offen. Die Doppel-Leitung dürfte eine Herkulesaufgabe sein angesichts des Neustarts in Hamburg – eine zu frühe Stabübergabe an die Kölner Folgeintendanz indes könnte angesichts der verfahrenen Vorgeschichte und Verhältnisse in der Stadt riskant sein.

 

Kulturdezernent Georg Quander jedenfalls steht mit der Entscheidung über die Intendanten-Nachfolge vor einer Schwerstaufgabe. Ob er sie meistern wird, ist ungewiss. Bei der Auswahl Beiers vor vier Jahren bewies er eine glückliche Hand; in der Auseinandersetzung um die Bühnen zeigte er sich immer wieder unentschlossen und musste den Strategien der Politik zuletzt tatenlos zusehen. Bei der künftigen Intendanz steht, nach der Erfolgstory Karin Beier, viel auf dem Spiel. Die Intendantin unterschied immer fein zwischen Köln und Köln: Hier die Politik, die es ihr schwerer nicht hätte machen können, dort das solidarische, theaterbegeisterte Publikum. Über diese spezifische Situation muss und wird sich jeder Bewerber im Klaren sein.