Widerstand gegen Hafenausbau: Ginge es nach der SPD, müssten die Gegner für einen Stopp 115.000 Kölner an die Wahlurne bringen; Foto: Manfred Wegener

Dr. Pillemann von der SPD

Der Streit währt seit den 80er Jahren. Jetzt soll eine Bürgerbefragung über die Zukunft des Godorfer Hafens entscheiden

Martin Börschel gilt als gewiefter Stratege im politischen Geschäft. Der Chef der SPD-Fraktion im Rat der Stadt verwunderte nun Gegner wie Verbündete mit einem Vorstoß: Die Kölner sollen der Politik die Entscheidung in einer der am heftigsten debattierten wirtschafts- und umweltpolitischen Fragen abnehmen. In einer Bürgerbefragung will die SPD über den Ausbau des Godorfer Hafens entscheiden lassen.

 

Haben Börschel und Genossen von den »Wutbürgern« und Stuttgart 21 gelernt? Die Ausbaugegner vermuten eine weitere Finte, denn die SPD forciert seit Jahren den Ausbau, in einer Phalanx aus DGB, Industrie- und Handelskammer sowie der SPD-dominierten städtischen Gesellschaft Häfen und Güterverkehr Köln (HGK). Die Rede ist von Arbeitsplätzen und davon, die »wichtige Position als Güterverkehrsknotenpunkt von europäischem Format« zu behaupten.

 

Der grüne Koalitionspartner aber will nicht folgen. Ebenso wie die Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen will er den Kahlschlag des Naturschutzgebiets verhindern. Auch wirtschaftlich sei das Projekt falsch, so die Gegner. Denn der Hafen in Niehl biete genug Reserveflächen, um zusätzliche 100.000 Quadratmeter für den Containerumschlag bereitzustellen. Einig sind sich SPD und Grüne bloß darin, dass man das Thema vom Tisch haben will, denn es belastet die Koalition.

 

Die Debatte spaltet nicht nur die politischen Lager – die CDU will den Ausbau, die FDP nicht –, sondern auch die Fraktionen. So liebäugelte die Linke anfangs noch mit einem Ausbau, ist nun aber dagegen. Und die CDU hat Abweichler in ihren Reihen – die Ratsherren aus dem Kölner Süden können ihren Wählern den Hafenausbau in der Nachbarschaft nicht schmackhaft machen.

 

Deshalb ist die Aktionsgemeinschaft parteipolitisch bunt gemischt. Helmut Feld, selbst CDU-Mitglied, betont, er habe beste Kontakte zu den Grünen und der FDP, auch mit der Linken sei er im Gespräch. Zwar fürchte er eine Bürgerbefragung nicht, doch das Angebot der SPD sei »eine vergiftete Pille«, sagt Feld. Er fordert, dass bei der Befragung das nötige Quorum – also die Anzahl der Stimmen, die für eine Entscheidung abgegeben werden muss, damit die Wahl gilt  – von zwanzig auf zehn Prozent der Wahlberechtigten gesenkt werde.

 

Das wären in Köln immer noch gut 77.000 Stimmen. Zum Vergleich: Bei einem Bürgerbegehren, das später aus formalen Gründen nicht anerkannt wurde, sammelte die Initiative vor vier Jahren 38.000 Unterschriften. Die rot-grüne Landesregierung plant die Quoren insgesamt zu senken, einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat sie bereits eingebracht.

 

»Die Kölner SPD-Führung stellt sich offenbar gegen diesen rot-grünen Vorschlag und möchte die Bürgerbefragung noch vor der Gesetzesänderung durchführen«, sagt Jörg Frank, Fraktionsvize der Grünen. Er fordert, das Quorum abzuschaffen. Sonst sei schon die Fragestellung entscheidend – entweder müssten Befürworter oder Gegner eines Projekts die hohe Zahl an Ja-Stimmen zusammenbringen.

 

Auch Feld ist der sozialdemokratische Zeitdruck verdächtig. Man wolle viel lieber das in Auftrag gegebene Logistikkonzept abwarten, sagt er. Sein Mitstreiter Klaus Otto Fruhner (CDU) sieht das genauso. Dem ehemaligen Kölner Wirtschaftsdezernenten wurde in seiner Amtszeit ein allzu wirtschaftsfreundlicher Kurs nachgesagt, der Aspekte der Stadtgestaltung und des Umweltschutzes vernachlässige. Nun streitet Fruhner gegen den Ausbau. Wie die Grünen fordert er ein »regional ausgerichtetes Logistikkonzept«, das nicht nur die Kölner Häfen in den Blick nehme, sondern die Standorte der gesamten Region Köln, Bonn, Düsseldorf und Neuss. Die Verwaltung wurde im Februar vom Rat mit einem so­l­chen Logistikkonzept beauftragt. Ginge es nach dem SPD-Vorschlag, würden die Ergebnisse der Untersuchung von Stadtverwaltung und HGK aber nicht mehr abgewartet, kritisiert die Aktionsgemeinschaft.

 

Zudem steht noch eine gerichtliche Entscheidung aus, die die Befragung überflüssig machen könnte. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte 2010 in zweiter Instanz einen vorläufigen Baustopp bestätigt, weil es formale Fehler bei den Planfeststellungsbeschlüssen gegeben hatte. Eine abschließende Entscheidung wird für den Sommer erwartet.

 

Dennoch haben alle Fraktionen Zustimmung für die Befragung signalisiert. Anfang März könnte der Rat den Beschluss für eine Wahl am 19. Juni fassen. Noch aber gibt es genug Anlässe, sich über Termin, Prozedere und Quorum zu streiten. Der entscheidende Punkt aber führt den SPD-Vorschlag grundsätzlich ad absurdum: Das Ergebnis der Bürgerbefragung wäre juristisch nicht bindend – letztlich entscheidet der Rat.