Schadstofffrei erziehen: Grünen-Politikerin Kirsten Jahn, Foto: Manfred Wegener

Toben und Tollen mit Phthalaten

Kinder kommen in Kitas und Schulen mit gefährlichen eichmachern in Berührung. Die Stadt will nun handeln.

In rund 570 städtischen und privaten Kölner Kitas spielen, malen und toben Kinder – während die Eltern sie in guten Händen wähnen. Die Kinder aber können in der Kita Schadstoffe aufnehmen, etwa Phthalate, also hormonell wirksame Stoffe, die zwar nicht akut giftig sind, aber langfristig Leber und Niere schädigen und bei Kleinkindern die sexuelle Entwicklung stören. Phthalate werden sprödem PVC zugemischt, damit er biegsam und weich wird. Diese Weichmacher sind im Kunststoff jedoch nicht fixiert, können entweichen und vom Körper aufgenommen werden.

 

 »Unsere Kinder sollen aber möglichst schadstofffrei aufwachsen«, fordert Kirsten Jahn, Ratsmitglied der Grünen in Köln und jugendpolitische Sprecherin. Die Mutter von drei Kindern will die Belastung mit hormonell wirkenden Stoffen schrittweise senken: Kitas sollen nur noch Spielzeuge, Stühle oder Tischtücher neu einkaufen, die frei von solchen Substanzen sind. In Kitas soll also künftig auf den Kunststoff PVC verzichtet werden.

 

Angestoßen hat die Debatte der Bund für Naturschutz und Umwelt Deutschland, kurz BUND. Der Verband analysiert bundesweit im Auftrag von Kitas, wie hoch der Staub mit diesen Stoffen belastet ist. Bis zum 9. März nutzten 45 Kitas das Angebot. Ein Berliner Prüfinstitut testete jede Staubprobe auf sieben Phthalate – und wurde immer fündig. In 19 Proben fanden sich in einem Kilogramm Staub sogar mehr als ein Gramm des giftigen Diethylhexylphthalat (DEHP). An diesen Mengen sterbe zwar kein Kind, weiß Sarah Häuser vom BUND. Sie hält diese Belastung dennoch für bedenklich: »Hormonelle Schadstoffe können bereits in sehr geringen Mengen die körperliche Entwicklung durcheinander bringen.«

 

Die Staubproben zeigen aber auch, dass die Belastung niedrig gehalten werden kann. »Verzichtet eine Einrichtung auf PVC-haltige Fußbodenbeläge und Einrichtungsgegenstände, finden die Prüfer tendenziell auch weniger Weichmacher«, erklärt Sarah Häuser. Der BUND fordert von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), diese Weichmacher aus allen Produkten zu verbannen, mit denen Kinder in Berührung kommen – also etwa aus Spielzeugen, aber auch aus Bodenbelägen, Tapeten, Turnmatten, Matratzenbezügen, Gymnastikbällen oder Möbeln. Ob die Ministerin wunschgemäß reagiert, ist ungewiss.

 

Allerdings kann jede Kommune selbst bestimmen, was sie für ihre eigenen Gebäude einkauft. Die Kölner Grünen wollen, dass der städtische Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie bald – vielleicht schon Ende März – aktiv wird. »Der Ausschuss soll dem Gesundheitsamt das Mandat geben, eine Empfehlungsliste zu erstellen«, erklärt Jahn. Das Amt soll also eine Positiv-Liste mit unbedenklichen Materialien herausgeben. Viele Kitas würden zwar heute schon versuchen, unbedenkliche Möbel und Spielzeuge einzukaufen, sagt die Grünen-Politikerin. Solch eine Liste, die informiert, ohne Vorschriften zu machen, könnte aber viele Entscheidungen erleichtern. Jahn zufolge warten die Träger bereits auf solche Orientierungshilfen – etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband, der in Köln rund 120 Kitas berät.

 

Mit einer Zustimmung im Ausschuss rechnet Gerhard Wiesmüller, Umweltmediziner im Gesundheitsamt. Denn Kölner Politiker seien sich der Gefahr von Schadstoffen in Innenräumen schon lange bewusst. So versucht die Stadt seit mehr als zwanzig Jahren, Gebäude mit möglichst geringer Schadstoffbelastung zu bauen; seit 1990 dürfen kein PVC-Böden mehr verlegt werden, da aus dem Kunststoff bei Bränden giftige Salzsäure entsteht und sich krebserregende Dioxine bilden. Eine Positiv-Liste sei schnell erstellt, glaubt Wiesmüller. Die Stadt hat vorgearbeitet und 2007 eine entsprechende Liste für Bauprodukte wie Dämm- und Klebstoffe, für Rohre oder Spachtelmassen erlassen.

 

Das Gesundheitsamt nehme die Weichmacher-Belastung in Kitas und Schulen ernst, betontWiesmüller. Eine erste eigene Untersuchung habe bereits stattgefunden. Wo, verrät er nicht. Auch der BUND nennt keine Namen von Kitas: »Wir wollen keine Einrichtung an den Pranger stellen«, erklärt Häuser. Diese sind in einer schwierigen Position. Zum einen kann man den Produkten oft nicht ansehen, ob sie solche Stoffe enthalten. Zum andern kommen Kinder auch im Elternhaus mit solchen Schadstoffen in Kontakt und bringen diese über Gummistiefel oder Regenhosen in die Kitas. Dass noch viel Aufklärung notwendig ist, wissen auch Jahn und Wiesmüller.