Der Kölner Süden in Aufruhr: Bürger protestieren gegen die Zerstörung des Naturschutzgebietes Sürther Aue, Foto: Manfred Wegener

Der Rat entdeckt den Bürger ­

Nach jahrzehntelangem Parteiengezänk sollen nun die Kölner über den Ausbau des Godorfer Hafens ab­stimmen

Erstmals soll in Köln über eine stadtpolitische Frage direkt abgestimmt werden: Aller Voraussicht nach am 10. Juli können die Kölner über den Ausbau des Godorfer Hafens in Sürth entscheiden. Der Streit über die Erweiterung schwelt seit mehr als einem Vierteljahrhundert, längst belastet die Debatte die rot-grüne Koalition im Rathaus. Die SPD will aus wirtschaftlichen Gründen den Hafen ausbauen, Unterstützung dafür kommt von der CDU. Die Grünen versuchen mit FDP und Linke, dass Projekt zu verhindern. Sie glauben, ebenso wie die Initiative »Aktionsbündnis Contra Erweiterung Godorfer Hafen«, die benötigten Kapazitäten für den Containerumschlag könne der Niehler Hafen bereitstellen.

 

Zudem sehen die Gegner das Naturschutzgebiet Sürther Aue durch Bau und Betrieb eines neuen Hafenbeckens gefährdet. SPD und CDU hatten vor drei Jahren bereits einen Beschluss für die Hafenerweiterung gefasst. Diesen hat das Oberverwaltungsgericht Münster zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen zwischenzeitlich gestoppt. Ein neues Verfahren, das die Auflagen des Gerichts berücksichtigte, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich.
Nun aber hat der Rat der Stadt Anfang März mit den Stim­men von SPD, Grünen und Linken die Bürgerbefragung beschlossen. »Soll der Godorfer Hafen weiter ausgebaut werden?« wird auf den Stimmzetteln stehen. Der Rat hatte zuvor darüber gestritten, wie hoch die Wahlbeteiligung sein muss, damit die Abstimmung anerkannt wird. In dieser Frage ist die SPD ihren Kritikern entgegengekommen: Bedingung für die Gültigkeit der Bürgerbefragung ist nun, dass nicht zwanzig, sondern lediglich zehn Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben.

 

Weil – anders als bei Kommunal- und Landtagswahlen – alle Menschen über 16 Jahre teilnehmen dürfen und zudem jene, die nicht aus EU-Staaten stammen, sind das rund 92.000 Stimmen. Ist diese Zahl erreicht, gilt die einfache Mehrheit. Zwar ist die Bürgerbefragung rechtlich nicht bindend, allerdings hat die SPD-Fraktion bereits versichert, sich freiwillig an das Abstimmungsergebnis zu halten.

 

Den Ausbaugegnern im Kölner Süden sind das immer noch zu viele Vorbedingungen, sie plädierten für einen Wegfall des Zustimmungsquorums. Genauso wie die FDP-Fraktion im Rat, die eben deshalb gegen die Bürgerbefragung stimmte. Die »Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen« kritisierte zudem, dass die Stadt noch die Ergebnisse eines Logistikkonzeptes hätte abwarten müssen.

 

Abzuwarten bleibt, was passiert, wenn die Gegner mehr Stimmen erreichen, jedoch nicht das Quorum. Ob SPD und CDU dann an ihrem Beschluss von 2008 festhalten, den Hafen auszubauen?

 

So ist fraglich, ob die über ein Vierteljahrhundert währende Debatte also tatsächlich bald entschieden ist. Außerdem will die CDU gegen die Bürgerbefragung klagen. Nach ihrer Auffassung verstoße das Verfahren gegen die Gemeindeordnung. Linke und Thor Zimmermann von Deine Freunde hatten gefordert, zunächst die Gemeindeordnung zu ändern und außerdem das in Auftrag gegebene Logistikkonzept abzuwarten.