Sind jetzt superentspannt: John Stanier, Ian Williams, Dave Konopka (von links), Foto: Wintergreen

Nach der Erstarrung

Battles haben nach Tour-Marathon und Band-Krise ihr zweites Album aufgenommen, und das ist bekanntlich immer das schwierigste

Es ist das alte Lied. Das von den Aggregatzuständen des Rockers, den schwierigen Übergängen von einem Status zum anderen. Die dabei üblichen psychischen Komplikationen treten auch heute noch auf, selbst bei Bands, die sich der Überwindung der ehernen Rock-Gesetze verschrieben haben und etwa mit Hilfe hybridmo­torischer Gitarre-Elektronik-Cyborgs an einem neuen »Körper« arbeiten, der das olle Format Rockband überwinden soll.

 

Das Lied gilt tatsächlich auch für einen Maschinenmann wie John Stanier. »Wir sind definitiv nicht Led Zeppelin«, sagt der für seine beängstigend präzise Mechanik bekannte Battles-Drummer,  der in den 90er Jahren als Rhythmustriebwerk von Helmet fungierte. Und er sagt es mit etwas Bedauern in der Stimme. »Zeppelin tourten mit Platte Nummer zwei, schrieben unterwegs Platte Nummer drei und nahmen sie mit der Mobile-Crew der Rolling Stones auf, tourten weiter mit Nummer zwei, dann kam Album Nummer drei heraus, sie tourten einfach immer noch weiter und stellten die Shows auf das neue Material um. So etwas könnten wir nie machen.«

 

Trotz dieser Erkenntnis – am Prinzip des Spiels hat sich seit den großen Zeiten des 70er-Prog- und Heavy Rock wenig verändert. Battles waren mit ihrem über­raschend erfolgreichen Debüt »Mir­rored« (2007) über zwei ­Jahre pausenlos unterwegs. Sie spielten mit demselben Programm drei Festivalsommer nacheinander in Europa und den USA, dazwischen in Südamerika, Südostasien und abseits von den sommerlichen Musikfesten immer wieder Clubtouren.

 

Nach dieser Phase war das Umschalten auf Sesshaftigkeit und Studiomodus alles andere als leicht. Der Übergang kam tatsächlich einer Erstarrung gleich, der neue Zustand wurde schnell als unerträgliche Last empfunden. Stanier: »Es gab eine unglaubliche Menge an Druck während der Arbeit an unserem zweiten Album. In unseren Leben passierten persönliche Katastrophen, einige davon am Anfang der Aufnahmen, andere am Ende. Es war eine finstere und deprimierende Zeit. Aber letztendlich haben wir es geschafft, all diese negativen Dinge in etwas Positives zu verwandeln. Und das Ergebnis ist ziemlich umwerfend, finde ich.«

 

»Gloss Drop«, dieses schwierige zweite Album, das abermals auf Warp erscheint, wurde von Stanier und den Gitarristen Ian Williams und Dave ­Konopka schließlich in Trioformation eingespielt. Nicht mehr dabei ist Mul­tiinstrumentalist ­Tyondai Brax­ton, der, obwohl Battles nie einen klassischen Pop-Sänger in den Vordergrund stellten, als Mann am Mikrofon und am Pitchshifter im Bandgefüge für das charismati­sche Element stand. Von einem Tag auf den anderen sei er weg gewesen, erzählt Stanier. Es habe vorher schon nicht mehr richtig funktioniert, mit dem bis dahin in einem quälenden Prozess aufgenomme­nen Material sei keiner von den Vieren wirklich zufrieden gewesen. Und so hatte auch Stanier den Spaß verloren, oder er war ihm von den Umständen gründlich ver­dorben worden. »Aber ich wollte mir davon nicht mein Leben kaputt machen lassen. Ich musste wieder Kontrolle über mein eigenes Schicksal übernehmen.«

 

Jetzt, wo das geschafft ist, wird er nicht müde zu betonen, wie wichtig »fun« als Antrieb für Battles ist. »Es ist echt cool, zu versuchen, etwas völlig Neues zu machen, dabei aber auch den Spaß nicht zu vergessen. Es sollte nicht immer alles so ernst sein. Warum muss es mühsam und hochintellektuell sein, die Grenzen der Musik zu erweitern? Warum kann das keinen Spaß machen? Das sollte es doch!« Stanier wirft den Kopf zurück und lacht lauthals, wie um seine wieder gewonnene Freude an der Sache zu beweisen, er feiert die Offenheit, die schon und gerade die frühesten Tage seiner Band kennzeichnete und die noch immer gilt.

 

Die ersten Auftritte – »ein Desaster« – hatte man noch zusammen mit einem zehnköpfigen Mädchenchor absolviert. Die Leerstelle am Mikrofon wird nun mit einem Reigen von GastsängerInnen gefüllt: Matias Aguayo, Kazu Makino von Blonde Redhead, Yamantaka Eye von Boredoms und als unerwarteter Stargast Gary Numan. Das Ergebnis bekommt durch diese Vielstimmigkeit unweigerlich ein wenig Mixtape-Charakter und wirkt nicht so schlüssig wie der Erstling. Aber es ist bemerkenswert, wie passgenau all die unterschiedlichen Stimmen auf den nervösen Rhythmen und flirrenden Melodiefetzen der Band sitzen.

 

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass Stanier für Battles die leicht abgeschmackte Rockklassik von Led Zeppelin als Maßstab zitiert. Gibt es irgendetwas, das mehr out ist, als hochgezüchteter, extrem virtuoser, pompöser Rock? Da ist ein toter Winkel im Rückspiegel, und doch erwischt man die Battles noch an einem Zipfel Rock, der im postmodernen Referenzreigen ziemlich unbeachtet geblieben ist. Stanier spricht vom »P-Wort«. »Na los, sag’s schon!«, fordert er provozierend, weil er es selbst nicht mehr hören kann. Er meint das Wort »prätentiös« – protzig, manieriert, überheblich, anmaßend.

 

Aber mit uncoolen Vergleichsmaßstäben und unschönen P-Attributen muss wohl leben, wer Alles-ist-möglich als musi­kalisches Prinzip ausgerufen hat. »Wenn du für dich selbst Grenzen hochziehst, wird es schwierig, irgendwann deine achte Platte aufzunehmen. Aber wenn du vom ersten Tag an keine Grenzen akzeptierst, kann daraus alles Mögliche entstehen. Es geht nicht darum, mit jeder Platte die vorige zu übertreffen, sondern nur um die Frage: Wohin als nächstes? Und diese Tür steht uns immer offen, sie tat es vom ersten Tag an. Also gewinne ich!« Sagt er, wirft den Kopf in den Nacken und lacht.