Hinter der Tür verstaut er die Reste seiner Rock-Vergangenheit: David Grubbs

Feinstaub

David Grubbs zermahlt Rock-Klischees mit allergrößter Sanftheit

Also, es war mal so, dass ich auch nicht so super auf David Grubbs zu sprechen war. Das ist aber schon länger her. Aber damals, etwa zurzeit, als er sein erstes Soloalbum veröffentlichte, »Banana Cabbage, Potato Lettuce, Onion Orange« (1997), kam er mir prätentiös und auch noch verkniffen vor: das Indie-Kid, das jetzt schwer auf Avantgarde macht. Ein ehemaliger Mitstreiter Grubbs’, der tatsächlich »Avantgarde« war und sich als Jugendlicher mehr mit Neuer Musik und komischen Geräuschen als mit, naja, Sie wissen schon?… beschäftigte, rollte die Augen. Und ich warf ein: Vielleicht will er, also Grubbs, der Morton Feldman des Indie-Rocks werden.

 

Da mussten wir lachen, denn das ist natürlich absurd. Morton Feldman! Rock! Definiere das kras­seste Gegensatzpaar. Dort superbeiläufig gesetzte Töne, endlos gewobene Motivketten, die ganz unmerklich variieren, vielleicht die sachteste (irgendwie auch arroganteste) Musik des 20. Jahrhundert. Hier Kraft, Energie, Stumpfschlagzeug, verzückte Jugend. Und Grubbs, der Sänger, Gitarrist, Poet, Konzeptkünstler, Chicagoer Gentleman und als ganz junger Mensch tatsächlich ein wütender Rocker (Bastro!),  machte sich daran, die Synthese irgendwie zu wagen: hingetupfte Musik, maximal verhuscht, als müsste er auf dem Griffbrett seiner Klampfe wirklich die allerletzten Töne zusammensuchen.

 

Aber das Schöne an Grubbs war und ist immer noch, dass er das ernst meinte, das war keine Attitüde. Mitte der 90er Jahre war es ja ein bisschen Mode, als Indie-Rocker den Neutöner zu geben, mal »mutig« zu experimentieren. Grubbs ist aber sehr geradlinig seinen Weg gegangen, er ist dabei entspannter geworden, und aber auch noch strenger. Er muss nicht mehr den schwer vergrübelten Mega-Innovator geben, und genau darüber ist er ein großer ­Innovator geworden. Heitere Gelassenheit. Jemand, der Rock und Blues tief in sich aufgesogen hat und auch niemals den rohen Postpunk seiner Jugend diskreditieren würde und der doch diese Styles regelrecht pulverisiert, sie zerstäubt. Eigentlich ist seine Musik dieser Staub. Feinstaub.

 

Wenn er mit seinen italienischen Freunden Andrea Belfi (Schlagzeug) und Stefano Pilia (ebenfalls Gitarre) spielt – Sind das noch Improvisationen? Ist das tatsächlich Morton Feldman auf Wiedervorlage? – dann ist das kein Staub mehr. Sondern ein Netz, ein unfassbar fragiles. Man steht ganz dicht davor, so dass man einzelne Maschen sehen (spüren) kann, aber nicht die gesamte Struktur. Der Reiz besteht darin, zu ahnen, dass es diese Struktur wirklich geben muss.

 

Kann das sein? Eine Musik, die klar und einfach ist und trotzdem unübersichtlich? Okay, ich gestehe, es tut mir leid, jemals über Grubbs gelästert zu haben.

 

Tonträger: Belfi?/?Grubbs?/?Pilia, ­»Onrushing Cloud« (Drag City).