Foto: Manfred Wegener

Der Traum von der Mitbestimmung

Das Beteiligungsmodell bei Fortuna Köln funktioniert nicht so, wie es die Fans erwarten

Auf das Besondere an seinem Verein angesprochen muss Ralf Neuer (Name geändert) nicht lange überlegen. »Die Stimmung ist entspannt, man ist nah dran am Spielfeld«, sagt der 42-Jährige. Sein Verein, das ist Fortuna Köln. Ein kleiner Klub aus der Südstadt, stets im Schatten des großen FC. Zu den Heimspielen kommen 500 bis 1000 Menschen, die Stimmung ist familiär. »Fortuna hat sich diesen ganz speziellen Charme bewahrt«, sagt Neuer.

Letztmalig in den Schlagzeilen war der langjährige Zweitligist im April 2008, als der damals finanziell angeschlagene Traditionsverein ein in Deutschland bis dahin einmaliges Modell vorstellte: 30.000 Anhänger sollten zu Teilhabern werden und den von der Zweiten Liga in die fünfhöchste Spielklasse abgestürzten Verein mit 39,95 Euro pro Saison unterstützen – und im Gegenzug über die Internet-plattform »dein-fussballclub.de« (DFC) Mitsprachrecht bei wichtigen Entscheidungen, Mannschaftsaufstellung und Transfers haben. Von einer Graswurzelrevolution war die Rede, von einer historischen Umwälzung. Statt Konzern-Deals und Verkauf des Stadionnamens sollten die Anhänger die Zukunft des Vereins sichern. Anfang 2009 wurde das Projekt mit 12.000 Mitgliedern vorzeitig gestartet.

Sportlich läuft es, das Beteiligungsmodell lahmt

Zwei Jahre später hat sich die Fortuna, auch durch das Beteiligungsmodell, konsolidiert. Auch sportlich gibt es endlich wieder Positives zu vermelden. Fortuna Köln hat den Aufstieg in die vierthöchste Liga geschafft, die Regionalliga. »Das ist wichtig, weil wir jetzt auch wieder überregional wahrgenommen werden«, erklärt Burkhard Mathiak, Pressesprecher der aus dem Stammverein ausgegliederten Spielbetriebsgemeinschaft DFC.

Auch Neuer freut sich über den Aufstieg. Auf den DFC dagegen ist er nicht so gut zu sprechen: »Ich bin Mitglied geworden, weil ich dachte, hier kann man mitbestimmen. Das ist aber leider nicht so«, sagt er. Zwar sei auf der Homepage nach wie vor von «mehr Mitbestimmung« und »mehr Transparenz« die Rede, die Realität sehe aber anders aus, sagt Neuer.

Wenn es um Neuverpflichtungen geht, würden die Verträge schon vorher geschlossen, und erst danach zur Abstimmung gestellt. Die Aufstellung kann man zwar vor jedem Spiel einreichen – zumindest aber Ex-Trainer Matthias Mink hat sich nie danach gerichtet, klagt Neuer. »Und bei brisanten Themen wird getrickst.«Bei der Mitgliederbefragung über einen neuen Abstimmungsmodus hängte der DFC eine Stellungnahme an, in der die logistischen Schwierigkeiten kritisiert wurden. Bei einer anderen Abstimmung sei die Lage über Nacht komplett gekippt. Ein unbekanntes Mitglied hatte Massen-Mails verschickt und darin um Beteiligung gebeten, erzählt Neuer.

»Die Anspruchshaltung einiger Mitglieder ist zu hoch«

Burkhard Mathiak kann die Vorwürfe verstehen. »Die Anspruchshaltung einiger Mitglieder ist hoch«, sagt er, und er meint: zu hoch. Man habe die Grenzen der Transparenz und Mitbestimmung kennengelernt. »Bei Spon-soring funktioniert das nicht. Sponsoren stellen sich keiner Stimmung«, sagt er. Auch Transfers seien schwierig. »Wenn wir mit einem Spieler verhandeln, dürfen wir nicht zu viel preisgeben, sonst verschlechtert sich unsere Verhandlungsposition«, erklärt Mathiak. Und das mit der Mannschaftsaufstellung sei schlicht nicht realisierbar. »Natürlich ist die Umsetzung schwer«, räumt Neuer ein. »Der Anspruch war mal, dass die Mitglieder Co-Trainer sind. Davon ist nichts mehr übrig geblieben. Man sollte da das richtige Etikett draufkleben.«

Das Problem ist ein strukturelles: »Wir stecken zwischen diesen beiden Polen, zwischen traditionellem Fußballverein und modernem Wirtschaftsunternehmen. Wenn wir sportlichen Erfolg wollen, müssen wir Abstriche bei der Transparenz machen«, sagt Mathiak. Auch andere Vereine haben diese Erfahrung machen müssen. Bei Ebsfleet United, dem englischen Vorbild für das Beteiligungskonzept, ist die Mitgliederzahl von 28.000 auf rund 3000 gesunken. Tasmania Berlin hat sein »MyTas«-Projekt nach nur kurzer Zeit beendet.

Parallelen zum FC St. Pauli

Bei der Fortuna wird der ohnehin schon geringe Einfluss durch den Aufstieg weiter sinken. Letzte Saison lag der Etat bei einer Million Euro. Auch wenn die Verantwortlichen sich nicht äußern, ist klar, dass er dieses Jahr um einiges höher erhöht wird. Aus den Mitgliedsbeiträgen wandern rund dreißig Euro direkt an den DFC – bei nurmehr 7400 verbliebenen Teilhabern ein kleiner Betrag im Gesamtbudget. »Ein erkleckliches Zubrot«, sagt Mathiak.

Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte der neue Coach Uwe Koschinat, Fortuna habe in seinen Augen inzwischen etwas vom FC St. Pauli. Er hat nicht ganz Unrecht. Auch der Kiezclub kokettiert gerne mit einem »anderen« Fußball. Das mag in punkto Umfeld und Anhänger stimmen – aber sowohl der Hamburger als auch der Kölner Stadtteilklub sind letztlich bloß gewinnorientierte Unternehmen.