Ganz egal, was die Bürger wollen: SPD und CDU bauen den Godorfer Hafen aus<br>Foto: Manfred Wegener

Verlierer als Bestimmer

Bei der Einwohnerbefragung haben die Gegner der Hafenerweiterung die Mehrheit erreicht, trotzdem wird gebaut. Der Tiefpunkt vorgetäuschter Bürgerbeteiligung, meint Bernd Wilberg

 

Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Mit dieser berüchtigten Floskel beenden schlechte Zuhörer ein Gespräch, wenn sie gar nicht wissen wollten, was der andere zu sagen hat. Gut, dass wir darüber abgestimmt haben – das könnten nun die Befürworter des Hafenausbaus in Godorf den Gegnern zurufen. Soll heißen: Was eure Meinung ist, interessiert uns eigentlich nicht. Denn obgleich sich knapp 73.000 Kölner gegen den Ausbau entschieden haben und nur gut 57.000 dafür, wird die Erweiterung kommen: ein neues Hafenbecken mitten im Naturschutzgebiet Sürther Aue, von dem danach nicht mehr viel übrig sein wird. 

 

SPD und CDU, die Befürworter des 65-Millionen-Euro-Projekts, wollen gleich nach der Sommerpause loslegen und in der Ratssitzung am 13. Oktober einen Bebauungsplan beschließen. Die IHK und der DGB, die Häfen und Güterverkehr Köln AG und die DuMont-Presse applaudieren. Fatal ist, welches Signal sie damit aussenden. Die Botschaft lautet: Wir fragen die Bürger und entscheiden dann trotzdem anders. Das können SPD und CDU, denn sie haben im Rat die nötige Stimmenmehrheit.

 

Das dürfen sie sogar, juristisch spricht nichts dagegen. Denn zum einen ist das Ergebnis der Einwohnerbefragung nicht bindend. Zum anderen haben ja die Ausbaugegner bei der Abstimmung nicht das zuvor festgelegte Quorum erreicht; jene zehn Prozent der Stimmen aller zur Wahl zugelassenen Einwohner, die der Gewinner der Abstimmung mindestens erreichen musste. So war es im Rat der Stadt von SPD, Grünen, Linke und Deine Freunde vereinbart worden. Etwas mehr als 15.000 Stimmen gegen einen Ausbau fehlten am Ende, um dieses Quorum zu erreichen. 

 

Die Hürde des Quorums bestand bloß für die Ausbaugegner

 

Dabei ist ein Quorum an sich schon unsinnig: Warum sollte jemand, der nicht wählen will, davor bewahrt werden, dass diejenigen, die zur Wahl gehen, entscheiden dürfen? Durch das Kölner Ergebnis kommt es jedoch zu einem noch größeren Widerspruch: Obwohl niemand das Quorum erreicht hat, sind die Verlierer die Sieger dieser Wahl-Groteske.

 

Denn so bleibt es in der Sache nun bei einem Beschluss von SPD und CDU aus dem Jahr 2004, der formalrechtlich vom Verwaltungsgericht kassiert wurde. Die Hürde des Quorums bestand also bloß für die Ausbaugegner. Sie mussten das Quorum erreichen, die Befürworter nicht, wie sich jetzt gezeigt hat. 

 

Niedrige Wahlbeteiligung ist eine Niederlage der Politik

 

Es ist der Offenbarungseid einer Politik, die bloß vorgibt, gemeinsam mit den Bürgern entscheiden zu wollen. Diese Einwohnerbefragung verdeutlicht, welche Vorstellung SPD und CDU von Bürgerbeteiligung haben. Oberbürgermeister Jürgen Roters, Wirtschaftsdezernentin Ute Berg und andere Sozialdemokraten beeilten sich, noch vor Verkündung des amtlichen Endergebnisses, verstärkter Bürgerbeteiligung für die Zukunft eine Absage zu erteilen. Die Bürger hätten kein Interesse an neuen Beteiligungsformen, die Bürger wollten die Entscheidungen viel lieber zurück in den Rat und seine Ausschüsse delegieren. Mit der gleichen hanebüchenen Logik ließe sich argumentieren, Wahlen abzuschaffen, weil die Beteiligung immer geringer wird. 

 

Dass nur 14,8 Prozent der Wahlberechtigten an der Kölner Abstimmung teilnahmen, spricht in Wirklichkeit nicht gegen Bürgerbeteiligung, sondern bloß gegen jene Schwundstufe demokratischer Teilhabe, die den Bürgern hier als Form unmittelbarer politischer Mitbestimmung präsentiert wurde. Wenn Roters eine Beteiligung von 14,8 Prozent zu wenig sind, dann ist das in erster Linie die Niederlage der Politik.

 

Diese Abstimmung sollte nie eine  Bürgerbeteiligung sein

 

Denn es wäre deren Aufgabe gewesen, die Bürger zu mobilisieren. Das aber konnte bei diesem Vorgehen gar nicht gelingen: Diese Abstimmung sollte nie eine  Bürgerbeteiligung sein, sondern bloß als Kitt für die auseinanderbrechende rot-grüne Koalition fungieren. Die Einwohnerbefragung als Notnagel eines parteipolitischen Patts zwischen SPD und Grünen, kaschiert als gönnerhafte Bürgerbeteiligung – das ist keine gute Idee.

 

Natürlich darf man auch fragen, warum nicht trotzdem mehr Kölner abgestimmt haben. Noch bei keiner stadtpolitischen Entscheidung war es so einfach, sich zu informieren. Aber Bürgerbeteiligung bedeutet eben mehr als Pro- und Kontra-Statements ins Internet zu stellen. Bürgerbeteiligung ist ein Prozess; der ist mühsam, zeitaufwendig und erfordert die aufrichtige Absicht, Interessen abzugleichen.  

 

Positivbeispiel Zürich

 

Ein Blick über den Tellerrand könnte helfen. In Zürich zum Beispiel wird seit vier Jahren die Durchmesserlinie gebaut, und es wird noch vier Jahre dauern: ein gigantisches Bahnprojekt mit fünf Kilometer langem Tunnel, einem Durchgangsbahnhof und zwei neuen Brückenbauwerken. Rechtzeitig wurden die Einwohner befragt, Bedenken ernst genommen, nachgebessert. Nennenswerte Proteste blieben bislang auch deshalb aus.

 

Bei dem vergleichbar kleinen Projekt des Hafenausbaus in Godorf werden trotz der Abstimmung vom Juli die Proteste weiter anhalten. Und der Unmut wird sich nicht nur gegen das Projekt richten, sondern zunehmend gegen jene Politiker, die Bürgerbeteiligung als modische Phrase missbrauchen, weil sie annehmen, ihre Entscheidungen so geschmeidiger durchsetzen zu können.