Reue in Bronze
Wenn Häuser einstürzen, weil ihnen unsachgemäß der Boden entzogen wurde, entstehen Verluste. Menschen sterben, und die Nutzer verlieren nicht nur die dort untergebrachten Dinge, sondern auch das Vertrauen in die für die Sachmäßigkeit Zuständigen. Im Fall des Kölner Stadtarchivs musste erst das Schreckliche passieren, damit Verbesserungen eine Chance bekommen – durch den Beschluss zur Errichtung eines hochmodernen Neubaus, in dem die geretteten Archivalien sowie die Kölner Kunst- und Museumsbibliothek und das Rheinische Bildarchiv endlich angemessenen Raum bekommen. Und wie sieht er nun aus, der Blick in die Zukunft?
Vierzig Architektenteams haben sich in einem Wettbewerb der anspruchsvollen Aufgabe angenommen, einen mit vielfältigen Anforderungen an Technik und Nutzung versehenen Neubau zu entwerfen. Errichtet werden soll er an einem städtebaulich bisher kaum definierten Ort zwischen Eifelwall, Luxemburger Straße und geplanter Grüngürtelerweiterung. Die Vorgabe lautete: eine energieoptimierte, hoch funktionale bauliche Zusammenfassung der drei Institutionen zu dem »modernsten und sichersten Kommunalarchiv Europas«, das Wissenschaftler, Studenten und Bürger durch seine einladende Gestaltung anspricht.
Mitte Juni entschied sich das 16-köpfige Preisgericht für den Entwurf des Darmstädter Büros Waechter + Waechter, und um es gleich zu sagen: Dessen Entwurf glänzt nicht, weil er die typologischen und städtebaulichen Anforderungen so gut erfüllt, sondern glimmt eher mit pathetischem Reue-Gestus. Denn eines ist nun klar: Das Vertrauen soll mit einem Planungsvorhaben wiedergewonnen werden, das die besondere Nutzbarkeit durch den Bürger vortäuscht. Der Entwurf sei »zwar unspektakulär, aber wirkungsvoll«, hieß es bei der Präsentation. Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) ließ sich gar zu dem historisch besetzten Begriff »Wiedergutmachung« hinreißen. Und meinte damit nicht viel mehr als die Sichtbarmachung der Buße in Form eines architektonisch indifferenten Zeichens.
Baubronze, ein spezieller Messing, verkleidet ein siebengeschossiges »auratisches Schatzhaus« für die geretteten Archivalien. Dieses soll, wurde erläutert, durch seine Fernwirkung und die schillernde Hülle die Würdigung des Kulturguts im Gedenken an die Katastrophe darstellen und Stabilität vermitteln. Umfasst wird der Magazinbau von zwei Lichthöfen und einem viergeschossigen Gebäudekomplex für Werkstätten, Verwaltung, die Kunst- und Museumsbibliothek mit Schreib- und Leseplätzen sowie Cafeteria. Dass dieser Baukörper sich unklar, ohne raumdefinierende Kante zur mehrspurigen Luxemburger Straße verhält, ist beabsichtigt, denn hier soll ein städtischer Platz entstehen. Doch ist ohne bauliche Abgrenzung eine einladende Aufenthaltszone zu erwarten?
Ja, Menschen stehen auf große Gesten und sehnen sich nach Geborgenheit – doch werden diese Bedürfnisse nicht durch DIN-Normen und Blechhütten mit einer untergeschobenen Tiefgarage befriedigt. Was wir brauchen, sind Räume, deren Atmosphäre eine bestimmte Nutzung uneingeschränkt ermöglichen. Da es sich um ein »Kulturzentrum der Dokumentation und Forschung« als Auftakt des im städtebaulichen Masterplan vorgesehenen Wissensparks handelt, muss man sich hier informieren und vor allem konzentriert arbeiten können. Die jetzt prämierte Innenraumgestaltung aber erinnert an eine lichtdurchflutete, multimediale Lounge mit Ausstellungsmöbeln für Coffee-Table-Books; die starke Trennung zwischen Archiv- und Bibliotheksbereich dürfte sich in der Nutzung sicherlich kontraproduktiv auswirken.
Dass es besser geht, zeigt der lediglich mit einer Anerkennung honorierte Entwurf des Schweizer Architekten Max Dudler. Basierend auf einer typologischen Analyse der Tradition städtischer Kulturbauten, überträgt er die Anforderungen in eine zeitgemäße und konsequente Architektursprache. Insbesondere der gebäudehohe, beeindruckend möblierte Lesesaal überzeugt neben seiner Dimension auch mit seiner Organisation, einer angemessenen Zugänglichkeit der Bestände, einer besonderen Atmosphäre. Dieser Raum würde eher als das pseudo-plakative »Schatzhaus« eine »auratische« Wirkung entfalten und Lust am Kulturgut entfachen.
Leider entgeht Köln mit der Entscheidung für Waechter + Waechter ein solches Forschungs- und Raumerlebnis und somit ein ernstzunehmendes architektonisches Zeichen. Stattdessen ist nun ein mittelmäßiger Bau zu erwarten. Den ersten Kaffee im neuen Forschungszentrum prophezeit Baudezernent Bernd Streitberger optimistisch für 2015.