Vater, Ratsherr und Fahrradfahrer: Thor Zimmermann vor der Ehrenfelder Moschee, Foto: Manfred Wegener

»Wir sind immer noch Exoten«

Vor zwei Jahren zog Thor Zimmermann für die Wählergruppe

Deine Freunde in den Kölner Stadtrat ein

Thor Zimmermann hat einen bunten Aufkleber auf seinem Fahrrad. »Bauwens-Adenauer-Park am Heliosturm fordern Deine Freunde« steht da. Ja, ja, sagt Zimmermann. Die Zukunft des Heliosgeländes, das Dauerthema in Ehrenfeld. Und das Dauerthema für »Deine Freunde«, die Ehrenfelder Wählergruppe. Wo sich Moschee, Aldi und die Shell-Tankstelle gegenüberstehen, haben wir uns getroffen, um eine kleine Runde mit dem Fahrrad durchs Veedel zu drehen. Durch sein Veedel, die Wiege seiner Wählergruppe »Deine Freunde«, seine politische Heimat.

 

»So glücklich bin ich damit gar nicht. Viele von uns kommen von hier, aber wir wollen nicht nur als Ehrenfelder Liste wahrgenommen werden, sondern als Kölner Liste. Wir waren stark involviert bei der Sanierung vom Schauspielhaus oder beim Godorfer Hafen. Häufig werden wir aber immer noch aufs Helios­gelände reduziert.«

 

Zwei Jahre ist es her, dass die Wählergruppe »Deine Freunde« mit 2911 Stimmen in den Rat einzog. Der in Oslo geborene und in Süddeutschland aufgewachsene Zimmermann wurde Ratsherr. Eine neue Ära für den ehemaligen Germanistik- und Spa­nischstudenten. Trotzdem, zu hoch möchte er sein Ehrenamt nicht hängen.

 

»Ich arbeite in einem Bilderrahmenladen, das kommt als erstes. Dann kommt immer noch im Nebenberuf mein Online-Shop, und dann, ach ja, bin ich auch noch Ratsmitglied. Ich bin stolz darauf, für einen Wimpernschlag der Geschichte Ratsherr in einer 2000 Jahre alten Stadt zu sein. Aber ich würde nie als erstes sagen: Guten Tag, Thor Zimmermann, Rats­mitglied. Wie klingt das denn?«

 

Als er das sagt, haben wir einen seiner Lieblingsorte in Ehrenfeld schon wieder hinter uns gelassen, den kleinen Minigolf-Platz des Kölner MC an der Inneren Kanalstraße. Über die kleinen Straßen zwischen Venloer und Subbelrather kommen wir zur Körnerstraße. Hier hatte er bis vor zwei Jahren einen Krimskrams-Laden, jetzt macht er nur noch Online-Versand. Überhaupt, die Zeit. Zimmermann ist Ende Juni Vater geworden.

 

»Da muss man Pflöcke einschlagen. Früher habe ich mich gefreut, wenn ich mal eine Einladung zum Häppchen bekommen habe, jetzt könnte ich fast jeden Tag drei, vier Veranstaltungen mitnehmen. Aber das mache ich nicht. Natürlich gibt es da Leute, die sagen: Du hast dich dafür entschieden, jetzt musst du auch. Ich sage: Ja, aber nur bis Freitag, 17.30 Uhr. Wenn’s da nicht reinpasst, passt es nicht rein. Dann klopft doch bei den Grünen an, oder bei der SPD.«

 

Weiter geht’s, vorbei am Kwatta-Park, dem Brüsseler Platz Ehrenfelds, zu den eher unaufregenden Ecken zwischen Weinsbergstraße und Venloer. Das ist ihm wichtig, auch hier lang zu fahren. Das hippe Ehrenfeld der Kreativwirtschaft ist ja nur ein kleiner Ausschnitt. Das ganz normale Ehrenfeld gibt es auch noch. Apropos normal: Sind »Deine Freunde« mittlerweile eigentlich im politischen Establishment Kölns angekommen?

 

»Wenn ich mir unsere Mitgliederversammlungen anschaue, sind wir immer noch Exoten. Bei uns wird geraucht und getrunken, meist in Kneipen. Es ist immer noch ein Freundeskreis, der sich trifft. Wir haben keine Kampfabstimmungen, das meiste wird im Konsens entschieden. Und: Wir haben nichts zu verlieren: Wir können Forderungen wie die nach der autofreien Stadt in all ihrer Radikalität bringen, das können die Grünen nicht mehr. Ich habe so eine Art Jokerrolle. Ich muss die Koalition nicht tragen, ich kann mit Freude am 13. Oktober gegen die Hafenerweiterung stimmen, ohne Krach mit der SPD zu kriegen.«

 

Letzter Stopp: Heliosgelände. Also doch. Das Underground ist noch zu, wir setzen uns trotzdem in den Biergarten. So lange man da noch sitzen kann, wer weiß. Noch so ein Lieblingsort von Zim­mermann. Das Underground hat eröffnet, als er gerade nach Ehrenfeld gezogen ist. Eine aufregende Zeit, wenn man vom Land kommt und die Großstadt sich endlich so gibt, wie sie sollte: wild und gefährlich. Zeit für eine letzte Frage: Was war das größte Aha-Erlebnis im Rat?

 

»Ich bin überzeugter Radfahrer. Das ist vielleicht naiv, aber im Rat habe ich gemerkt: Das mit dem Fahrradfahren ist gar nicht common sense in der Stadt. Die große Mehrheit steht immer noch hinterm Auto. Als ich erwähnt habe, dass ich gar keinen Führerschein habe, gab es Gelächter im Saal. Da bin ich dann nicht nur Exot, da bin ich Freak. Aber das muss man hinnehmen, dass eine FDP für Gelände-Limousinen in der Innenstadt steht. Das ist bitter. Aber die haben ja auch Rechte.«

 

Abschied am Underground. Eigentlich hätten wir auch noch zur Vogelsanger fahren sollen, fällt Zimmermann ein. Da hat er seine erste Ehrenfelder Wohnung gehabt. Mit Kohleofen, und Etagenklo fürs ganze Haus. Na ja, machen wir dann einfach beim Wiedereinzug in den Rat in drei Jahren.