Andere Klamotten, gleiche Parolen: Friedensdemo im Bonner Hofgarten 1981, Foto: Hartmund Lohmeyer /Joker

Wie damals bei den Sowjets

Am ersten Dezember-Wochenende findet in Bonn die zweite Afghanistan-Konferenz statt

Es wird geklotzt, nicht gekleckert. Die größte internationale Konferenz soll es werden, die das Auswärtige Amt jemals ausgerichtet hat. Auf dem Bonner Petersberg werden am 5. Dezember rund hundert internationale Delegationen erwartet, um über das weitere Vorgehen in Afghanistan zu beraten. Das Datum ist bewusst gewählt. Am 5. Dezember 2001 ging die erste Afghanistan-Konferenz in Bonn mit der Unterzeichnung des »Petersberg-Abkommens« zu Ende. Darin hatten der Westen, die Vereinten Nationen und afghanische Repräsentanten nach der Bombardierung des Landes und der Entmachtung der Taliban einen Fahrplan zum Aufbau demokratischer Strukturen festgelegt. Zehn Jahre sind seitdem vergangen.

 

Fragt man hinter den Kulissen der Berliner Regierungsapparate nach Afghanistan, hört man immer wieder: Der Westen hat den Krieg faktisch verloren. Der Einfluss des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai reicht nach wie vor kaum über die Hauptstadt hinaus, die Wirtschaft liegt am Boden – mit Ausnahme der Opiumproduktion. Aufständische haben weite Teile des Landes unter Kontrolle, obwohl die Nato ihre eigenen Truppen sowie die Armee und Polizei Afghanistans massiv aufgestockt hat. Die Dorfmilizen, mit denen die Nato gegen die Aufständischen kooperiert, terrorisieren die Bevölkerung. Und weil niemand auf Dauer die dreistelligen Milliardenbeträge zahlen will, die der Krieg jährlich verschlingt, bereitet die Nato den Abzug vor. Experten wie Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network fühlen sich an das Jahr 1989 erinnert, als die Sowjets ihre Truppen heimholten. Nur wenig später versank das ruinierte Land endgültig im Bürgerkrieg, bis Mitte der 90er Jahre die Taliban ihren Siegeszug antraten.

 

Wie geht’s weiter? Sieht man von offiziellen Stellungnahmen ab, die Ruttig und viele andere als blanken »Zweckoptimismus« einstufen, dann schälen sich zwei Elemente heraus: Zum einen wird verhandelt; erst unlängst moderierte Michael Steiner, Berlins Afghanistan-Beauftragter, in Deutschland Geheimgespräche zwischen den USA und den Taliban. Zum anderen haben westliche Sondereinheiten ihre Tötungsaktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Aufständische verstärkt, um vor dem Abzug noch möglichst viele Feinde auszuschalten. Vor kurzem resümierte der Berliner Think-Tank »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP): »Das ›gezielte Töten‹ in großem Stil ist, so scheint es, zur letzten Hoffnung in Afghanistan geworden.«

 

Vieles spricht dafür, dass die Nato den Großteil ihrer Truppen bis 2014 abzieht, sich aber auf Dauer mit einer kleinen fünfstelligen Zahl Spezialtruppen am Hindukusch festsetzen wird. Dort soll die Kabuler Regierung dann das Desaster in eigener Regie verwalten. Wie das gehen soll, ist unklar. Offiziell soll die Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember in Bonn Antworten liefern. Dass sie hehre Pläne und mutige Worte beschließen wird, darauf kann man sich verlassen. Dass den Beschlüssen aber ein größerer Erfolg beschieden sein wird als den großspurigen Ankündigungen von 2001, darauf deutet wenig hin.

 

Unter dem Motto »Truppen raus aus Afghanistan!« mobilisiert ein breites Bündnis für den 5. Dezember und das Wochenende davor zu Protesten. »Wir fordern die umgehende Einstellung aller Kampfhandlungen!«, heißt es in einem Aufruf, der von zahlreichen Organisationen der Antikriegs- und Friedensbewegung, von kirchlichen Gruppen, von der Interventionistischen Linken, von Attac und Teilen der Gewerkschaften unterstützt wird. Einig ist man sich, trotz aller Unterschiede in vielen anderen Fragen, in der Ablehnung kriegerischer Gewalt – und darin, dass die finanziellen Mittel, die heute das Militär verschlingt, für den zivilen Wiederaufbau Afghanistans eingesetzt werden sollen.

 

Wird Afghanistan nicht völlig im Chaos versinken, wenn die Nato abzieht? Vielleicht. Dass allerdings eine militärische Besatzung nur zusätzliche Gewalt bringt, ohne eine Lösung zu eröffnen, das haben die letzten zehn Jahre bewiesen. Afghanistan war im Vergleich zu heute ein blühendes Land, bis Mitte 1979 die USA, Ende 1979 die Sowjetunion und in den 80er Jahren auch mehrere westeuropäische Staaten sich geheimdienstlich und militärisch einzumischen begannen. »Man kann einen solchen Krieg, wie ihn der Westen am Hindukusch führt, nicht straflos in die Welt setzen«, sagt Werner Rätz vom Attac-Koordinierungskreis: »Nur der Abzug der Nato kann überhaupt zu einem Frieden führen, auch wenn dieser nicht sofort zu haben sein sollte. Dadurch, dass man den Nato-Krieg verlängert, wird überhaupt nichts besser.« Ohnehin ist es bitter genug, dass für die Einmischung des Westens schon lange die afghanische Bevölkerung leiden muss.