Neue Häuser braucht das Land: Demo vor dem Rathaus, Foto: Manfred Wegener

»Wo sind wir sicher?«

Die Landesregierung unterstützt die Gründung eines dritten Frauenhauses – die Stadt zeigt sich verhalten

»Als die Faust einen Zentimeter neben meiner Wirbelsäule landete, dachte ich: Jetzt müssen wir sofort weg«, erzählt die 38-jährige Cigdem (Name geändert), die vor drei Monaten aus Norddeutschland nach Köln geflüchtet ist. Zehn Jahre lang hat sie die Gewaltausbrüche, Demütigungen und sexuellen Übergriffe ihres Ehemannes ertragen – aus Angst, dass alles noch schlimmer wird. »Ich konnte nicht mehr. Ich rannte zur Kita und schnappte meine Kinder. Mein einziger Gedanke war: Wo sind wir sicher?«, erinnert sie sich. Vier Stunden habe sie auf einem Spielplatz gesessen und nachgedacht. »Ich hatte nichts. Keine Pässe, Kleider, persönliche Sachen. Nur meine Kinder und unser Leben.«

 

Dennoch hat Cigdem Glück gehabt. Sie hat Schutz im anonymen Frauenhaus in Köln gefunden, weit weg von ihrem Heimatort. Landesweit 5730 Frauen, davon 1450 in Köln, erging es anders. Sie wurden im vergangenen Jahr wegen Überfüllung abgewiesen. Derzeit haben die beiden Kölner Einrichtungen 50 Plätze für Frauen samt Kindern zur Verfügung. Laut einer EU-Empfehlung müssten es proportional zur Einwohnerinnenzahl jedoch 133 Plätze sein.

 

»Wir sind in einer absoluten Notlage, wir brauchen dringend Plätze. Jede Abweisung kann Leben kosten«, sagt Claudia Schrimpf vom Trägerverein »Frauen helfen Frauen«, der seit Jahren für eine weitere Einrichtung kämpft. Auch die bestehenden Häuser sind laut Schrimpf unterfinanziert und räumlich nicht adäquat für ein enges Zusammenleben während einer Krisensituation. Die Landesregierung hat die Dringlichkeit der Kölner Frauen erkannt und eine Teilfinanzierung für ein drittes Haus zugesagt – sofern die Stadt Köln die komplementäre Finanzierung trägt.

 

»Die Zahl sollte für sich sprechen: Ein Drittel aller Abweisungen fällt auf Köln«, sagt Marlis Bredehorst (Grüne), frühere Kölner Sozialdezernentin und jetzt Staatssekretärin im NRW-Sozialministerium. Damit die Gründung eines weiteren Hauses nicht an der Stadt Köln scheitert, hat sie mit einem Schreiben an den Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) appelliert. »Die Antwort war jedoch sehr verhalten«, so Bredehorst.

 

Für Überraschung sorgte die FDP, die in der letzten Ratssitzung Mitte November einen Antrag stellte, die Finanzierung der beiden Häuser sicherzustellen und ein drittes Haus zu etablieren. Die Entscheidung wurde in den nächsten Sozialausschuss Mitte Januar vertagt, bis dahin soll die Verwaltung nach Wunsch von CDU, SPD und Grüne »valide Zahlen« ermitteln. Für Claudia Schrimpf bleibt die Situation ärgerlich. »Jede einzelne Frau, die abgewiesen wird, ist zu viel. Alle Parteien bekunden ihren politischen Willen uns zu unterstützen, in der Finanzierung spiegelt sich das jedoch nicht wider.«

 

Freie Plätze in NRW können über frauen-info-netz.de erfragt werden