Bundesweit bekannt: Ludger Büter, Foto: Manfred Wegener

Handyfotos von der Kloschüssel

Ludger Büter schlichtet Streit in Studenten-WGs

Man hat es nicht leicht als Student: volle Hörsäle, volle Stundenpläne – und im WG-Zimmer raubt einem der Krach aus dem Nebenraum die Ruhe. Ein häufiges Problem, denn seinen Mitbewohner kann man sich nicht aussuchen, will man günstig in einem der Wohnheime des Kölner Studentenwerks leben.

 

Dreckiges Geschirr, herumliegende Wäsche, laute Musik – es sind die Ärgernisse des Alltags, deretwegen sich Studenten an Ludger Büter wenden. Seit über dreißig Jahren arbeitet der 59-Jährige in der Psycho-Sozialen Beratung der Universität Köln. Als sich 2009 die Beschwerden in den Wohnheimen häuften, fragte man Büter, ob er aushelfen könne. Der Diplom-Psychologe betreut seitdem bis zu vierzig WGs pro Jahr. Für ihn gilt: »Es kann alles mal passieren. Wenn jemand aber ständig nachts heimkommt und mit den Kumpels das Gelage fortsetzt oder die Vorräte der anderen aufbraucht, dann ist eine Grenze überschritten.«

 

Beschwert sich ein Mieter beim Verwalter des Wohnheims oder direkt bei Büter, lädt der zum Gespräch: »Wichtig ist, dass die ersten Gespräche immer einzeln mit den Bewohnern geführt werden. Sonst beschuldigen sich alle gegenseitig und es entsteht Chaos.« Erst später werden die Streithähne zusammengeführt, um gemeinsam Regeln für das Zusammenleben aufzustellen, die auch schriftlich festgehalten werden. Genaue Formulierungen seien für Akademiker entscheidend, weiß Büter, »damit klar ist, woran sich jeder zu halten hat – und es keine Ausreden gibt!«

 

Oft seien es Racheakte, die zerstrittene WG-Bewohner aneinander vollzögen. Da würden dann als Strafe für die herumliegenden Bierflaschen des Wohngenossen schon mal kampfeslus­tig Haare im Abfluss platziert. Und um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, würde schon mal die mit dem Handy fotografierte Kloschüssel zur Beweisführung herangezogen. Frauen seien in der Regel die nachtragenderen Mitbewohner, meint Büter. Männer versöhnten sich schneller wieder und trügen ihre Aggressionen offen aus. »Ich habe allerdings auch schon Frauen erlebt, die aufeinander einschlugen – mit Handspiegeln und Fäusten.«

 

Die Erfolgsquote seiner Arbeit liege bei einem Drittel, schätzt der Mediator. In einem weiteren Drittel der Fälle könne zumindest ein »Waffenstillstand« erreicht und sich geeinigt werden, Provokationen zu unterlassen. Bei den hartnäckigen Fällen helfe oft nur die Drohung, den Mietvertrag nicht zu verlängern. Wenn das alles nichts nütze, müsse schließlich einer gehen, sagt Büter.

 

Was kann man tun, damit es nicht so weit kommt? Büter meint, Struktur und Organisation seien die sprichwörtliche halbe Miete. Sein Rat an WG-Gründer: »In der Wohngemeinschaft gibt es nichts Wichtigeres als die Verständigung darüber, in welchem Rhythmus man die Räume in Ordnung hält, einkauft und dergleichen. Dabei geht es auch darum, nicht nur zu wissen, wann, sondern auch, wie ein Bad geputzt werden soll.« Büter spricht von »Werte-Hierarchien«, die oft nicht vereinbar seien. Einfach gesagt: Für wen Ordnung und Sauberkeit Priorität haben, der sollte sich Mitbewohner suchen, die das genauso sehen. »Es geht nicht nur darum, sich die Miete zu teilen. Ansonsten ist der Konflikt vorprogrammiert.«

 

Mittlerweile ist der Kölner Streitschlichter bundesweit bekannt. Das Interesse der Medien überrasche ihn, sagt Büter. In Berlin wolle man gar das Modell übernehmen. Wünsche von Fernsehteams, ihn mit der Kamera bei der Arbeit zu begleiten, lehnt er ab. »Die Atmosphäre ist ohnehin aufgeladen, da sind viele Gefühle im Spiel. Es wäre ein zusätzlicher Stressfaktor für die Studenten – aber auch für mich.«

 

Im Moment sei es ruhig in der Beratungsstelle des Studentenwerks. Die meisten haben wohl noch »keine Zeit zum Streiten«, vermutet Büter. Dass aber die kommenden Semester für ihn mehr Arbeit bedeuten, hält er für wahrscheinlich. »Die verschärften Bedingungen für Studenten können durchaus dazu führen, dass bei einigen die Toleranz erheblich vermindert wird. Man kann nicht mehr hin und wieder über die laute Musik des Nachbarn hinwegsehen, wenn man es mit der Prüfungsvorbereitung genauer nehmen muss«.

 

Wie schwierig das Zusammenleben sein kann, weiß Büter übrigens aus eigener Erfahrung: In seiner ersten WG wurde aus seiner Freundin die seines Mitbewohners. Später habe er dann aber doch noch positive WG-Erfahrungen gemacht und sei daher »zum Glück nicht neurotisiert«, erzählt er und lacht.