Über Umwege zum Ziel

Periscope spielen Pop mit Dissonanzen

Ein Waldstück in der Nacht. Der fahl beleuchtete Typ am Fender Rhodes drückt ein paar karge Harmonien und singt mit souverän schiefer Stimme traumartige Zeilen über ein »Speedboat«. Am Boden krabbeln Ameisen zwischen den Kabeln. Irgendwann spielt eine verhallte E-Gitarre einen schaurigen Lauf. Motten schwirren um Glühbirnen. Erst kurz vor Schluss setzt der Rest der Band ein und spielt einen verschleppten Postrock-Marsch. Dann bricht der Tag an.

 

Soweit die Kurzzusammenfassung eines Videoclips, der im Internet gerade weite Kreise zieht. Der Clip stammt von der Kölner Band Periscope, die den Song während des Drehs im Wald auch live eingespielt hat – und zwar in beeindruckender Klangqualität und nur mit Hilfe weniger Handmikrofone.

 

Das Video zu »Speedboat« ist von einer solch dichten Atmosphäre, dass es einer Band aus England zu einem mittelschweren Hype verhelfen würde. Periscope haben bislang noch nicht einmal ein Plattenlabel. Und das, obwohl dem Clip auch schon zwei Veröffentlichungen vorausgegangen sind, die ebenfalls von großer Originalität zeugen: Das Quartett spielt mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Rhodes und singt mit zwei brüchigen Stimmen ihre eigene Variante experimenteller Popmusik. Doch während es der Band noch auf den Tonträgern vornehmlich darum ging, klassische Songstrukturen zu vermeiden und eher über Umwege zum Ziel zu kommen, steht »Speedboat« symptomatisch für eine modifizierte Herangehensweise, wie Sänger und Gitarrist Tilman Singer erklärt: »Unsere Musik ist inzwischen weniger verkopft, manchmal schreiben wir richtige Lieder. Wir nehmen uns generell mehr raus – auch Kitsch etwa ist keine Kategorie mehr, die wir prinzipiell ablehnen.«

 

Bemerkenswert ist, wie geschickt Periscope Dissonanzen in ihre Musik einbauen, ohne dabei bemüht avantgardistisch zu klingen. Die hohe Schule schräger Popmusik beherrschen sie schlafwandlerisch, Zurückhaltung ist ein zentraler Aspekt: »Weglassen statt dazunehmen«, lautet, so Tilman Singer, ihr kreatives Credo. Wichtig ist dem Kunststudenten (bei »Speedboat« hat er auch Regie geführt), dass man der Musik keine klare Herkunft zuordnen kann: »Es geht uns nicht um Heimat, sondern um Phantasie.« Ein Grund, warum Periscope Englisch als Sprache gewählt haben, denn »dadurch gibt es ästhetische und stilistische Vorteile – und man muss nicht so sehr die Hosen runterlassen«.

 

Dabei sind Periscope eigentlich eine klassische Jungscliquen-Band: Alle Mitglieder kennen sich aus ihrer gemeinsamen Schulzeit in Brühl, wo sie schon in der Oberstufe zusammen Musik gemacht haben. Großmäulertum geht ihnen aber völlig ab: »Wir wollen das mit der Musik nicht auf Teufel komm raus pushen, wir machen es so, wie es kommt, so konsequent wie möglich.« Nun ja, ein bisschen mehr Größenwahn dürfen sie sich schon erlauben!