»Liebe ist was für arschgeile Penner«

Stefan Nagel inszeniert Othello im Kellertheater

Da haben sich vor einigen Jahren zwei Autoren Shakespeares Klassiker ordentlich zur Brust genommen: Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. In ihrer Bearbeitung von »Othello« haben die beiden das Eifersuchtsdrama radikal in die saftige Fäkalsprache jener Proll-Peer-Group übersetzt, die jetzt im Theater der Keller als Bürgerschreck auf der Bühne steht – zumindest literarisch: Zwar hat der »Schoko« Othello die »goldene Fotzenbeute abgegriffen, Alter«, die Jago auch gerne »bespringen« würde, doch bei »Fotze« Desdomona kriegt, wenn überhaupt, der vermeintlich rassige Rodrigo den »sicheren Fick«. So verspricht es Jago, der außerdem das »scheißschwule Tuntentalent« Cassio zur Fall bringen will, schließlich ist er statt Jago Leutnant geworden.

 

Soweit so gut. An Gebräuchliches erinnert nichts auf der schlichten schwarzen Bühne. Der junge Regisseur Stefan Nagel, der als Regieassistent am Schauspiel Köln mit Karin Beier, Jürgen Gosch und Katie Mitchell arbeitete, setzt auf die Dynamik der Sprache, um die Eifersuchtsgeschichte zu entwickeln, bis ganz sinnbildlich selbst den silbernen Luftballonherzen unter der Decke die Luft ausgeht. Was soll’s: »Liebe ist was für arschgeile Penner«.

 

Weniger das Interesse an dem universellen Thema der Untrennbarkeit von Liebe und Verrat steht im Fokus, als vielmehr ein genau sezierter Ablauf der Intrige: Was Sprache mit ihrer Wucht und Doppeldeutigkeit anzustellen vermag und wie sie nach und nach die Sinne aller vergiftet. Am Ende erwürgt Othello vor lauter Eifersucht seine Desdemona. Bösewicht Jago hat zuvor seinen Rivalen Cassio aus Neid ermordet.

 

Nagel inszeniert diesen schleichenden Verderbungsprozess linear und führt seine Schauspieler dabei locker durch den Kampf der Eitelkeiten. Entgegen der oft handelsüblichen Spielart, die Diskriminierung Othellos über Hautfarbe oder Alter zu verhandeln, lässt der Regisseur in seiner Inszenierung auf diesem Feld die Geschlechter antreten. Gut so. Sarah Härtling gibt als Desdemona überzeugend das aufgetakelte It-Girl, das ihrem »Schokocrispie« Othello durchaus Paroli bieten kann, aber eben nur, weil es ihr blondes Aussehen erlaubt. Demgegenüber stehen als Pendant die Männer, die als Machoprolls auf dicke Hose machen. Das eine existiert eben nur durch das andere. Als Debüt in der freien Szene (zählt man die PeterLicht-Kollektivinszenierung in der Studiobühne nicht mit) gelingt Stefan Nagel ein spannender Abend mit einem Ensemble, das eine klare Haltung zum Text hat.