Schnell, aber sexy – Kölner Tischfußballer ziehen gleich mit Berlin, Foto: eitelsonnenschein.de

Schwere Zeiten für Pacmans Erben

Mit einem Teilnehmerrekord startet die Kölner Kickerliga in die neue Spielzeit

Was ist das für eine Sportart, in der durchschittlich 145,2 To­re pro Spiel fallen? In der das knappste Match bei zwanzig auszuspielenden Sätzen mit 10:10 Spielen und 79:76 Toren endet und die Mannschaften Namen tragen wie Lottaleben Süd, Vollpfos­ten oder Balla Balla Ehrenfeld?

 

Die Antwort lautet: Tischfußball, auch bekannt als Kickern. Rund 400 Männer und Frauen drehen mittlerweile in Köln organisiert an den Stangen. Tim Blosze ist einer von ihnen. Der 26-Jährige ist Kapitän im Team »Zerstörer«, das seinem martialischen Namen auch in der zweiten Spielzeit alle Ehren machte und erneut ungeschlagen den Titel holte. Blosze selbst ist noch gar nicht so lange dabei. Vor fünf, sechs Jahren hat er mit dem Kickern begonnen – wie man das halt so macht, mit Kumpels in der Kneipe. Mit Training betreibt er seinen Sport erst seit zweieinhalb Jahren.

 

Die Enstehung des Tischfußballs, im Amerikanischen als foosball bekannt, ist nicht klar. Einigen Quellen zufolge erfand der spätere französische Industrielle Lucien Rosengart Ende des 19. Jahrhunderts den Kickertisch, andere sehen amerikanische GIs während des Zweiten Weltkriegs als die Erfinder. Sicher ist: In den 70er Jahren gelangte der Sport zu kurzer Blüte, als Profispieler in den USA Millionen-Preisgelder einstrichen. Bis Pacman die Spiel­hallen und Kneipen eroberte und die Kickermännchen fraß.

 

Fast drei Jahrzehnte später erlebt Tischfußball in Deutschland einen Boom, nachdem zahllose Veranstalter ihre Public-Viewing-Events zur Fußball-WM 2006 mit Kickertischen schmückten. Seither hat sich vor allem in großen Städten viel getan. »Allein in den vergangenen zwei Jahren sind in Kölner Kneipen rund 20 Toptische dazu gekommen,« sagt Blosze. Wirte haben erkannt, dass sich mit einem gut gepflegten Kickertisch Publikum gewinnen lässt, das länger bleibt, Geld ausgibt und wiederkommt. Ein- bis zweitausend Euro kostet so ein Turniertisch. Eine Investition, die sich offenbar auszahlt.

 

Die Kölner Kickerliga, die Ende Januar in ihre dritte Saison startet, ist daran nicht ganz unbeteiligt. Anfang 2009 hob eine Handvoll Spieler die bunte Freizeitliga aus der Taufe. 16 Teams waren es am Anfang, 2010 fast doppelt so viele. Die neue Spielzeit startet mit 38 Mannschaften, die sich auf eine erste, eine zweite und drei dritte Ligen verteilen. Damit ist Köln zahlenmäßig auf Augenhöhe mit älteren Initiativen in Hamburg oder Berlin.

 

Unter den Kölner Kickerspielern tummeln sich jede Menge Studenten, aber auch Handwerker, Anwälte, Ärzte und sogar ein Professor, wie Tim Blosze sagt. Er selbst ist Grafikdesigner und organisiert – analog zum DFB-Pokal beim Fußball – noch einen Ligapokal, zu dem sich bereits 32 Mannschaften angemeldet haben. »Da treffen ligaübergreifend Teams aufeinander, die sich während der Saison sonst nie begegnen«, sagt Blosze und hofft auf Pokalatmosphäre.

 

Elias Schmoz, Student der Geschichte und der Philosphie, will noch mehr. Der 27-Jährige ist Geschäftsführer des zurzeit in Gründung befindlichen »Kölner Tischfußball«. Ziele des gemeinnützigen Vereins, sagt Schmoz,  seien regelmäßige Veranstaltungen, auch Großveranstaltungen wie eine Stadtmeisterschaft und internationale Preisgeldturniere. Und – ganz wichtig: kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.« Schon jetzt betreue man Projekte in drei Kölner Jugendzentren. Da kämen 12- bis 18-Jährige zweimal pro Woche zum Training und nähmen mit ihren Teams an der Jugendkickerliga teil.

 

Kickertische in Jugendzentren, das kennt man. Tischfußball als angewandte Sozialpädagogik nicht so sehr: »Wir haben viele Kids aus einem prekären Umfeld dabei«, sagt Schmoz. »Unsere Pädagogen versuchen, ihnen Schlüsselqualifikationen wie Fair Play oder den Umgang mit Sieg und Niederlage zu vermitteln.« Die Einrichtungen nähmen das Angebot gut an.

 

Die Kickerszene sorgt mittlerweile also selbst für Nachwuchs. Und wer weiß: Irgendwann frisst der womöglich sogar Pacmans elektronische Erben.

 

Täglich zum Kickern verabreden kann man sich über die Facebook-Seite »Kickern in Köln«. Fast im Wochenrhythmus werden Turniere ausgespielt, etwa im »Foosclub Ehrenfeld« oder im »Hoppla« in Kalk. Über die Kölner Kickerliga informiert die Website kickerliebe.de