Unser Mann im Stadtbezirk Nippes: Bernd Schößler, Foto: Katja Heddinga

»Die Hoch­kultur frisst zu viel Geld«

Bernd Schößler ist seit 13 Jahren in Nippes an der Macht

Über die Veedels-Grenzen hinaus bekannt wurde Bernd Schößler beim Anti-Islamisierungskongress der rechtsextremen Bewegung Pro Köln im September 2008. Als Bezirksbürgermeister verlegte er damals aus Protest eine Sitzung der Nippeser Bezirksvertretung ins Freie. Und als Vorstandssprecher der Taxi-Genossenschaft City-Ruf bat er später am Tag die Kollegen, die Mülheimer Brücke, wo die Pro-Köln-Funktionäre gestrandet waren, weiträumig zu umfahren. »Das freut mich heute noch, dass alle Kollegen aus Überzeugung mitgemacht haben«, sagt der SPD-Politiker.

 

Die Geschichte vereint zwei wichtige Pole in Bernd Schößlers Leben. Zum einen sein Veedel, sein Bezirk. »Ich habe als Kind in Riehl gewohnt, bin in Nippes zur Schule gegangen, meine erste Freundin war aus Longerich. Heute wohne ich in Niehl. Der gesamte Bezirk ist meine Heimat«, sagt der 57-Jährige. Dass er sich auskennt, merkt man. Erzählt man von Bekannten, die kürzlich nach Nippes gezogen sind, ist er gedanklich gleich vor Ort. »Oh, da fährt doch der Bus direkt vor der Haustür? Nicht zu laut? Dritter Stock? Okay, ja, das geht.«

 

Das Plaudern und die Ortskenntnis führen dann zum zweiten Bezugspunkt. Würde Schößler in diesem Moment nicht in seiner kleinen Küche in Niehl sitzen, mit geringelten Socken zum gestreiften Hemd, man könnte ihn sich ohne Probleme auch am Steuer eines Taxis vorstellen. Der Blick geradeaus, der lockere Plauderton, die typischen Geschichten: über die Stadtoberen, den Karneval, die unterschiedlichen Menschen, die man fährt, von der werdenden Mutter bis zur Oma, die gerade ihren Mann im Krankenhaus verloren hat, auch das Wetter wird nicht ausgespart. Den Taxifahrer, den kriegt er nicht ganz raus.

 

Eigentlich wollte Schößler nach dem Abitur Sportlehrer für geistig- und körperlich Behinderte werden. Doch er brach sein Sonderpädagogik-Studium ab — und gründete ein Taxiunternehmen. Mehr als 30 Jahre lang war er Taxiunternehmer, rund 15 Jahre saß er selbst hinterm Steuer. Bis Juni vergangenen Jahres war er zudem im Vorstand der Kölner Taxi-Genossenschaft. Mit Lokalpolitik kam er erstmals als Sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Tiefbau und — natürlich — Verkehr in Kontakt. »Die anderen mussten immer erst in den Stadtplan gucken, ich wusste stets, wovon gesprochen wird und wie es dort aussieht«, erinnert er sich. Seit 1999 ist er oberster Mann in Nippes, nur die Kollegen Wirges aus Ehrenfeld und Fuchs aus Mülheim sind länger im Amt.

 

Schößler ist ein umtriebiger Typ, viel unterwegs, das Handy immer griffbereit. Eine normale Woche klingt in etwa so: Montagabend Ortstermin an der Haltestelle Neusser Straße/Gürtel, danach Fraktionssitzung. Dienstag Vorstandssitzung des SPD-Ortsvereins. Mittwochnachmittag Besprechung der Fraktionsvorsitzenden, danach SPD-Ratsfraktion. Donnerstag Bezirksvertretung, dann Unterbezirksvorstandssitzung der SPD. Samstag noch eine wichtige Veranstaltung im Rathaus. Dazu dann noch der Brotjob — eine Menge Holz für einen Menschen und eine Woche.

 

Klar gehe das auch an die Substanz, erzählt Schößler. »Man kann zwar recht autark über seine Termine bestimmen. Aber wenn man was erreichen will, ist der Zeiteinsatz größer als 20 Stunden die Woche. Da wird’s dann eng mit dem Privatleben, mit Familie, Freunden, man bewegt sich schnell nur noch in diesem Karussell. Das geht aber allen Kollegen so, von denen ist auch noch keiner in Rente.«

 

Die Belastung der Bezirksbürgermeister ist ein Thema dieser Tage in Köln. Ende Januar trat Kollege Petschel in Rodenkirchen deswegen zurück. Der Eberhard, wie Schößler sagt. Die Kollegen Bezirksbürgermeister duzen sich, zwei bis drei Mal im Jahr trifft man sich zum Austausch, auch Oberbürgermeister Jürgen Roters ist mit dabei.

 

Den Eberhard jedenfalls, sagt Schößler, den könne er schon verstehen. Das größere Problem sei für ihn aber die Machtlosigkeit. Er macht seinen Job gerne, dass betont er gefühlt in jedem dritten Satz. Aber es gebe schon frustrierende Momente. Ein aktuelles Beispiel ist eine Bürgerinitiative, die Vorschläge gemacht hat, wie man den Verkehr an der Niehler Straße besser gestalten könne. »Die Verwaltung sollte da erstmal nur eine Einschätzung abgeben: Können wir machen, oder können wir nicht machen. Auf die Antwort warte ich seit einem halben Jahr«, schimpft er.

 

Redet er sich einmal in Rage, sprudelt es aus ihm heraus. »Manche Gelder würde ich lieber woanders reinstecken«, sagt er und zündet sich noch eine Selbstgedrehte an. »Die Hochkultur frisst zu viel Geld. Wenn ich weiß, dass ein Platz in der Oper mit 165 Euro bezuschusst wird, und auf der anderen Seite im Nippesbad der Zuschuss bei rund fünf Euro pro Besucher liegt, und die das Bad jetzt zumachen aus wirtschaftlichen Gründen, dann fehlt mir das Verständnis.«

 

Ans Handtuchwerfen denkt Schößler trotz allem nicht. »Beim Ablauf der aktuellen Wahlperiode 2014 bin ich 60. Ich bin mir mit mir noch nicht einig, ob es nach 15 Jahren reicht. Ich habe ganz sicher nicht den Ehrgeiz, der dienstälteste Bezirksbürgermeister Kölns zu werden.« Schließlich müsse man wissen, wann Schluss ist, sagt er. Auch das ist wieder ein bisschen wie beim Taxifahren. »Da muss man genau erkennen, wann die Menschen reden wollen, und wann sie keinen Bock mehr haben. Und dann muss man ganz einfach die Klappe halten.«