Vorsicht Kamera?

Im Rahmen des Internationalen Frauenfilmfestivals wird erstmals in Köln der Preis für die beste Bildgestalterin verliehen. Frauen stehen immer noch selten hinter der Kamera. Warum eigentlich?

Daniela Knapp hat 2011 für die Bildgestaltung im Historienfilm »Poll« den Deutschen Filmpreis erhalten, der Marburger Kamerapreis geht in diesem Jahr an Agnès Godard (»35 Rum«) und der Bremer Filmpreis an Kamerafrau Caroline Champetier (»Von Menschen und Göttern«). Ist eine Frau hinter der Kamera zur Selbstverständlichkeit geworden?

 

Zu wenig Frauen an der Kamera

 

Aktuelle Zahlen zeigen ein anderes Bild. Noch immer sind Frauen in den technikaffinen Filmberufen stark unterrepräsentiert. Die Berufsvereinigung Filmton verzeichnet unter ihren Mitgliedern nur rund sieben Prozent Frauen. Beim Bundesverband Beleuchtung und Bühne sind von den etwa 160 Mitglieder acht weiblich. Und im Bundesverband Kamera liegt der Frauenanteil bei etwa fünf Prozent.

 

Zwar muss nicht jede Ka­mera­frau Mitglied im Verband sein, aber Sophie Maintigneux schätzt, dass die Zahlen die Realität gut wiedergeben. »Bei etwa acht bis zehn Prozent der Filmproduktionen in Deutschland sind Frauen hinter der Kamera beteiligt«, sagt die Kamerafrau, die bereits mit Eric Rohmer und Jean-Luc Godard gearbeitet hat. Sie beobachtet die Entwicklung genau.

 

Seit 2001 ist sie Mitglied der Jury für den nationalen Wettbewerb für Bildgestalterinnen, der bislang in Dortmund vergeben wurde. Neuerdings lehrt sie als Professorin für Bildgestaltung an der Kunsthochschule für Medien in Köln. »Früher lag der Beruf fast ganz in Männerhand«, erklärt sie. »Männer haben die Information verbreitet, er sei vor allem technisch und gehöre deshalb nicht zu den Begabungen einer Frau. Sehr wenige Frauen haben sich daraufhin getraut, das in die Hand zu nehmen.«

 

Bildgestalterin statt Kamerafrau

 

Hinzu sei die Angst vor den damals noch sehr großen Geräten gekommen, wissen die Kamera­frauen Jana Marsik (»Same Same But Different«) und Anne Misselwitz (»Kümmel baut«), die wie Kollegin Maintigneux in diesem Jahr in der Jury des Wettbewerbs sitzen.

 

Um wegzukommen von der Technisierung, verwendet das Frauenfilmfestival den Begriff »Bildgestalterin« statt »Kamera­frau«. »Wir wollen den Beruf nicht an den Apparat binden«, erläutert Sophie Maintigneux. »Bildgestaltung« verweist mehr auf das Gestalterische des Berufs, in dem es darauf ankommt, Bildkomposition, Beleuchtung und Kameraführung zu einem visuellen Gesamterlebnis zusammenzuführen.


Alte Argumente lösen sich auf

 

Der Respekt vor der Technik ist mit zunehmender Digitalisierung gesunken, denn der Zugang zu ihr ist nun kostengünstiger und leichter. Früher habe man genau planen müssen, wie eine Szene gedreht werden soll, um beim späteren Belichten keine böse Überraschung zu erleben, erinnern sich die Kamerafrauen. Heute könne man eher einfach drauflosdrehen.

 

Auch das Argument, Frauen seien körperlich nicht stark genug für den Job, fällt wegen der leichteren Geräte weg. Für Angelika Huber ohnehin ein Vorurteil: »Rückenprobleme kön­nen bei Männern und Frauen vorkommen. Das ist eine Frage des Trainings.«

 

Die Kamerafrau und Dokumentarfilmerin ist Mitglied von LaDOC, einem Netzwerk, in dem etwa 25 Kölner Autorinnen, Regisseurinnen, Cutterinnen und Kamerafrauen aktiv sind. Huber schätzt vor allem den offenen Austausch mit den Kolleginnen. Die Wichtigkeit solcher Netzwerke betont auch Sophie Maintigneux. In den elf Jahren, die sie der Jury des Bildgestalterinnen-Wettbewerbs vorsitzt, hätten sich viele solcher Gruppen gebildet, unter anderem ein Stammtisch junger Kamerafrauen in Berlin.

 

Es gäbe ein Zusammengehörigkeitsgefühl, bestätigt auch Jana Marsik. Bekommt sie einen Job angeboten, den sie nicht übernehmen kann, empfiehlt sie gerne eine Kollegin. »Aber ich habe auch kein Problem mit Männern«, sagt sie. »Ich fände es schön, wenn es nur nach Qualität gehen würde.«

 

Es habe sich bereits viel getan, räumt Sophie Maintigneux ein: »Es gibt mehr Vorbilder wie Judith Kaufmann, Jana Marsik oder Daniela Knapp. Das hat der neuen Generation einen Schub gegeben. Mehr und mehr Frauen bewerben sich für die Ausbildung.« Unter ihren Studenten gäbe es bereits fast so viele Frauen wie Männer.

 

Kamera oder Kind

 

Die eigentlichen Probleme fangen nach der Ausbildung an. Haben die Frauen das Studium abgeschlossen, sind sie meist Anfang 30. »Das ist die Zeit der Familienplanung«, so Maintigneux. »Dann müssen sie sich zwischen Beruf und Familie entscheiden. Als Bildgestalterin ist man oft wochenlang unterwegs. Mit kleinen Kindern ist das kaum möglich.«

 

Auch Angelika Huber kennt das Problem, sie hat einen Sohn: »Ich kann das zum Glück gut mit meinem Mann organisieren. Er ist Drehbuchautor.« Aber ein solches Arrangement ist eher die Ausnahme.

 

Und auch beim Gehalt gäbe es immer noch Ungleichheiten, sagt Sophie Maintigneux. Viele Frauen würden eher im Low-Budget- oder Dokumentarfilmbereich arbeiten und daher deutlich weniger verdienen als die Kollegen bei großen Spielfilmproduktionen.

 

Der Markt ist hart umkämpft, es gibt deutlich mehr ausgebildete Kameraleute als attraktive und lukrative Produktionen. Kritiker reden von einer regelrechten Schwemme, die jedes Jahr von den Hochschulen kommt, und den oft prekären Arbeitssituationen, in denen sich viele Kameraleute befinden.

 

Dennoch wünscht sich Sophie Maintigneux mehr öffentliche Präsenz von erfolgreichen Kamerafrauen, mehr Gleichberechtigung. Ihr Blick in die Zukunft ist positiv: »Es gibt eine Generation von jungen Frauen, die ambitioniert sind und anders mit Erfolg umgehen. Sie haben das Selbstbewusstsein, in ihrem Beruf wirklich erfolgreich sein zu wollen.« Die vielen Filmpreise für Kamerafrauen in jüngster Zeit läuten vielleicht die Wende ein.