Ein schreckliches Labyrinth

Man hat etwas auf Zeit, als sei es das eigene, aber das ist es nicht: das Mieten. »Wie bei Gefühlen, Beziehungen, dem Leben«, sagte Gabriela Cortizo vom belgischen Ensemble Peeping Tom 2011 in einem Interview zu »For Rent (À Louer)«, das Ende April im Schauspielhaus gastiert.

 

Gemeinsam mit Franck Chartier choreografiert sie seit 2000 in Brüssel unter diesem Kompanienamen. Zuletzt waren sie 2005 hier beim Festival »dampf« von Tanzperformance Köln. Stets bebildern Peeping Tom eine häusliche Welt und erforschen, wie merkwürdig und verschwimmend Nähe sein kann.

 

In »Le Jardin« (2002) kugelten sie als junges Paar über einen Reihenhausrasen, während in der Ecke ein älterer Mann, Simon Versnel, über sein Älterwerden klagte. Einer, der nach seinem welterobernden Leben in diesem Winkel gelandet ist. Ein Vater vielleicht. Das Verhältnis der drei bleibt in der Schwebe. Zuwendung hat bei Peeping Tom bei aller momentanen Intensität immer den Hauch von Vergeblichkeit.

 

In »Le Salon« (2005) war dem Paar, samt Versnel im schicksalhaften Schlepptau, ein Kleinkind beigesellt. Das, entzifferte man die Geschichte, eigentlich nicht existierte, zum Kummer der Mutter. Das herzlich bewegte Familienleben war der Traum, der sie tröstete und zerstörte.

 

Zerstört wurde am Ende auch ein Klavier. »32 Rue Vandenbranden« (2009) spiel­te dann auf einem Platz zwischen Notunterkünften. Ein paar halbsesshafte Leute belauerten, betrogen und umsorgten einander in einer eisigen Zeit. Das Weiche, Zähe, die extreme Biegsamkeit, das Halsüberkopf übernahmen nun andere hervorragende Tänzer. Virtuosität sei ihnen schon auch wichtig, sagt Franck Chartier lapidar.

 

In »For Rent«, dem jetzigen Gastspiel, verdoppeln sie einen mondänen, abgeranzten Raum nach hinten. Eine traum- oder alptraumhafte Welt der unerwarteten Möglichkeiten, aus dem es Entkommen nicht gibt.

 

Das Element des Temporären, mietemäßig Vorübergehenden kombinieren sie mit wechselhafter Zeitlichkeit: Verlangsamung, Beschleunigung. »Eigentlich ein schreckliches Labyrinth«, meint Chartier. Für die Zuschauer sicher eine Lust.