Laien in Uniform

Obduktionsbericht über Stephan Neisius soll prügelnde Polizisten entlasten

Vorwurf beschränkt sich auf Körperverletzung im Amt

Die Ermittlungen gegen die Polizeibeamten beschränken sich daher auf den Vorwurf der Körperverletzung im Amt.« Mit diesem lapidaren Satz endet die Presseerklärung vom 26.6. zum Obduktionsbericht Stephan Neisius. Den Ermittlungsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge versuchen Staatsanwaltschaft und Polizei damit kurzerhand vom Tisch zu wischen.

Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Staatsanwaltschaft

Im vorliegenden Fall erklären sich Staatsanwaltschaft und Polizei auffallend oft gemeinsam der Öffentlichkeit. Dieses Zusammenwirken ist insofern bedenklich, als man eine Unvoreingenommenheit der Staatsanwaltschaft als Rechtspflegeorgan voraussetzen müsste. Die Polizei aber ist im Fall des Todes von Stephan Neisius nicht nur Ermittlungsbehörde, Polizeiangehörige sind auch die Beschuldigten.
Diese werden – so die Interpretation von Staatsanwaltschaft und Polizei – durch das rechtsmedizinische Gutachten insofern entlastet, als dass die polizeilichen Gewaltanwendungen keine unmittelbar tödlichen Verletzungen hervorgerufen haben. Gestorben ist Stephan Neisius an den Folgen eines »hypoxischen Hirnschadens«, einfacher gesagt: einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Ausgelöst wurde diese durch »eine vorausgegangene Belastungsreaktion mit plötzlichem Herz- und Kreislaufversagen«.
Diese Belastungsreaktion, so erklärt der Obduktionsbericht, sei durch anhaltenden Stress und Erregung ausgelöst worden, der Organismus entwickle in solchen Situationen einen deutlich höheren Sauerstoffbedarf. Die körperliche Traktierung des Festgenommenen – dafür braucht man keine rechtsmedizinische Ausbildung – dürften den Stress maßgeblich gesteigert haben. Außerdem verweist das Gutachten auf eine zusätzliche Behinderung der Atemtätigkeit durch die Fixierungsmaßnahmen der Polizisten.

Gutachten belastet Beschuldigte zusätzlich

»Das Gutachten entlastet die Beschuldigten nicht«, kommentiert Anwalt Detlef Hartmann, der einen Familienangehörigen des Toten vertritt, »es belastet sie zusätzlich.« Er verweist u.a. auf eine Stelle des Berichts, an der ausgeführt wird, dass auch von medizinischen Laien (gemeint sind hier die beschuldigten Polizisten) erwartet werden könne, dass sie in der Lage seien, abzuschätzen, ob akute Luftnot drohe. Für jeden Laien müsse zudem klar sein, so das Gutachten weiter, dass anhaltende Fixierung eine Atembehinderung auslösen und diese wiederum zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könne.

Vorwurf der Fahrlässigkeit

Wenn die Lebensbedrohung ihres Opfers für die Beamten jedoch vorhersehbar war, ist der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht weit. Strafrechtlich setzt die Beschuldigung der Körperverletzung mit Todesfolge voraus, dass der Tod »in einem Gefahrenzusammenhang« mit der Körperverletzung steht. Dieser Zusammenhang scheint durch den Obduktionsbericht keineswegs ausgeräumt.