Fachmann für Qualitätssicherung: Willi Stadoll, Foto: Manfred Wegener

Ein bisschen New York

Willi Stadoll will das ­Wir-Gefühl in Porz stärken

Am Revers trägt er das alte Porzer Stadtwappen. Willi Stadoll freut sich, wenn man es kennt. »Grundsätzlich empfinden Porzer immer als Porzer«, sagt der Sozialdemokrat und Gewerkschafter. Er ist Bürgermeister eines Stadtbezirks, der bis 1974 eine selbstständige Stadt war — bis sie von Köln eingemeindet wurde.

 

Damals lebte Stadoll, der in Ehrenfeld geboren ist und dort als Elektriker arbeitete, seit zwei Jahren hier. Als seine Tochter geboren wurde, sagt er, habe er ein anderes Umfeld gesucht. Und dann erzählt der Rentner von Langel, einem ­kleinen Ort im Porzer Süden. In den 70er Jahren hat Stadoll dort ein Haus gebaut, und noch heute schwärmt er von den kilometerlangen Feldern, den Gehöften, der Natur. »Meine Tochter sollte Kühe nicht nur aus Bilderbüchern kennenlernen«, sagt er. 

 

Früher Aufbruchsstimmung

 

Jetzt gerade aber sitzt Willi Stadoll an einem Tisch in seinem Büro im Porzer Zentrum. Kühe und Bauernhöfe gibt es hier nicht. Stattdessen ein Hertie-Warenhaus, das schon lange leersteht, sowie einen Marktplatz, auf dem kein Markt mehr stattfindet; vor Jahren sind dort Ladenzeilen abgebrannt und bis heute nicht wieder aufgebaut worden. Überhaupt ist das Porzer Zentrum etwas trostlos.

 

Das war noch Anfang der 70er Jahre ganz anders. Damals herrschte Aufbruchstimmung, die neue Halbleitertechnik aus Porz war ein weltweiter Exportschlager. Eine Stadt im Fortschrittstaumel: Es gab einen Flughafen, Fabriken, ein hochmodernes Krankenhaus sowie eines der ersten deutschen Autokinos.

 

Heute sozialer Brennpunkt

 

Dann kamen die Hoch­häuser. So sparten die Planer Fläche beim Wohnungsbau und setzten sich zugleich futuristische Denkmäler. Eine sozialdemokratische Utopie: günstige Wohnungen für diejenigen, die nicht viel Geld verdienten, umgeben von einem Bungalow-Gürtel für Besserverdienende.

 

Heute ist dieses Utopia ein sozialer Brennpunkt, das ehemalige »Demonstrations-bauvorhaben« in Porz-Finkenberg befindet sich in der Hand zwielichtiger Investmentsfonds. Die Fassaden blättern ab, die Aufzüge sind kaputt.

 

Gerade läuft ein Projekt aus, mit dem der Ortsteil aufgewertet werden sollte, erklärt Stadoll. »Viel ist erreicht«, sagt er und fügt dann, so als ahne er den Einwand, hinzu: »Aber natürlich muss es dort noch weitergehen.« Stadoll legt Wert darauf, dass er die meisten Entscheidungen in der Bezirksvertretung mit den Fraktionsspitzen von CDU, Grünen und FDP trifft.

 

Entwicklung für Porz

 

Etwa das Bekenntnis zu einem »Entwicklungskonzept« für das Porzer Zentrum. Stadoll, der beruflich und privat viel gereist ist, erzählt von einem kleinen Park mitten in New York. Er kommt wieder ein bisschen ins Schwärmen. Dort saß er vor anderthalb Jahren mit seiner Frau, um auszuruhen und hörte wie nebenan Musik geprobt wurde. »Da konnte man mal abschalten, mitten im Trubel«, sagt er. So etwas schwebt ihm nun auch in Porz vor. Bloß, wo ist hier der urbane Trubel?

 

Von seinem Schreibtisch blickt er auf den Rhein, Lastschiffe tuckern vorbei. Passanten auf der Uferpromenade. »Wir haben hier 14 Kilometer Rheinufer«, sagt Stadoll. Jeder wird Stadoll zustimmen, dass das wunderbar ist. Aber nur wenige Meter vom Rathaus entfernt werden sowohl die historische Treppe als auch der Schiffsanleger am Rheinufer gerade saniert. Momentan sieht es eher nach Vandalismus aus.

 

Zuhören und Bürger mitentscheiden lassen

 

»Wenn mir Menschen auf der Straße sagen: Wir müssen uns mal um dieses oder jenes Problem kümmern, dann freue ich mich«, erklärt Stadoll. »Denn wichtig ist das Wir!« Mehr als 150 Vereine gebe es in Porz, sagt er, so als gelte es einen Rekord zu vermelden: »86 Sportvereine, 36 Karnevalsvereine und dann noch die sozialen Vereine!« Dort erfahre er, »wo der Schuh drückt«.

 

Denn in den Vereinen, spiegele sich das, was auch die Menschen im Veedel bewege. »Es ist meine vornehmste Aufgabe, mit den Vereinen zu reden, und das bedeutet für mich überwiegend zuhören.« Damit kennt sich Stadoll, der später Auditor für Qualitätssicherung beim TÜV Rheinland wurde, bestens aus. Das komme ihm jetzt zugute, sagt er.

 

Dem Bezirksbürgermeister ist wichtig, dass die Menschen vor Ort entscheiden können. Doch das ist oft nicht der Fall. Stadoll ärgert sich über Vorschläge, wie den, statt für 370.000 Euro die Mauer an der Promenade zu sanieren, einen simplen Zaun für bloß 140.000 Euro zu errichten. »Ich meine, dass die Leute, die vor Ort wohnen, darüber entscheiden sollen«, sagt Stadoll.

 

Zum Abschied zeigt Stadoll noch das neue Panorama-Foto: Porz von der linken Rheinseite aus gesehen. Der Schiffsanleger ist noch nicht kaputt, die Hochhäuser von Finkenberg sind nicht zu sehen. Und die schönen 14 Kilometer Rheinufer, die passen gar nicht auf ein Bild.